Der Schlagabtausch.


Ein Klopfen.
Warten.
Stille.

Erneutes Klopfen.
Erneutes Warten.
Erneute Stille.

Ein Klopfen, diesmal begleitet von einfühlsamen Worten: "Mrs. Hughes, darf ich eintreten?"

Qualvolles Warten.
Qualvolle Stille.

"Mrs. Hughes? Sind sie da? Darf ich eintreten?"

Mrs. Patmore drehte den Türknauf und rüttelte leicht an der Türe, es war abgeschlossen.

"Mrs. Hughes, bitte! Wenn Sie hier sind, öffnen Sie mir doch die Türe."

Erneut antwortete nur die Stille. Mrs. Patmore stieß ein sorgvolles Seufzen aus. Wo kann sie nur hin sein?

Gedanklich ging sie ein paar Möglichkeiten durch und nutzte zum Aufzählen ihre Finger. Neben der Schuhkammer, der Wäscheküche und ihrem Schlafzimmer, kam ihr nur noch der Schuppen wahrscheinlich vor. Also ließ die Köchin von der Türe ab und ging Richtung Stiegenabgang, als sie ein ohrenbetäubendes "Klick!" in der Stille wahrnahm - ein Geräusch, dass nur ein drehender Schlüssel in einem passenden Schloss verursachen konnte.

Mrs. Patmore war erleichtert, hastete mit ihren kleinen Schritten zur Tür zurück, öffnete diese und blieb in ihr stehen, ein leidiges Bild vor ihren Augen betrachtend.

Mrs. Hughes saß auf der Bettkante, einzig und allein der Nachthimmel, der sein karges Licht durch das Fenster schickte, bot der Szene Beleuchtung. Ihr Gesicht richtete sich gen Boden, ihre Schultern hingen verzweifelt hinab.

Mrs. Patmore trat ein, schloss die Tür wieder hinter sich, und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, ihren Kopf legte sie in den Nacken, und platzierte ihn ebenfalls an der Tür.

Wie solle sie jetzt ein Gespräch anfangen? Was solle sie ihr raten? "Wenn ich nur wüsste, was sie sich denkt, dann hätte ich schon mal einen Anhaltspunkt." Sie atmete tief ein, schloss die Augen, und betrachtete kurz darauf wieder das Elend vor ihr.

"Dann mache ich uns Hübschen erst einmal ein bisschen Licht", sprach die Köchin bemüht optimistisch, und strich sich über die Schürze als sie zum Nachttischchen ging um die Petroleumlampe anzuzünden.

"Mrs. Patmore?"

Die Köchin drehte sich zu Mrs. Hughes um und wartete ab.

"Mrs. Patmore, was ... ."

Sie merkte, dass auch Mrs. Hughes Probleme damit hatte, Worte zu finden und setzte sich neben sie, sodass sie für Mrs. Hughes eine Stütze zum Anlehnen sein konnte. Als sie dies tat, bemerkte Mrs. Patmore einen dunklen Fleck auf dem Stoff ihres Kleides zwischen ihren Knien, er müsste das Überbleibsel ihrer vielen Tränen sein.

"Mrs. Patmore, was ... was ist eben geschehen?", wollte Mrs. Hughes von ihr wissen. "Können Sie mir bitte sagen, was eben geschen ist? Ich fühle mich nicht mehr. Ich ... Ich fühle mich so betäubt. Ich fühle mich so unwirklich."

Mrs. Patmore machte sich Sorgen um ihre Freundin. Mrs. Hughes war keine Frau, von der man letztere Worte gewohnt war, oder überhaupt davon ausging, dass diese in ihr stecken konnten. Die sonst so resolute, selbstbewusste Haushälterin von Downton Abbey war merklich in sich zusammen gebrochen.

"Mrs. Patmore?"

"Ja, Mrs, Hughes?", unsicher, ob Mrs. Hughes überhaupt in der Lage war, ihre Antwort wahrzunehmen.

"Könnten Sie ... Könnten Sie ... ?" Mrs. Hughes versagte die Stimme.

