Dieser eine allerletzte fröhliche Charlie.


Elsie blickte Charles entrückt an. Er wusste, er musste sich noch genauer erklären, wollte alles lückenlos erzählen, aber er schaffte es nicht. Nicht, wenn ihn jene Frau, die ihn ausschließlich integer und sittsam kannte, so entgeistert ansah. Elsies Blicke hinderten ihn daran, seine unehrenhafte Tat zur Gänze zu offenbaren. Im Nachhinein kam er sich vor wie ein zügelloses Tier, das seinen niedrigsten Trieben folgte. Charles führte Elsies Kopf mit seiner Hand wieder an seine Brust und behielt ihren Oberkörper in seinem Arm, Ihr Kopf lag unter seinem Kinn. Ihre verbundene linke Hand streckte sie etwas in die Höhe und stützte sie an Charles Seite ab, ihre rechte Hand legte sie auf seinen Bauch, ihr Daumen begann ihn sanft auf und abzustreichen. Die Augen hielt sie offen, sie blickte an das Fußende ihres Bettes. Bevor er begann zu erzählen, ging er noch einmal in sich.

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Hoch mit dir, du Schwein! (Dreckskerl!)", fauchte Charles den Mann ein weiteres mal an, der vor Schreck verwirrt am Boden sitzen blieb. Der Fremde war kreidebleich. Die einzige Farbe, die in seinem Gesicht zu finden war, rann ihm rot über seinen Schnauzer und tropfte auf sein Hemd.
Charles beugte sich hinab zu ihm und hievte den Kerl wie einen nassen Sack hoch auf seine Beine und knallte ihn wieder gegen die Wand. Dort wartete er wenige Sekunden, bis der Mann wieder klarer im Kopf war. Charles merkte, dass er von dem Schlag in den Magen genauso überrascht war, wie beim ersten Schlag ins Gesicht.

Du schleichst zu meiner Frau?! Mitten in der Nacht?! Wenn sie im Bett liegt?! Die hilflos und alleine ist?!"

Der Mann, der Charles schon seit längerem ein Dorn im Auge war, schien ihn nicht zu verstehen. Charles begann ihn wütend am Kragen zu schüttelt.

Du erzählst mir jetzt sofort, wer du bist. Oder ich werde dir zeigen, was es bedeutet hilflos und alleine zu sein!"

Doch anstatt eine Antwort zu erhalten, hörte er den Mann weiterhin nur schwer atmen. Charles hob erneut seine rechte Faust und machte sich für einen weiteren Schlag bereit.

"Nein, nicht. Bitte. Halt.", der Mann stammelte so viel wie möglich in kurzer Zeit hervor, in der Hoffnung, Charles von einem Erneuten Zuschlagen abzuhalten.
"Bitte … Ich … ich bin Arzt ... ich wollte … helfen. Nur helfen."

Charles musste ehrlicherweise überlegen, ob ihm diese Antwort besänftigen mochte. Er blickte dem Fremden prüfend in die Augen. Charles spürte Genugtuung in sich aufkommen als er diesem penetranten Mann mit den frechen Blicken endlich nach all den Tagen eines auf die Nase hauen konnte. Stimmte die Antwort, dann schob sie einem weiteren Zuschlagen einen Riegel vor.
Während Charles den Mann musterte, drückte er ihn so fest gegen die Wand, dass dieser kaum einatmen konnte.
Charles begann zu überlegen.

Er presste den Mann noch einmal ruckartig gegen die Wand und ließ anschließend von ihm ab.
Der Mann stützte sich auf seinen Knien ab und weitete seinen Brustkorb mit tiefen Atemzügen.
Charles beobachtete ihn misstrauisch und versuchte selbst wieder einen ruhigeren Puls zu bekommen. Er ließ ihn nicht aus den Augen.

"Den Namen meiner Frau, woher kennst du ihn?", fragte Charles bedrohlich, als seine Geduld wieder zu enden schien.

Der Fremde blickte zu ihm auf, krümmte sich nach wie vor, hielt sich mit einer Hand den Bauch.

"Sie ging mit mir in die Schule.", für mehr Erklärungen reichte sein Atem nicht. Der Mann richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und atmete erneut tief ein und aus. Die Hand behielt er dabei nach wie vor an seinem Bauch und lehnte sich an die Wand.

"Ich bin Mr. Barclay. Finley Barclay. Doc Barclay.", zittrig streckte er Charles seine Hand entgegen. Auf Doc Barclays Gesicht versuchte sich ein verkrampftes, aber freundliches Lächeln zu bilden.
Charles linke Augenbraue schnalzte bis zum Haaransatz hoch. Er betrachtete die Hand überaus kritisch. Er überlegte, was er damit tun sollte, sie zu schütteln begeisterte ihn nicht.

