XXVIII.


Raymus Antilles rieb mit seinem Handballen über einen kaum sichtbaren Schmierfleck auf einem der Bildschirme für die taktischen Anzeigen, aber das ließ den Patrouillenkreuzer, der mit der schwerelosen Bedächtigkeit eines großen Raubfischs auf die langsam dahin driftende Mitarsi zu glitt, auch nicht verschwinden – leider!

Antilles fand, dass das imperiale Schiff eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Barrakaida aufwies, der noch nicht ganz entschieden hatte, ob er schon hungrig genug war, den saftigen Seeteufel direkt vor seinen zähnestarrenden Kiefern zu attackieren und zu zerfetzen oder nicht, aber das konnte sich jeden Augenblick ändern.

„Ich sag's ja nicht gerne, Hoheit, aber die Imps da hinten werden allmählich ein bisschen aufdringlich. Ich glaube, es wird Zeit, dass wir die Biege machen."

„Noch nicht", murmelte Bail Organa, der die Digitaluhr auf der Instrumententafel nicht aus den Augen ließ. 18.09 Uhr stand dort in grellroten Ziffern.

„Sie hat noch sechs Minuten. So lange müssen wir hier oben bleiben."

„Sir, wir hängen jetzt schon seit Wochen immer wieder hier draußen herum, aber die Kleine hat sich bis jetzt nicht bei uns gemeldet. Warum sollte sie das ausgerechnet heute tun?"

„Wir warten, Raymus."

Die ruhige Bestimmtheit in Organas Stimme war unmissverständlich. Aber Antilles scheute nie davor zurück, seine Meinung zu sagen, und wenn es sein musste, konnte er dabei auch ziemlich deutlich werden.

„Dann lassen Sie mich wenigstens einen Zahn zulegen, bevor die Imps so dicht an uns dran sind, dass sie praktisch schon ihren Bug in unsere Triebwerke rein rammen. Wenn wir nämlich noch länger im Schleichgang und völlig ziellos durch die Gegend kurven, werden sie uns todsicher für Schmuggler halten, die auf ihren Kontaktmann warten, und uns einfach entern, um mal einen Blick auf uns und unsere Laderäume zu werfen. Oder sie kommen auf andere komische Ideen. Und das wollen wir doch lieber vermeiden, oder?"

„Sie denken also, unsere Freunde kommen nicht auf komische Ideen, wenn wir jetzt plötzlich einfach so losdüsen?", erkundigte sich Bail nicht ohne Ironie.

„Aber Sir, wer redet denn hier von losdüsen? Das wäre natürlich viel zu auffällig. Ich will nur ein klitzekleines bisschen Tempo aufnehmen und wieder etwas auf Abstand gehen. Ich will einfach so tun, als ob wir einen total legalen Grund hätten, uns hier aufzuhalten. Das ist alles."

„Wir warten, Captain!"

„Ganz wie Sie wollen, Hoheit."

Antilles Tonfall blieb völlig neutral (er war zu professionell, um sich seine Frustration sofort anmerken zu lassen!), aber die leicht verkrampfte Art und Weise, wie seine Hand jetzt den Steuerknüppel umklammerte, verriet seine wahren Gefühle.

Tatsächlich verspürte auch Bail eine gewisse Anspannung, als er durch das Cockpitfenster sah und entdeckte, wie nahe ihnen das imperiale Schiff inzwischen gekommen war. Seine mächtigen gepanzerten Flanken schienen fast schon die Hülle der sehr viel kleineren und vergleichsweise fragilen Mitarsi zu streifen. Es war eindeutig eine bewusste Provokation, ein Einschüchterungsmanöver. Die Imperialen spielten Katz und Maus mit ihnen.

Er malte sich aus, wie der Kommandant dieses Kreuzers auf seiner Brücke stand (ein typischer Flotten-Offizier wie aus dem Bilderbuch, also geballter Killerinstinkt in einer frisch gestärkten Uniform und besonders blank polierten Stiefeln!), durch die Sichtluken zu ihnen hinüber starrte und nur darauf lauerte, dass sie einen Fehler machten, dass sie die Nerven verloren und zu fliehen versuchten, was ihm zumindest rein theoretisch den perfekten Vorwand dafür geliefert hätte, ohne jede Vorwarnung auf sie zu schießen und sie zusammen mit ihrem schäbigen kleinen Frachter einfach aus dem All zu fegen.

Aber den Gefallen werden wir ihm nicht tun.

Doch vielleicht würde jemand anderes dem Captain da drüben diesen Gefallen tun – wenn auch nur aus Versehen. Bail blickte erneut auf die Uhr. 18.12 Uhr. Er biss sich auf die Unterlippe.

