Der erste Kuss!
In den nächsten Tagen und Wochen treffen sich Maxwell und Fran fast täglich. Maxwell spielt ihren Reiseführer und zeigt ihr London. Alle berühmten Sehenswürdigkeiten und einige geheime Orte, die eine besondere Bedeutung für ihn haben. Fran ist überwältigt von all den neuen Eindrücken und hört fasziniert seinen Erklärungen zu.
In der Schule hatte sie sich nie besonders für Geschichte interessiert. Doch mit ihm klingt alles wahnsinnig spannend und interessant. Für Maxwell fühlt es sich manchmal so an, als würde er seine ihm so vertraute Heimatstadt auf eine völlig neue Art entdecken.
Viele Orte erhielten durch Fran eine ganz neue Faszination für ihn. Eines Nachts beobachten sie, wie die beleuchtete Tower Bridge hochgezogen wird und ein Schiff darunter hindurchfährt. Fran fängt vor Aufregung an, wild herumzuspringen und kann ihr Staunen nicht mehr zurückhalten. Für Maxwell ist dieses Spektakel nichts Besonderes, doch Frans Elan ist ansteckend und so albern sie am Ende beide herum wie kleine Kinder.
Ein anderes Mal fahren sie nachts mit dem London Eye. Es gelingt ihnen, eine Gondel nur für sich zu ergattern. Eng umschlungen stehen sie an der Glasfront und blicken auf die leuchtende Stadt hinab. Es war für beide ein magischer Moment.
Für Fran war es offensichtlich. Sie hat sich unsterblich in ihn verliebt. Sie genießt jeden Moment, den sie zusammen sind und wenn sie allein ist, vermisst sie ihn und muss ständig an ihn denken. Nur wenn sie auf die Mädchen aufpasst, ist sie abgelenkt und kann sich auf andere Dinge konzentrieren. Aber wenn sie nachts im Bett liegt, sehnt sie sich nach ihm und wartet ungeduldig auf seinen Anruf. Jeden Morgen und jeden Abend ruft er sie an, um guten Morgen oder gute Nacht zu sagen. Auch wenn sie den ganzen Tag zusammen verbracht haben.
Das ist es, was sie so an ihm liebt, all seine kleinen Gesten. Sie schätzt seine Verlässlichkeit und Ruhe. Bei ihm kann sie entspannen und Kraft für ihren stressigen Job als Au-pair schöpfen. Sie liebt die beiden Mädchen, aber manchmal sind sie wirklich anstrengend, wie Kinder eben sind. Dann ist sie glücklich, wenn sie sich beim Spaziergang an ihn kuscheln kann oder wenn sie zusammen schweigend auf der Veranda sitzen.
Bei Maxwell war es nicht anders. Fran war der perfekte Ausgleich zu seinem reservierten, steifen Zuhause und dem harten Geschäftsleben. Sie gibt ihm die Wärme und Zuneigung, nach der er sich immer gesehnt hat. Sie mag ihn so wie er ist und stellt keine Ansprüche an ihn. Er gesteht sich ein, dass Fran die Frau seines Lebens war. Er liebt sie und möchte sie nicht wieder hergeben. Auch körperlich fühlt er sich zu ihr hingezogen. Er liebt alles an ihr, ihr schönes Gesicht, die mächtigen Haare, in denen er sein Gesicht so gut vergraben konnte und ihren weichen anschmiegsamen Körper. Am meisten liebt er ihre Augen. Sie sagen ihm immer, ob sie glücklich, müde oder traurig ist. Wenn sie zusammen sind, verspürt er ständig das Bedürfnis, sie zu berühren und zu umarmen, fast so, als müsse er sich selbst davon überzeugen, dass sie keine Fantasie ist. Stundenlang konnte er sie in seinen Armen halten. Sie strahlt eine besondere Kraft aus und doch hat sie auch etwas von einer zarten Blüte, die er beschützen wollte.
Das Ehepaar Kent wusste von ihrer Freundschaft. Maxwell erschien eines Tages zu einem offiziellen Besuch und stellte sich als Frans Begleiter vor. Die Kents gaben Fran mit gutem Gewissen in seine Obhut. Sie kennen ihn seit seiner Kindheit und wissen, dass er ein ehrenhafter, wohlerzogener junger Gentleman war, bei dem ein junges Mädchen in guten Händen war. Sie sind beruhigt, dass Fran nicht mehr allein unterwegs ist, vor allem nachts. In einer Großstadt wie London war eine männliche Begleitung sehr ratsam, und er brachte sie immer zu einer vernünftigen Zeit nach Hause. Von Frans Eltern hatten sie erfahren, dass Fran während ihrer Highschool-Zeit nicht den besten Umgang hatte.