"Elsie May. Damals schon ein beeindruckendes Mädchen."

Ehe Charles seinen Mund zum Antworten öffnen konnte, hörte er jemanden die Treppe hinauf hasten: Dr. Clarkson erschien im ersten Stock.

Mr. Carson, guten Abend. Wo ist Ihre Frau?", ohne Zeit zu verlieren ging er auf Mr. Carson zu.

Das Erscheinen des Arztes war Charles äußerst willkommen. Endlich war Hilfe da. Und endlich konnte er dieser Szene mit diesem "Schulfreund Doktor" den Rücken kehren.

Du gute Güte! Was ist hier passiert?", fragend hüpfte der Blick von Dr. Clarkson zwischen den beiden Männern hin und her, als er die Schwellungen und das Blut an Doc Barclay erkannte. „Warten Sie hier, ich sehe nach Ihnen, sobald ich Mrs. Carson untersucht habe."

Mr. Carson führte Dr. Clarkson in Zimmer.

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Charles beendete die Erzählung mit einem tiefen Ausatmen.

Elsie versuchte Charles Redefluss nicht zu unterbrechen. Fortwährend spürte sie, wie seine tiefe Stimme seinen Brustkorb zum Vibrieren brachte. Unter anderen Umständen wäre das ein faszinierender Effekt gewesen. Elsie merkte, wie schwer es ihm gefallen war, über das Geschehene zu sprechen. Und sie gestand sich ein, dass es auch schwer war, dem zuzuhören.

„Fin?", flüsterte Elsie ungläubig.

Ja, er sagte mir, dass ihr ihn früher so genannt habt. Hier nennen ihn jetzt aber alle Doc Finley. Er ist hier der Arzt, Elsie. Er hat mein Telefonat mitgehört, und ist sofort zu dir ins Zimmer geeilt … Mit ehrenhaften Absichten … um dir zu helfen. Er dachte, du hättest ihn erkannt, als er sich von dir im Speisesaal verabschiedet hatte und mir anschließend von ihm erzählt. Er ist ein Freund von Mr. Dewshine und frühstückt hier öfters oder holt sich nach dem Tag noch einen Drink."

Ich habe ihn nicht erkannt.", konterte Elsie verteidigend. „Auch jetzt sehe ich kaum Ähnlichkeiten mit dem Jungen, der mit mir in die Schule gegangen ist, Charlie. Er war als Junge so frech und seine Zähne waren ganz schief. Außerdem hätte ich gemeint, dass seine Haare brünett wären, nicht schwarz."

Erneut hob sich Charles Brustkorb und Elsie bemerkte, dass er etwas antworten wollte.

Charlie.", unterbrach ihn seine Frau, noch ehe ein Wort seine Lippen verlassen konnte. „Können wir eine Pause machen? Können wir aufhören zu reden?"

Charles ging auf die Bitte ein, legte eine Kuss auf Elsies Kopf und hielt sie fest in seinem Arm bei sich. Es dauerte nicht lange, und Charles ist durch den beruhigenden Körperkontakt mit seiner Frau eingeschlafen. Elsie hörte das liebgewonnene Rasseln seiner Atmung und genoss das sanft wiegende Auf und Ab. Doch anstatt sich selbst ausruhen zu können, schwirrte Elsie die letzte Erzählung von Charles im Kopf herum. Sie hätte die Bilder gerne aus ihrem Kopf verbannt. Elsie war noch nicht fit genug, um einen prügelnden Charles mit einem ehemaligen Mitschüler verdauen zu können.

Elsie wollte sich auf den Weg ins Badezimmer machen um sich ein bisschen abzulenken. Dazu drehte sie sich vorsichtig von Charles weg und wollte sich gerade aufrecht hinsetzen, als sie das gefüllte Glas am Nachttisch sah, dahinter erblickte sie Beckys Zeichnung. Charles müsse sie dort platziert haben. Sie beobachtete die stete, goldene Reflexion, die das Tageslicht mit der Flüssigkeit am Tisch erzeugte und schloss ihre Augen. Sie wollte sich unbedingt noch einmal das Bild von ihrem Charles mit Charlie im Garten vorstellen, solange dieses noch frisch in ihrem Herzen pochte. Als sie sich sicher schien, es auswendig gelernt zu haben, das Bild jeder Zeit wieder aufrufen zu können, öffnete sie die Augen und richtete sich auf. Neugierig, und mit nostalgischen Gefühlen und auch ein bisschen von Stolz erfüllt, griff sie nach dem Glas und freute sich auf einen Schluck von dem Holunderblütensirup, den Charles für sie gemacht hatte. Sie führte das Glas zu ihrer Nase, schloss die Augen erneut und roch an dem Inhalt. Holunderblüten. Eindeutig. Elsie musste grinsen wie ein Kind. Charlie hat ihr tatsächlich Holunderblütensirup gemacht.
Sie hatte zwar vorhin schon einen Schluck davon genommen – kurz nachdem sie zu Bewusstsein kam, als Dr. Clarkson bei ihr war - war aber so überrascht davon, dass es kein Wasser war, dass sie sich daran verschluckt hatte und es wieder auf das Tischchen stellte. Außerdem wachte zeitgleich Charles auf, womit die Flüssigkeit komplett ins Vergessen geriet.