Noch drei Minuten. Wenn Leia uns ausgerechnet jetzt anfunkt, dann fangen die da drüben das Trägersignal des Transmitters sofort auf. Und das wäre fatal für uns alle...

Die nächsten hundertachtzig Sekunden waren die längsten in Bail Organas Leben – wenigstens kam es ihm in diesem Moment so vor, obwohl er in Wirklichkeit schon sehr viele ähnlich heikle Situationen durchgestanden hatte. Das ließ sich auch kaum verhindern, wenn man ein Leben führte, das einem Seiltanz über einem Abgrund glich.

Nach weiteren acht Minuten (die sich anfühlten wie Stunden!) war es schließlich sogar schon 18.20 Uhr, was allerdings nichts daran änderte, dass die Mitarsi immer noch einen höchst unerwünschten Schatten hatte.

Na ja, wenigstens wird Leia jetzt Funkstille wahren – hoffe ich jedenfalls! Und was unsere Begleiter angeht...

„Was wollen die bloß von uns? Warum hauen die nicht endlich ab? Haben die nichts Besseres zu tun, als hier herum zu lungern und mit uns auf Kuschelkurs zu gehen?", zischelte Antilles nervös.

„Das ist nur ein Test. Und wir haben ihn bestimmt gleich überstanden. Wenn sie uns ernsthaft aufs Korn nehmen wollten, dann hätten sie es schon getan", erwiderte Bail mit einer so kaltblütigen Gelassenheit, als hätte er Eiswasser in den Adern statt Blut. (Wenn irgendjemand ein Sabacc-Gesicht aufsetzen und es sogar in einer echten Krise bewahren konnte, dann der Vizekönig von Alderaan. Er hätte nicht bis zum heutigen Tag überlebt, wenn es nicht so gewesen wäre!)

Wie auf Stichwort beschleunigte der Kreuzer plötzlich und überholte sie, zog an ihnen vorbei. Aber erst als er davon schwebte, um nach lohnenderer Beute Ausschau zu halten, merkte Bail, dass er unwillkürlich den Atem angehalten hatte.

„Können wir jetzt bitte endlich nach Hause fliegen, Sir?"

Nach Hause... Oh Götter, ich wünschte, ich könnte endlich nach Alderaan zurück fliegen und müsste es nie wieder verlassen. Nie wieder!, dachte Bail Organa müde.

Er war nicht halb so stressanfällig, wie es andere Männer in seiner Lage gewesen wären, aber allmählich kam auch er an seine Grenzen. Immer auf der Hut sein zu müssen, ständig mit einem Schicksalsschlag rechnen zu müssen, der nicht nur ihm persönlich, sondern auch vielen anderen den Untergang bringen würde, hätte jeden Mann auf die Dauer mürbe gemacht.

„Ja, Raymus. Fliegen wir zurück... nach Imperial City."

Antilles steuerte ihren Frachter sofort aus dem Orbit von Coruscant heraus und ließ ihn in einem flachen Winkel abwärts sinken.

Und als die Mitarsi sich wie eine Pfeilspitze durch die Atmosphäre bohrte, die den Planeten mit einer schillernden bläulichen Membran, einer durchlässigen Glasblase aus Licht und Luft umgab, fragte sich Organa, wo Leia Vader jetzt wohl war und was sie gerade machte.

Denn was ich mir noch viel mehr wünsche, als nach Hause zu gehen, ist, dass sie gerade zu Hause ist – und dass sie dort immer noch in Sicherheit ist.

Aber was ich mir am allermeisten wünsche, ist, dass sie endlich wenigstens ein Lebenszeichen von sich gibt – ganz egal, was sie mir sonst noch zu sagen hat! Lieber möchte ich hören, dass sie es versucht hat und gescheitert ist, als gar nichts mehr von ihr zu hören.

Und während die Mitarsi tiefer und tiefer sank, um sich schließlich in den Verkehr von Imperial City einzufädeln, dachte er: Die schlimmste Gewissheit ist immer noch besser als Ungewissheit...

Doch dann tauchte die hell schimmernde Doppelhelix der alderaanischen Botschaft in der Ferne auf wie eine Erinnerung an die anmutig geschwungenen Türme seines Palastes an den Ufern des Appenza-Sees und prompt grübelte Organa darüber nach, ob das wirklich so war. Denn war die schlimmste Gewissheit nicht zugleich das Ende aller Hoffnungen, das Grab jeder Zuversicht?