Nur Mrs. Kent verspürt mit der Zeit ein leichtes Unbehagen. Sie hatte nichts gegen eine Freundschaft und regelmäßigen Unternehmungen, solange Fran weiterhin ihren Pflichten nachkommt, aber Mrs. Kent war eine Frau mit guten weiblichen Instinkten und dieser weibliche Instinkt sagt ihr, dass die Freundschaft nicht rein platonisch war. Sie bemerkt die anbetenden Blicke, die Fran ihm zuwirft oder wie er sich manchmal kaum von ihr lösen kann. Sie vermutet, dass die beiden jungen Leute kurz vor einer ernsthaften Liebesbeziehung stehen und dass dies sicherlich zu ernsthaften Problemen führen würde.
Eines Tages beschließt sie, mit ihrem Mann über ihre Sorgen zu sprechen und sucht ihn in seinem Arbeitszimmer auf.
„Liebling, kann ich kurz mit dir reden?"
„Natürlich! Worum geht es?"
„Es geht um Miss Fine. Ich mache mir Sorgen um sie und den jungen Sheffield. Ich habe den Eindruck, sie hat sich hoffnungslos in ihn verliebt und umgekehrt."
„Wirklich? Das glaube ich nicht, und selbst wenn du recht hast, was wäre daran so schlimm?"
„Richard, du kennst Elizabeth und James Sheffield so gut wie ich. Du weißt ganz genau, dass sie ihrem Sohn niemals erlauben würden, ein Mädchen zu wählen, das nicht zu unseren Kreisen gehört. Ich schätze Miss Fine sehr, aber sie kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Ein Mädchen mit ihrem Hintergrund würde im Hause Sheffield niemals als Schwiegertochter geduldet werden. Ich habe Angst, dass er ihr das Herz brechen könnte. Ich fühle mich für sie verantwortlich, als wäre sie meine Tochter. Schließlich haben ihre Eltern sie uns anvertraut."
Mr. Kent reibt sich nachdenklich die Stirn; die Argumente seiner Frau klingen vernünftig und sie hat mit ihren Annahmen sicher recht.
„Ich kann deine Bedenken verstehen, Regina. Aber was sollen wir tun? Wir können Miss Fine ja nicht vorschreiben, mit wem sie ausgehen darf, und objektiv gesehen ist an ihrer Freundschaft im Moment nichts auszusetzen."
„Deshalb möchte ich deinen Rat. Ich bin mir auch nicht sicher, wie wir reagieren sollen. Aber wir können sie nicht mit offenen Augen in ihr Unglück laufen lassen!"
„Natürlich nicht. Ich denke, das Beste wäre, wenn du in Ruhe mit ihr sprichst. Erkläre ihr sanft die Konsequenzen einer Beziehung mit einem Mann in Mr. Sheffields Lage. Dann sollten wir bei Gelegenheit auch mit dem jungen Sheffield selbst sprechen und ihn warnen, Miss Fines Gefühle nicht leichtfertig zu verletzen."
Mrs. Kent stimmt dem Vorschlag ihres Mannes zu.
Fran ahnt nichts von den Sorgen ihres Arbeitgebers. Für sie könnte der Tag nicht besser laufen. Maxwell hat sie gerade angerufen und sie für ihren morgigen freien Tag zu einem Ausflug in sein Landhaus eingeladen.
Sie steht vor dem Spiegel und überlegt, was sie anziehen soll. Gerade hält sie sich mehrere Pullover hin, als Meredith bei ihr im Zimmer steht.
„Frannie, erzählst du uns bitte noch eine Gruselgeschichte?"
„Klar, geht schon mal ins Bett. Ich bin gleich da!"
Fran räumt die Pullover weg, schnappt sich ein weißes Laken und die Taschenlampe. Als Geist verkleidet huscht sie ins Kinderzimmer und führt eine Geschichte über das Kitzelmonster auf. Abwechselnd werden Susan oder Meredith durchgekitzelt. Beide Mädchen kreischen vor Vergnügen.
Am nächsten Morgen springt Fran früh aus dem Bett. Nach zwei Stunden ist sie zufrieden mit ihrem Aussehen. Sie trägt ihre neue schwarze Jeans, die sie mit Nagellack verziert hat, einen schneeweißen Rollkragenpullover und ihre rote Jacke. Dazu Wanderschuhe. Ihre Haare hat sie zu zwei Zöpfen geflochten.
Sie schnappt sich ihren Rucksack und packt alles hinein, was sie braucht. Dann schleicht sie sich in die Küche. Sie hat den Koch gestern gebeten, ein Picknick für sie vorzubereiten. Der Korb steht dort für sie bereit. Die Familie schläft noch, also verabschiedet sich Fran nur noch vom Butler und verlässt das Haus.
Maxwell erwartet sie bereits. Heute nicht in seiner eleganten Wagen, sondern in seinem Jeep. Fran umarmt ihn und gibt ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.