Elsie wusste, dass es albern war, aber sie war etwas nervös, vor dem ersten, bewussten Schluck. Sie roch noch einmal daran, führte das Glas wenige Zentimeter tiefer und kam damit an ihren Lippen zum Stoppen. Langsam öffnete sie ihren Mund und ließ die Flüssigkeit in ihn hineinfließen. Der Sirup schmeckte hervorragend. Jedoch musste sie das Glas schnell wieder von ihrem Mund entfernen. Elsie hatte Angst etwas zu verschütten, da sie ein aufkommendes Grinsen, erweckt durch die aufsteigende Freude in ihr, nicht zurückhalten konnte und setzte das Glas wieder auf ihrem Nachttisch ab. Verliebt leckte sie sich den letzten Geschmack des Holunders von ihren Lippen.
Elsie rutschte wieder etwas nach hinten zu Charles. Nach nur wenigen Sekunden schliefen beide.

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Irgendwann wachte Charles wieder auf. Er blickte zuvor nicht auf die Uhr und so konnte er auch nicht sagen, wie lange er geschlafen hatte - es war aber auch nicht von Bedeutung. Das Einzige, das Bedeutung hatte, lag neben ihm. Elsie. Er strich ihr sanft über die Wange. Und er konnte es sich nicht verkneifen, ihr einen kaum spürbaren Kuss auf ihre Lippen zu legen. Sie schmeckten nach Holunderblüten. Charles blickte über Elsie hinweg und betrachtete das Glas am Nachttisch. Es fehlte Flüssigkeit. Sie hatte seinen Sirup gekostet. Charles blickte wieder zu Elsie und strich ihr noch einmal über die Wange, und rein als Vorsichtsmaßnahme beobachtete er für wenige Minuten ihre Atmung. Sie war regelmäßig und stark.

Ohne die Matratze zu viel in Bewegung versetzen zu wollen, stand er vorsichtig auf und schlüpfte in seine Schuhe. Er beschloss das Zimmer zu verlassen, um Mrs. Dewshine zu fragen, ob er für seine Frau ein Sandwich haben könnte, sollte sie später Appetit bekommen. Bevor er die Tür zur Gänze schloss, betrachtete er jedoch noch einmal Elsie im Bett. Nur um sicher zu gehen, dass auch alles in Ordnung sei.

Das Leben kam ihm wieder um einiges leichter und unbekümmerter vor. Auch wenn seine Elsie noch nicht wieder bei Kräften war, war es doch eine riesige Freude zu wissen, dass sie am Weg der Besserung war. So erleichtert schien Charles förmlich Stiege für Stiege in die Lobby herabzuschweben. Seine Körper schien nichts mehr zu wiegen.
Doch vor dem Empfangstresen sah er eine Frau stehen, die er nicht erwartet hätte, jemals wieder zu sehen. Und bevor er sich mit einem zweiten Blick vergewissern konnte, dass es sich hier wirklich um Mrs. Brown handelte, hinderte ihn etwas daran die Stiegen weiter hinab zu gehen und hätte ihn sogar fast zum Fall gebracht, hätte Charles nicht so eilig nach dem Handlauf neben ihm gegriffen. Ein schweres Bündel am Bein zwang ihn zum Stillstehen. Verschwunden schien die zurück gewonnene Leichtigkeit. Überrascht blickte Charles an sich hinunter. Ein kleiner Junge umschlang seine Beine.

Du hättest mich fast zum Stolpern gebracht. Schön, dich wieder zu sehen, Charlie.", langsam löste sich der Bub von seinem Bein und blickte hoch.

Was machst du denn hier? Wart ihr nicht schon abgereist?", fragte Charles neugierig.

Ich habe meinen Teddy vergessen, Mr. Carson."