„So, da wären wir wieder", verkündete Antilles betont leichthin, als der Frachter auf der Landeplattform aufsetzte. „Das war's für heute. Übermorgen dieselbe Prozedur, Sir?"

„Dieselbe Prozedur wie immer, Raymus."

Bail antwortete ganz automatisch, denn mental war er immer noch mit dieser Frage beschäftigt, die vielleicht bald mehr sein würde als nur eine rein philosophische Gedankenspielerei.

Er stand auf und ging aus dem Cockpit, gefolgt von seinem Captain.

Als sie die Mitarsi über die bereits ausgefahrene Rampe verließen und auf die Landeplattform hinaustraten, erregte ein Aufruhr aus wildem Geflatter und hektischen Flügelschlägen hoch über ihm seine Aufmerksamkeit.

Bail sah hinauf, konnte aber nichts erkennen, weil das Sonnenlicht ihn blendete. Doch dann stürzte etwas aus dem stahlharten Kobaltblau der wolkenlosen Himmelskuppel wie ein Stein, wie eine Sternschnuppe in der Nacht, und fiel ihm direkt vor die Füße. Es war eine tote Ringeltaube. Ihre zerrauften Schwingen waren weit ausgebreitet und ihr zierlicher Kopf mit den schon erloschenen schwarzen Perlaugen und dem rosigen Schnabel hing leblos zur Seite. Die sanfte Rundung ihrer vorgewölbten Brust war eine einzige große Wunde, aufgerissen von gnadenlosen scharfen Krallen; ihr schneeiges Federkleid war getränkt mit Blut. Es war erstaunlich viel Blut für einen so kleinen Vogel.

„Das war einer von den Gyrfalken, die da oben unter den Dachgauben hausen", sagte Antilles neben ihm. „Die gedeihen hier in der Stadt besser als in Mutter Natur. Ist ja auch ein idealer Lebensraum für sie: Reihenweise Hochhäuser, die aussehen wie echte Felsschluchten und sichere Nistplätze bieten, haufenweise wehrlose Piepmätze zum Jagen und höchstens ein paar Krähen als Futterkonkurrenz – einfach ideal!"

Bail schwieg. Er hatte wenig Sinn für die ziemlich nüchterne Betrachtungsweise seines Captains und für seinen so spontan abgespulten Vortrag in Sachen Zoologie sogar noch weniger.

Er starrte wehmütig auf das zerbrechliche kleine Wesen, das nur ein paar Zentimeter vor seinen Stiefelspitzen lag wie ein zerzauster Federball. Weiße Tauben galten auf Alderaan und auf vielen anderen Welten als das ultimative Friedenssymbol und lösten normalerweise entsprechend positive Emotionen aus. Hier allerdings eher das Gegenteil. Er erschauerte.

Das ist ein böses Omen!

„Aber nein, Hoheit! Böse Omen, schlimme Vorzeichen... das sind doch alles nur alte Ammenmärchen", sagte Antilles mit gezwungener Munterkeit. (Ein gestandener Soldat war niemals abergläubisch! Und falls er es ausnahmsweise doch war, dann ließ er es sich auf keinen Fall anmerken.)

Bail, dem erst durch die Entgegnung des Captains bewusst wurde, dass er laut ausgesprochen hatte, was ihm gerade durch den Kopf geschossen war, produzierte ein Lächeln, das zu dünn war, um echt zu sein.

„Ja, natürlich. Nur Ammenmärchen", murmelte er.

Doch sein Herz war schwer und als sie weiter gingen, warf er unwillkürlich einen Blick über seine Schulter.

Der Gyrfalke, der über den Köpfen der lästigen Zweibeiner geduldig seine Kreise gezogen hatte, bis sie sich weit genug entfernt hatten, um keine Bedrohung mehr für ihn darzustellen, stieß herunter wie ein silbergrau und kupferrot geflammter Speer, ließ sich neben seinem Fang nieder und hackte auf ihn ein.

Als er damit begann, die Taube methodisch in schnabelgerechte Stücke zu zerpflücken, drehte Organa seinen Kopf hastig wieder weg, unfähig, den nicht gerade lieblichen Anblick von so viel unverblümter und roher Mutter Natur mitten in der Stadt länger zu ertragen.

Und egal, was sein Captain oder sein eigener von Vernunft und Rationalität geprägter Verstand dazu zu sagen hatte, der Vorfall bedrückte ihn auf einer tieferen atavistischen Ebene, die so gar nichts mit Vernunft und Rationalität zu tun hatte.

Es IST ein Omen!, dachte er niedergeschlagen, als er zusammen mit Antilles einen Lift betrat, der von einem angenehm kühlen Lüftchen durchweht wurde. (Gerade kühl genug, um ihn frösteln zu lassen.)