"Ich bin da, Mrs. Hughes ... ich bin da.", versicherte Mrs. Patmore ruhig, während sie einen Arm um Mrs. Hughes legte und sie sie fest an sich drückte. "Ich bin da.", betonte sie erneut.

"Mrs. Patmore ... können Sie ... könnten Sie ... mich ... zu Bett legen ... bitte.", Mrs. Patmore bekam Gänsehaut, als sie die Leere und Emotionslosigkeit in der Stimme ihrer Freundin bemerkte, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen.

Ohne ein Wort erhob sich Mrs. Patmore, ließ Mrs. Hughes sachte nach hinten gleiten und hob ihre Beine ins Bett. Als sie ihre Schuhe ausgezogen hatte, drehte sie Mrs. Hughes so gut wie möglich in eine bequeme Position und deckte sie liebevoll zu, nachdem sie die Decke unter ihr hervorgezupft hatte.
Es war jetzt kurz vor 23:00 Uhr. Die Köchin nahm sich einen Stuhl aus der Ecke und platzierte ihn an das Fußende des Bettes, nachdem sie die Lampe gedimmt hatte. Ihr Körper war erschöpft vom Tag, ihr Gemüt aufgekratzt von der letzten Stunde. Ohne dem geringsten Zweifel würde der Kampf zwischen Körper und Geist von letzterem gewonnen werden. Somit beschloss sie, neben ihrer Freundin zu sitzen, bis diese in den Schlaf finden würde. Doch auch bei Mrs. Hughes schien es ähnlich zu sein. - Sie blickte starr an die Wand.

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Mr. Bates klopfte an die offene Tür von Mrs. Hughes Dienstzimmer und lugte vorsichtig in den Raum.

"Mr. Carson, kann ich Ihnen behilflich sein?", sprach er vorsichtig, als er langsam eintrat und sich dabei räusperte. Dies tat er um seine Beklemmung etwas abzuschütteln. Dem Kammerdiener war sehr wohl bewusst, dass er nicht behilflich sein konnte, wusste aber keinen anderen Weg, Mr. Carson ein offenes Ohr anzubieten.

Mr. Carson wurde hier erstmals bewusst, dass das Gespräch ("Gespräch") nicht vom restlichen Personal unbemerkt blieb.

"Nein, Mr. Bates, haben Sie vielen Dank."

Mr. Carson nahm den Suppenteller mitsamt Löffel und brachte ihn in die Küche zurück, wo er auf Daisy traf, die gerade den Kochtisch schrubbte. Ihr plötzliches Erstarren verriet ihm, dass auch sie Zeugin des Gesprächs ("Gesprächs") wurde. Sie verfolgte seine Bewegungen stumm und nahm ihre Tätigkeit wieder auf, als er die Küche verließ.

Am Gang blieb er unbeobachtet stehen und zückte seine Taschenuhr hervor, sie verriet ihm, dass es bereits 22:30 Uhr war. Die Familie war schon zu Bett gegangen. Die restlichen Bediensteten würden noch die ausstehenden Arbeiten erledigen und ebenfalls zu Bett gehen. Sein Arbeitstag empfand er also als beendet. Er ging die Treppen zum Schlaftrakt der Männer hoch und betrat sein Zimmer, dankbar darüber, niemandem mehr über den Weg gelaufen zu sein, schloss er die Tür hinter sich.

Mr. Carson setzte sich aufs Bett, schlüpfte aus seinen Schuhen und legte sich hin, um die Decke anzustarren. Es war ihm egal, dass er noch in seiner Livree steckte, nichts war im Augenblick wichtig. Außer wie er das Geschehene wieder ins richtige Lot rücken konnte. Seine Gedanken schienen aber regelrecht gebunden an sein Missverhalten, sie spielten ihm seine Worte immer wieder vor, sodass er sie fast zu hören vermochte. Sie ließen ihm keinen Platz für Lösungsvorschläge. Er war am Verzweifeln.

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Mrs. Hughes schreckte hoch und blickte der Köchin ins Gesicht.

"War es nur ein Traum? Habe ich es nur geträumt?"

Mrs. Patmore erhob sich vom Sessel und drückte Mrs. Hughes wieder sachte zurück in den Polster, in der Hoffnung, dass sie gleich wieder in den Schlaf finden würde.