„Du siehst hübsch aus, Francine. Eigentlich viel zu umwerfend für eine Fahrt ins Grüne. Oder willst du etwa eine Modenschau für die Rehe und Kaninchen veranstalten?"
Fran lacht, sie liebt seinen Humor. Sie kitzelt ihn mit der Nase und flüstert ihm ins Ohr.
„Nicht für sie, aber vielleicht für dich! Du bist mein Lieblingspublikum!"
Maxwell errötet. Verlegen startet er den Motor. Als sie den Stadtverkehr hinter sich lassen, fragt Fran.
„Wo genau bringst du mich jetzt?"
„Zu meinem Cottage. Es liegt etwas außerhalb der Stadt in einer sehr ruhigen Gegend. Es ist wunderschön dort und man kann herrliche Spaziergänge machen. Wir sind dort völlig ungestört."
Fran wird ein wenig mulmig zumute. Noch nie war sie mit einem Mann ganz allein an einem so abgeschiedenen Ort. Sicher, zu Hause in Queens war sie mit ein paar Typen ausgegangen, aber das waren alles nur Idioten gewesen, nichts Ernstes. Aber eigentlich vertraut sie Maxwell. Er war noch nie aufdringlich geworden.
„Gehört das Haus wirklich dir ganz allein?" Maxwell nickt
„Mein Großvater hat es mir vermacht. Eigentlich ist es eher eine Hütte, aber sehr gemütlich eingerichtet. Ich bin gespannt, ob es dir gefällt!"
Nach einer Weile bekommt Fran Hunger und verschlingt ihre Müsliriegel. Manchmal bricht sie ein Stück ab und schiebt es ihm in den Mund. Endlich kommen sie an ihrem Ziel an.
Fran kommt aus ihrem Erstaunen nicht mehr heraus, als sie das Cottage sieht. Das war keine kleine Hütte, sondern ein richtig großes schönes Holzhaus. Sie geht einmal rundherum und ist mehr als beeindruckt. Auch innen war es ein Hingucker. Es gab ein großes gemütliches Wohnzimmer mit Kamin, eine Küche und ein Bad.
Fran ist überwältigt. Maxwell musste wirklich aus einer sehr reichen Familie stammen, wenn sein Großvater ihm ein Cottage vererben konnte, das fast so groß war wie die Wohnung ihrer Eltern. Sie fällt ihm um den Hals.
„Es ist fabelhaft hier, noch schöner, als ich dachte."
„Ich freue mich so, dass es dir gefällt! Ich bin so gerne hier und möchte es in Zukunft gerne mit dir teilen."
Später bereitet sie mit dem Inhalt des Picknickkorbs ein Mittagessen vor. Danach gehen sie nach draußen und Maxwell zeigt ihr die Umgebung. Unbeschwert albern sie herum, spielen Fangen und liefern sich eine Blätterschlacht. Fran wirft sich in seine Arme, sodass sie beide im Gras landen. Sie kichern und fischen sich gegenseitig die Blätter aus den Haaren. Eine Weile liegen sie einfach innig umarmt im Gras und schauen hinauf zu den Wolken.
Später, zurück in der Hütte, macht Maxwell ein Feuer im Kamin. Fran öffnet ihre Zöpfe, um die restlichen Blätter auszukämmen. Maxwell wendet sich seinem Plattenspieler zu, zieht eine Platte heraus und bald erklingt Jazzmusik. Sie liegen eng aneinander gekuschelt vor dem Kamin und schauen in die Flammen. Maxwell spielt mit ihrem Haar und sie streicht über seinen Rücken. Sie beide spüren, wie ihre Herzen immer stärker zu schlagen beginnen. Er berührt ihre Wange und hebt ihr Kinn. Sie schauen sich tief in die Augen.
„Jeder Augenblick mit dir ist so schön! Ich bin so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Ich liebe dich, Francine!"
Frans Herz bleibt für einen Moment stehen. Der Moment, auf den sie seit ihrem ersten Abend gewartet hatte, war endlich da. Er gestand ihr seine Liebe. Fran schlingt ihre Arme um seinen Hals und reibt ihre Nase an seiner.
„Ich liebe dich auch, Maax!"
Ihre Lippen treffen sich, erst in schüchternen Berührungen, dann versinken sie in einem endlosen Kuss. Ihre Zungen liebkosen einander und immer mehr verschlingen ihre Lippen die des anderen. Sie verschmelzen förmlich miteinander. Bis sie sich voneinander lösen, um Luft zu holen. Beide atmen schwer. Nach einem kurzen Blick verschmelzen ihre Lippen erneut miteinander. Sie küssen sich immer wieder leidenschaftlich, um ihre Liebe zu besiegeln.