Und bei dieser Meinung blieb er auch...

oOoOoOo

Leia stellte ihren Rucksack mit gebührender Vorsicht auf dem Beistelltisch neben der Tür ab. Die lange, mit einem Deckel versiegelte Papprolle, die sie von ihrer Spritztour in die City mitgebracht hatte, flog dagegen einfach achtlos auf ihr Bett. Sie war nicht im mindesten daran interessiert, ob der kegelförmige Behälter oder sein Inhalt das kleine Schleuderwurfmanöver heil überstand oder nicht. Sie hatte das Teil ohnehin nur zur Tarnung gekauft.

Mit einem Seufzer streifte sie das hauchdünne Seiden-Shirt ab, das dank der schwül-feuchten Dunstglocke da draußen wie eine zweite Haut an ihr klebte, und ließ es einfach auf den Boden fallen. Die lose sitzende und inzwischen reichlich zerknitterte Leinen-Schlaghose, die sie dazu getragen hatte, folgte gleich hinterher. Sie überlegte gerade, ob sie sich einfach nur mit ein paar Feuchttüchern ein bisschen auffrischen oder doch lieber gleich eine Dusche nehmen sollte, als Padmé hereinschneite.

Sie begrüßte ihre Mutter mit einem spürbaren Mangel an Begeisterung, obwohl sie einen halbherzigen Versuch machte, diplomatisch und sogar freundlich zu wirken. Aber sie war einfach nicht in der Stimmung für ein Verhör oder Ermahnungen und Padmé machte leider ganz den Eindruck, als ob sie beides im Sinn hatte. Ihre gewittrige Miene sprach Bände.

Leias Einschätzung erwies sich als richtig, denn ihre Mutter legte sofort mit dieser leicht schrillen Schärfe los, die sie immer an den Tag legte, wenn sie auf einen Streit aus oder generell ungenießbar war: „Da bist du ja endlich! Wo warst du heute Mittag? Ich wollte dich doch zu Arden mitnehmen, aber du warst plötzlich einfach weg."

„Tja, sieht ganz so aus, als hätte ich nicht viel verpasst", murmelte Leia.

Endlose Sitzungen in einem Beautysalon (und das auch noch in der Gesellschaft ihrer Mutter!) waren tatsächlich so ziemlich das letzte, wofür sie zurzeit Geduld aufbringen konnte. Schon die bloße Vorstellung, stundenlang unter dicken schmierigen Schichten von pflegenden Gesichtsmasken auszuharren, während ein ununterbrochen vor sich hin schnatternder Schwarm von Kosmetikerinnen um sie herumwimmelte und versuchte, mit Hilfe von Augenbrauenstyling und Wimpernverlängerungen oder ähnlich absurden Verschönerungsmaßnahmen Leias Aussehen zu optimieren (ungefähr wie ein ehrgeiziges Mechaniker-Team, das alles gab, um den zweitklassigen Gleiter eines besonders anspruchsvollen Klienten aufzupeppen!), schreckte sie ab.

Doch eine derart flapsige Antwort von ihrer Tochter war auch das letzte, wofür Padmé zurzeit Geduld aufbrachte.

„Alle konnten mir nur sagen, dass du ausgegangen bist, aber keiner wusste, wo du bist. So etwas kannst du nicht machen, Leia! Du kannst nicht einfach hier rein und raus tanzen, wie es dir in den Kram passt, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, mir zu sagen, wo du hin gehst."

„Du kannst ja meine Wachhunde aushorchen. Die wissen immer ganz genau, wo ich war oder bin – schließlich kleben sie den ganzen Tag über an mir wie Abziehbilder", gab Leia patzig zurück. (Womit sie natürlich jede Vorspiegelung von Diplomatie und Freundlichkeit fallen ließ.)

„Ich will weder deine Bodyguards noch dich aushorchen! Aber wenn wir schon mal einen gemeinsamen Termin haben, wäre es immerhin höflich, wenn du wenigstens Bescheid sagen würdest, dass du ihn nicht einhalten kannst oder willst."

„Ach um Himmels willen, mach doch nicht so ein Theater wegen so einer Kleinigkeit! Du musst nicht gleich den Großinquisitor spielen, nur weil ich einmal unterwegs bin, ohne gleich dem ganzen Haushalt zu erzählen, wo ich hin will."

„Aber du bist ständig unterwegs, ohne irgendjemandem irgendetwas zu erzählen!"