Guten Tag, Mr. Carson.", unbemerkt von den beiden war die Mutter des Jungen an den Fuß der Treppe herangetreten. Charles blickte in höfliche, freundliche Augen.

Guten Tag, Mrs. Brown. Welch Überraschung Sie wieder zu sehen.", sagte Mr. Carson und ging die letzten Stufen hinab.

Unser Charlie hat seinen Teddy vergessen. Wir haben rasch nach unserer Abreise bemerkt, dass er fehlt, aber uns hat die Zeit zum Umkehren gefehlt. Zuhause wollten wir ihm einen neuen besorgen. Aber Charlie hat keinen anderen Teddy gewollt. Er hat ihn von seinem Großvater bekommen. Er ist vor wenigen Monaten verstorben."

Charles blickte zu dem Jungen hinab und wieder zu der Mutter. Er war betrübt darüber, das zu hören. Der Tod des Vaters der jungen Frau war sicherlich viel zu früh.

Das tut mir sehr leid!", entgegnete Mr. Carson betroffen.

„Danke, Mr. Carson. Mein Vater hätte in der letzten Woche Geburtstag gehabt. Und um meine Mutter in dieser emotionalen Zeit zur Seite zu stehen, sind wir von unserer Heimat hierhergereist. Sie lebt nun allein, wissen Sie."

Charles bemerkte, wie traurig Mrs. Brown und Charlie waren. Die Trauer in deren Herzen war noch so präsent, dass sie bei den Worten versuchte als salzige Flüssigkeit aus den Augen zu laufen.

Wie geht es Ihrer Frau? Konnte sie sich wieder erholen?"

Charles bemerkte den Themenwechsel und bedankte sich ob der Nachfrage. Gerne erzählte er von Elsies Genesung. Anschließend widmete er sich wieder dem Jungen zu.

Charlie, ich bin so so so froh, dich wieder zu sehen.", Charles beugte sich zu Charlie hinunter und grinste ihm ins Gesicht. „Unser Holunderblütensirup ist fertig. Ich habe ein Glas für dich abgefüllt. Möchtest du es mit mir holen?"

Die Köpfe beider Charlies wandten sich zeitgleich zu der Mutter und sahen sie fragend an. Sie warteten stumm auf ihr Einverständnis. Mrs. Brown musste kichern und nickte.

Charles hielt Charlie seine Hand zum Greifen hin. Ohne lange zu überlegen griff Charlie danach und begleitete Charles händehaltend in den Keller zum Vorratsraum.

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Dr. Clarkson kam am nächsten Morgen optimistischer als die Tage zuvor zu seiner Patientin. Er wusste, die Antibiotika schlugen gut an und würden rasch für Besserung sorgen. Und so war es zwar keine Überraschung, dass er Mrs. Carson beim Eintreten in ihr Zimmer so wach im Bett sitzen sah, aber doch eine freudvolle Erleichterung.

Der Arzt wechselte den Verband und war äußerst zufrieden mit der Wunde. Er war der Meinung, dass er ihn morgen vielleicht schon ganz weglassen könnte. Noch würde er aber gerne die Hand gut geschützt wissen wollen und wickelte die sie wieder ein, nachdem er das Pflaster gewechselt und die Wunde gereinigt hatte.

Am darauffolgenden Tag reiste der Arzt nach der Visite guten Gewissens nach Downton ab. Er sah keine Notwendigkeit mehr, hier länger verbleiben zu müssen. Mrs. Carson genas hervorragend, und dass sie in einen Zustand einer erneuten Sepsis zurück fiel, war kaum mehr möglich.

Jedoch bekamen die Carsons den Rat, noch wenige Tage mit ihrer Abreise zu warten. Der Schnitt heile zwar gut, aber Mrs. Carson müsse sich noch immer von den körperlichen Strapazen der vergangenen Zeit erholen.

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Am Abend vor der Abreise saßen beide schweigend auf ihrem kleinen Balkon und sahen hoch ins abendliche Himmelszelt. In wenigen Augenblicken würde ein dunkles blau das zarte Rosa verschlungen haben.
Charles kannte Elsie schon lange genug, um zu wissen, dass ihr kalt sein würde, sie es aber nicht von sich aus sagen würde. Er rückte noch näher an sie heran und umschlang sie mit einem Arm. An Charles gekuschelt, beobachtete Elsie verträumt den Schlagabtausch von Tag und Nacht.