"Nein, es war kein Traum, meine Liebe."

Mrs. Hughes kroch wieder die Enttäuschung in die Knochen, und mir ihr kam erneut die Erschöpfung in ihre Muskeln.

Nach nur einigen Minuten bemerkte Mrs. Patmore von ihrem Sessel aus, dass Mrs. Hughes wieder eingeschlafen war.

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Es half nichts. Seine Gedanken waren erbarmungslos, sie ließen ihn nicht einschlafen. Er hatte es verdient, war er doch ebenso erbarmungslos zu seiner Elsie, seiner Liebe, gewesen. Er fand keine Ruhe. Er fand keine Lösung. Die Nacht war qualvoll.

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Mrs. Patmore schien in der Zwischenzeit eingeschlafen zu sein, denn sie bekam sein Eintreten nicht mit. Erst als er mit Vorsicht ihre Schulter berührte, schreckte sie hoch. Er hatte sich zu ihr herabgebeugt und bat mit einem Zeigefinger vor seinem Mund um Ruhe, er wollte Mrs. Hughs nicht wecken. Mrs. Patmore verstand sein Kopfnicken Richtung Tür und folgte ihm auf Zehenspitzen in den Flur.

"Was tun Sie hier? Wenn Sie jemand hier zu Gesicht bekommt."

"Alle schlafen. Es ist 01:45 Uhr, mich wird im Frauentrakt um diese Uhrzeit niemand erwischen.", flüsterte der Butler bedacht.

"Wo sind denn ihre Schuhe?", fragte Mrs. Patmore mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Unten vor den Stiegen, ich wollte so leise wie möglich sein."

"Wäre es kein so trauriger Anlass, wäre es fast schon amüsant, Sie so zu sehen. Also noch einmal: Was-tun-Sie-hier?", zischte die Köchin mittlerweile genervt von den heutigen Aktionen des Butlers.

"Ich möchte bei ihr sein. Ich MUSS bei ihr sein! Ich muss mit ihr reden, wenn sie aufwacht."

Mrs. Patmore ließ sich mit einer Antwort Zeit. Befand es aber letztendlich als gute Idee, wenn die beiden eine Möglichkeit hätten, über die Geschehnisse zu reden. Sie nickte zaghaft.

"Eine Bitte noch, Mrs. Patmore, würden Sie Thomas morgen informieren, das Frühstück für mich zu übernehmen? Ich komme, sobald ich mit Mrs. Hughes gesprochen habe. Und kein Wort darüber, wo ich bin." Stumm nickte sie erneut (Keine Angst, das weiß jeder).

Mr. Carson verabschiedete sich von Mrs. Patmore und betrat wieder das Schlafzimmer. Er setzte sich auf den Stuhl und wartete gebannt darauf, dass Elsie aufwachte.

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Elsie vergrub ihr Gesicht unter ihren Händen als ein zarter Sonnenstrahl den Morgen durch ihre verschlossenen Augen ankündigte. Sie fühlte sich schwer, ihre Brust drückte sie in die Matratze. Langsam aber mit voller Wucht kamen ihr die gestrigen Erinnerungen wieder in den Sinn. Sie drückte ihre Hände noch fester gegen ihr Gesicht. Sie war noch nicht bereit, ihre Augen zu öffnen um den neuen Tag mit seinen Erinnerungen an gestern zu begrüßen. Zwischen ihren Fingern quollen zarte Tränen hindurch.

"Guten Morgen, Elsie."


Phuuu, ihr Lieben, die für mich schwersten Kapitel liegen hinter mir. Jetzt sollte es leichter werden ( ... für mich! Charles muss sich erst noch durchbeißen). Aber bevor wir Charles und Elsie miteinander konfrontieren, werden wir noch einen Blick in Charles Gedanken werfen, die er hatte, als er auf Elsies Erwachen wartete.

Ich hoffe, dass ich nicht zu holprig geschrieben habe. Was sagt ihr dazu? Über Feedback, Anregungen und Gedanken würde ich mich sehr freuen.

Bis bald ;-)