„Na und? Muss ich dir oder sonst jemand jeden einzelnen Schritt, den ich mache, auf die Nase binden? Oder geht es vielleicht darum, dass ich dich jetzt grundsätzlich erst mal um Erlaubnis bitten muss, bevor ich überhaupt aus dem Haus darf? Sind wir jetzt wirklich schon so weit?" Leias Stimme wurde jetzt ebenfalls merklich schriller.

Die sonst immer so straffen Schultern ihrer Mutter sackten etwas ab – ein unübersehbares Zeichen von Resignation.

„Nein, sind wir nicht. Natürlich kannst du ausgehen, wann und wohin du willst, Leia. Ich wollte doch nur..." Padmé zögerte, dann sagte sie sehr leise: „Weißt du, ich wäre so gern mit dir gemeinsam zu Arden gegangen. Ich habe mich darauf gefreut, mit dir ein bisschen Zeit zu verbringen. Wir unternehmen nur noch so selten etwas miteinander."

„Du schleppst mich doch ständig irgendwohin! Deine ewigen WWW-Treffen und das ganze andere Zeug... Waren wir nicht erst letzte Woche zusammen shoppen? Bin ich nicht eine Ewigkeit lang brav hinter dir her getrottet, weil du unbedingt nur mit mir zusammen deine tollen quer gestreiften Seidendamast-Servietten einkaufen und ungefähr tausend Schuhe anschauen wolltest?"

„Das ist etwas ganz anderes."

„Ach ja? Wieso?"

„Weil ich heute etwas Besonderes mit dir machen wollte, etwas, das uns beiden gefällt und uns auch gut tut – so eine Art speziellen Mutter-Tochter-Tag mit einem entspannenden Verwöhn-Programm."

„Also in dieser Hitze bei Lisal Arden in einem Behandlungsstuhl zu liegen wie ein Unfallopfer auf einem OP-Tisch und mir pfundweise Joghurt und Gurkenscheiben oder sonst was ins Gesicht kleistern zu lassen, während meine Fußsohlen mit irgendeinem Peeling-Dingsbums abgeschmirgelt werden wie ein Holzscheit mit einem Hobel, ist nicht gerade das, was ich unter Entspannung verstehe!"

„Ob du es glaubst oder nicht, sie haben dort eine Klimaanlage." Padmé schwieg einen Moment lang, bevor sie betont süß sagte: „Aber bestimmt war das, was du heute zu deiner Entspannung gemacht hast, sehr viel angenehmer. Was hast du eigentlich gemacht?"

Und Leia wurde klar, dass für dieses eine Mal ihre Mutter gewonnen hatte, weil sie es mit einem geschickten verbalen Schachzug fertig gebracht hatte, ihre Tochter gewissermaßen über einen Schleichpfad zu dem echten Grund für ihre Auseinandersetzung zurück zu lenken.

Doch sie bot Padmé sofort Paroli, indem sie eine gequälte Grimasse schnitt und einen tiefen, vielsagenden Seufzer ausstieß. (Es war die ziemlich überzeugende Darstellung einer leidgeprüften Tochter, die die äußersten Grenzen ihrer Toleranz ausloten musste, um die Kapriolen einer unerträglich exzentrischen und launischen Mama erdulden zu können – gerade noch so!)

„Also wenn du es unbedingt wissen musst – ich war vorhin in der Metropolis-Galerie."

„Schon wieder?", rief Padmé erstaunt. „Du warst doch erst vorgestern dort... und letzte Woche auch, wenn ich mich richtig erinnere. Gleich nach unserer Shopping-Tour."

Sieh mal einer an, das hat sie also mitbekommen – und sie hat es sich gemerkt, dachte Leia.

Dass Padmé ihrem Kommen und Gehen ausgerechnet jetzt so viel Aufmerksamkeit schenkte, war ihr gar nicht Recht. Und besonders irritierend dabei war, dass ihre Mutter am Tag zuvor eine sozusagen nur im Vorbeigehen ganz flüchtig hingeworfene Bemerkung von Leia an Mr. Huudini aufgeschnappt haben musste, denn anders war es nicht zu erklären, wie sie dieses kleine, aber entscheidende Detail überhaupt in Erfahrung gebracht hatte. Aber immerhin konnte Leia diesen Zufall jetzt zu ihrem Vorteil nutzen.

„Na siehst du, du weißt doch immer ganz genau, wo ich war", konterte sie. „Worüber regst du dich also so auf? Immer nur Vorwürfe und Beschwerden..."

Ihr Einwand brachte Padmé ein wenig aus dem Konzept – und genau das hatte Leia damit auch bezweckt.

„Ich rege mich doch gar nicht auf! Und ich beschwere mich auch nicht bei dir. Ich will dir keine Vorwürfe machen, sondern einfach nur wissen, was du so treibst, womit du dich beschäftigst. Du bist immer so gereizt in letzter Zeit... Da habe ich mir gedacht, dass du dich langweilst, dass dir hier allmählich die Decke auf den Kopf fällt. Und deshalb wollte ich etwas mit dir unternehmen, damit du nicht immer nur in deinem Zimmer sitzt, damit du mal wieder rauskommst.

Aber dass du dich neuerdings so für Kunst interessierst, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Es freut mich natürlich, dass du ein neues Steckenpferd hast", ergänzte sie hastig, um gleich jedem möglichen Missverständnis vorzubeugen. (Diskussionen mit ihrer überempfindlichen Kleinen hatten die Tendenz, in ein falsches Fahrwasser abzugleiten. Wenn irgendjemand eine Mimose war, dann dieses Kind!)

„Ja, genau... ein neues Steckenpferd", sagte Leia vage, während ihre Gedanken durch einen verwinkelten Hindernis-Parcours von Möglichkeiten huschten wie gut trainierte Labormäuse auf ihrem Lauf durch ein besonders kniffliges Test-Labyrinth. (Auffallend häufige Besuche in einer Kunstgalerie mussten einen halbwegs sinnvollen Zweck erfüllen, der über das bloße faszinierte Anstarren von Bildern oder Bildhauerwerken hinausging. Und es gab nur einen wirklich sinnvollen Zweck, oder nicht?)

„Man muss immer seinen Horizont erweitern. Und Hobbies sind ja so wichtig – vor allem dann, wenn man dadurch kreative Anregungen bekommt", fuhr sie etwas lebhafter fort. Und nach einer dramatischen kleinen Pause: „Ich habe nämlich beschlossen, mit dem Malen anzufangen."

„Was für eine reizende Idee, Liebling", sagte Padmé mit so viel Enthusiasmus wie sie nur aufbringen konnte. (Sie war wild entschlossen, ihre Tochter bei jedem Projekt zu unterstützen, das ihr dabei half, die Zeit totzuschlagen. Man musste das Mädchen ermutigen – ganz egal wie.) „Das wird dir bestimmt Spaß machen."

„Ja. Unglaublich viel Spaß. Ganz bestimmt. Aber natürlich will ich mir zuerst mal einen Überblick verschaffen, bevor ich mich für einen bestimmten Stil entscheide. Ich schwanke noch zwischen..." Leia zauderte, während sie krampfhaft versuchte, sich die Beschreibungen auf den zahllosen Werbebannern ins Gedächtnis zu rufen, mit denen die Plakatwände im Eingangsbereich der Galerie geradezu gepflastert waren.

"Zwischen... ähm... impressionistischen Landschafts-Aquarellen und... ja!... neoklassizistischen Genre-Szenen. Auch die Technik ist dabei ganz entscheidend – gerade für Anfänger wie mich. Und die Farben erst! Was soll man bloß dafür verwenden? Wasserfarben, Wasser-Öl-Emulsionen, Nalynlacke oder vielleicht sogar Wachstempera? Dazwischen liegen Welten, weißt du."

Sie wunderte sich selbst darüber, wie sie sich auf Anhieb so viele Details aus den Fingern saugen konnte. Doch ihre scheinbar bereits erworbene Fachkenntnis imponierte ihrer Mutter sichtlich.

„Sieht ganz so aus, als ob du es richtig ernst meinst."

„Oh ja... Todernst!", erwiderte Leia.

Und so war es auch – obwohl es bei ihren wahren Absichten in Bezug auf die Metropolis-Galerie natürlich keineswegs um irgendwelche pseudo-künstlerischen Ambitionen, Hobbies oder ähnlich nutzlosen Firlefanz ging. Tatsächlich war sie bei der Auswahl des von Bail Organa ausdrücklich gewünschten „neutralen öffentlichen Ortes" als Grundbedingung zu der geplanten heimlichen Datenübertragung nur deshalb auf diese Galerie verfallen, weil Mar Shelmerdee dort kürzlich eines seiner Konzerte gegeben hatte.

„Und deshalb muss ich gleich übermorgen unbedingt noch mal da hin, um mir die neue Ausstellung von... äh... Tristram Vendervir anzusehen. Ich brauche mehr Inspiration."

Doch diese Mitteilung, die eigentlich nur zur Verhütung von weiteren mütterlichen Quizrunden in nächster Zukunft gedacht gewesen war, zog eine gänzlich unverhoffte Reaktion nach sich.

„Ausgezeichnet, Liebling! Dann gehen wir gemeinsam in diese Ausstellung, ja?"

Leia blinzelte, für einen Augenblick zu überwältigt von diesem Vorschlag, um ihrerseits darauf zu reagieren. Wie um Himmels willen sollte sie Padmé davon abhalten? Anhängliche Mütter waren wirklich die reinste Plage!

„Oooh...", sagte sie gedehnt, während sie blitzschnell überlegte. „Also eigentlich wollte ich mich dort mit Na'oomi treffen."

„Mit wem?"

„Mit Na'oomi! Na, du weißt schon – meine gute alte Schulfreundin, mit der ich früher immer diese öden Naturwissenschafts-Referate gemacht habe."

„Ich glaube nicht, dass du sie je erwähnt hast." Padmé runzelte nachdenklich die Stirn. „Wie ist denn ihr Nachname? Kenne ich vielleicht ihre Eltern?"

„Das kann ich mir nicht vorstellen", behauptete Leia und dachte im Stillen, dass das Problem mit erfundenen guten alten Schulfreundinnen darin bestand, dass sie nie über einen soliden Hintergrund verfügten, der einer simplen Überprüfung standgehalten hätte.

Nachnamen und Eltern – also wirklich! Gleich fragt sie mich nach ihrer Kom-Nummer oder sogar nach ihrer Adresse...

Neugierige Mütter waren auch eine Plage! Leia beschloss, der Fortsetzung dieses Verhörs umgehend einen Riegel vorzuschieben.

„Sie sind praktisch nie hier. Sie reisen viel, sind ständig auf Achse. Richtige Weltenbummler", erklärte sie in ihrem nonchalantesten Tonfall.

„Das arme Mädchen lebt also ganz alleine auf Coruscant?"

„Nein, nein! Sie ist nicht alleine. Sie... haust in einem Studentenwohnheim und ist dort rundum versorgt. Sie kommt schon klar."

„Warum besucht sie dich nie, wenn ihr so gut befreundet seid?"

Leia schnappte sich die Papprolle von ihrem Bett, um Zeit zu schinden, und zupfte an ihrem Verschluss herum.

„Na'oomi ist der scheue Typ. So schüchtern... Und ziemlich ängstlich! Die bloße Vorstellung, hier möglicherweise gewissen Leuten über den Weg zu laufen, überfordert sie total, verstehst du?"

Mehr musste sie zu diesem Thema gar nicht sagen. Padmé verstand nur zu gut, wer mit „gewissen Leuten" gemeint war und warum eventuelle Besucher mit solchen Begegnungen total überfordert sein mochten. (Sie hatte immerhin reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet.) Doch leider schien sie gar nicht auf die ziemlich naheliegende Idee zu kommen, dass Na'oomis angebliche Schüchternheit möglicherweise für alle Elternteile von Leia galt.

Oder sie war einfach nur hartnäckig, denn nun entgegnete sie lächelnd: „Nun ja, wir werden ja dann ganz unter uns und völlig ungestört sein. Wie schön, dass du so endlich Gelegenheit bekommst, mir deine Freundin vorzustellen. Das wird sicher nett."

So viel Beharrlichkeit überforderte nun auch Leia. Es war offensichtlich unmöglich, Padmé los zu werden, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihre Tochter zu begleiten – jedenfalls nicht ohne sie wirklich schroff abzuweisen, was Leia aber lieber vermeiden wollte. Es würde ihr also nichts anderes übrig bleiben, als diesen Zuwachs zu ihrer üblichen Eskorte zu akzeptieren. Sie würde eben zusehen müssen, wie sie sich neben ihrer Leibwache auch noch ihre Mutter vom Hals schaffte, wenn es Zeit war, sich für ein paar Minuten abzuseilen.

„Ich bin ja schon so gespannt auf Na'oomi", sagte Padmé, strahlend vor Wohlwollen.

Leia kam zu dem Schluss, dass ihre fiktive Ex-Klassenkameradin, die sich als so nützlich erwiesen hatte, als es darum gegangen war, Luke in Schach zu halten, schleunigst wieder in der Versenkung verschwinden musste und dieses Mal endgültig. Sie entschied, dass Na'oomi morgen im Lauf des Tages einen höchst tragischen Unfall erleiden würde, der sie für eine ganze Weile außer Gefecht setzen würde. Vielleicht würde Na'oomi auch gleich anschließend von ihren reiselustigen und ebenfalls fiktiven Erzeugern zu einem langen, langen Erholungsurlaub eingeladen werden. Ein Urlaub, von dem sie einfach nicht mehr zurückkehren würde – jedenfalls nicht bevor Padmé ihre Existenz wieder vergessen hatte. (Leias Einfallsreichtum wurde durch Notfallsituationen immer sehr angeregt!)

„Und wann wollen wir uns morgen in dieser Galerie treffen?"

„Übermorgen!", korrigierte Leia mechanisch. „Gegen... 10.30 Uhr."

Denn das Zeitfenster für ihren nächsten Versuch, Bail Organa anzufunken, begann um 12.00 Uhr und sie schätzte, dass sie mindestens eine Stunde brauchen würde, um sich unauffällig von ihrer Mutter loseisen zu können. Hinzu kam noch die Zeit für gewisse Vorbereitungen, die getroffen werden mussten...

„So früh?", wunderte sich Padmé.

„Na'oomi kann eben nicht später", schnappte Leia. „Sie hat nachmittags viel zu tun. Vorlesungen und all das..."

Sie ignorierte dabei großzügig die Wahrscheinlichkeit, dass Vorlesungen an jeder Universität wohl eher vormittags stattfanden als nachmittags. Zu ihrer Erleichterung ging Padmé nicht darauf ein.

Stattdessen starrte sie sinnend vor sich hin und verkündete dann: „Na, wunderbar! Dann können wir drei danach eine Kleinigkeit essen gehen. Und anschließend haben wir zwei immer noch genug Zeit für einen Abstecher zu Arden. Wenn ich gleich jetzt dort anrufe, kann ich unseren Termin bestimmt noch umbuchen."

„Was?! Aber..." Leia wollte Protest erheben, fand aber auf die Schnelle keine geeignete Ausrede.

„Das wäre dann also geklärt", sagte Padmé sonnig, als sie sah, dass ihrer Tochter buchstäblich die Worte fehlten. „Nun mach nicht so ein Gesicht, Liebling! Es wird dir gut tun. Und mir auch. Was hältst du da eigentlich die ganze Zeit in der Hand?"

Sie deutete auf die Papprolle, die Leia in ihrer Konfusion inzwischen umklammert hielt wie einen Rettungsring.

„Ach das... das ist nur ein Poster, das ich vorhin gekauft habe."

„Darf ich es mal sehen?"

Dagegen hatte Leia nichts einzuwenden – ausnahmsweise! Sie entstöpselte das Behältnis und zog ein eng zusammengerolltes Poster heraus, das sie behutsam auseinander faltete, bevor sie es ihrer Mutter zur Besichtigung präsentierte.

Padmé beäugte andächtig ein ganz in Goldtönen gehaltenes und graziös miteinander verschlungenes Liebespaar, das sich vor einem ziemlich abstrakten Sommerwald in leuchtenden Grünschattierungen leidenschaftlich umarmte. „Ah... das ist aber hübsch! Von wem ist denn das?"

„Pandinski. 'Der Kuss'."

„Ganz entzückend. Willst du das hier bei dir aufhängen?"

„Nicht wirklich. Es dient nur... der Inspiration", sagte Leia matt.

„Das ist aber schade! Ein paar Farbkleckse hier und da könnten nicht schaden, meinst du nicht auch?" Padmé sah sich in dem Schlafzimmer ihrer Tochter um, das seit einigen Monaten dank Leias Vorliebe für eine zunehmend monochromatische Lebensweise der klinisch-kalten Atmosphäre eines Krankenhauses immer näher kam. „Wir könnten doch ein bisschen umdekorieren – nur so zur Abwechslung. Wir könnten Vorhänge machen lassen, die zu deinem Bild passen. Und vielleicht sogar..."

„Nein!", sagte Leia kategorisch. „Danke", fügte sie zwei Sekunden später etwas milder hinzu.

„Also gut, ganz wie du willst, Liebling. Aber jetzt muss ich los. Muss schnell noch bei Arden anrufen, bevor sie zumachen. Bis dann..."

Und damit entwich Padmé wieder – zweifellos zufrieden mit ihrer immerhin teilweise erfolgreichen Invasion in das Leben ihrer Tochter.

Leia aber blieb zurück und ließ das sich küssende Pandinski-Pärchen wieder zu einer handlichen Rolle zusammenschnalzen, bevor sie es erneut in seinen Pappbehälter verbannte, wo es vermutlich auch bleiben würde.

Sie überdachte, was sie in den nächsten achtundvierzig Stunden alles erledigen und auch über sich ergehen lassen musste, und stöhnte auf.

Sie hatte das dunkle Gefühl, dass ihr ein paar anstrengende Tage bevorstanden.

Sie ahnte nicht einmal, wie Recht sie damit hatte...


Fortsetzung folgt ...