"Siehst du das, Elsie?", hauchte Charles. Elsie folgte Charles Blick und konnte nichts als das zarte Funkeln der jungen Sterne sehen.
Charles nahm Elsies Hände in die seine. Die linke Hand nahm die linke, die rechte Hand nahm die rechte. Es war schön, nur mehr ein Pflaster an Elsies Finger zu sehen. Zart strich er über ihre Haut und spielte mit ihren Fingern. Elsie betrachtete Charlie still dabei, wie er gedankenverloren ihre Hände streichelte und sie betrachtete.

Nun war es bereits dunkel, einzig und alleine der Mond mit seinen befreundeten Sternen schenkte der Nacht Licht.
Charlie richtete sich ein wenig auf und führte die Hände seiner Frau in die Höhe. Er positionierte sie genau so, dass sie Elsie und sich selbst die Sicht auf den Mond versperrten. Verdutzt verfolgten Elsies Augen die vier Hände.
Charles neigte sich etwas zu Elsie herab und berührte mit seinen Lippen fast ihr Ohr. "Weißt du, in meiner 'Die Zwei Fröhlichen Charlies'-Zeit trat viele Abende vor uns ein Zauberer auf - ein Illusionist." Elsie bekam Gänsehaut, als sie Charles Stimme so nahe an ihrem Ohr flüstern hörte, sein Atem kitzelte verhängnisvoll. Sie sah zu ihm und erkannte wie gebannt er in die Höhe blickte.

"Sieh!", forderte er sie hauchend auf, ohne seinen Blick von den Händen zu nehmen.
Elsies Blick wanderte wieder zu ihren Händen empor. Charles formte ihre Hände zu einer hohlen Kugel, er legte seine schützend um ihre.
Elsie war so gebannt darauf, was Charles vorhatte, dass im Augenblick nichts zu existieren schien, alles stand still. Keine Grillen zirpten mehr, keine Blättchen bewegte sich.

Charles übte keinen festen, aber auch keinen sanften Druck gegen Elsies Hände aus. Jedoch spürte sie, dass ihre Hände in dieser Haltung verweilen sollten. Für einen Bruchteil einer Sekunde wurde alles Licht ausgelöscht. Sterne und Mond hörten auf zu leuchten. Sie schienen verschwunden zu sein. Doch bevor Elsie darüber erschrecken konnte und sie aus ihrer Haltung fuhr, glitten Charles Hände zu Elsies Handgelenken herab und stützten sie hoch. Seine Berührung und seine Ruhe gaben Elsie genügend Sicherheit und so behielt sie ihre Hände oben.
Aus der geformten Kugel, zwischen ihren Fingern begann ein kaltweißes Licht hervor zu leuchten, um ihre Hände herum bildete sich ein Lichthof.
Voller Erstaunen klappte Elsies Mund auf. Sie blickte fassungslos an die Stelle, an der zuvor noch der Mond hing. Sie konnte ihn noch immer nicht sehen. Erneut richtete sie ihre Augen zu ihren leuchtenden, verschlossenen Händen. Und wieder zurück an die Stelle, an der der Mond sein sollte. Anschließend sah sie ungläubig zu Charles, der es genoss, sie in ihrer Verwunderung zu beobachten.
Bevor Elsie fragen konnte, was sie in ihren Händen hielt, legte er einen seiner Handballen an sein Kinn und streckte die Finger von sich. Er pustete sachte an seiner Handoberfläche entlang und Elsie bemerkte, wie sich ein kleiner Nebel im Himmel bildete. Charles umschloss wieder Elsies Hände und drückte sie langsam zusammen. Das Licht in ihren Händen verschwand und Charles stieß noch einmal einen sanften Hauch aus seinen Lippen und brachte so den Nebel dazu, sich weiter zu bewegen. Zum Vorschein kam er wieder, der Mond, der wieder von hoch oben auf sie herab schien.
Elsie sog die Luft ein und bemerkte jetzt erst, dass ihr Mund offen stand.

"Nein, das hast du nicht gemacht!", waren die einzigen Worte, die Elsie aus sich heraus brachte, sie sah verdutzt den Mond an. Elsie war fasziniert. Sie war gerührt. Sie war überwältigt. Sie war perplex.
Wieder klappte ihr der Mund auf, als sie sich ungläubig zu ihrem Mann drehte, und sich etwas aufrichtete. Sie wusste nicht worauf, aber sie wartete auf etwas. Auf eine Reaktion von Charles, oder auf eine Erklärung des Gesehenen vermutlich.

Sie wollte ihn fragen, wie er das angestellt hatte. Aber unerwarteter weise hörte sie sich folgende Frage stellen, ohne dabei empört zu sein: "Wie vielen jungen Frauen hast du damit das Herz erwärmt?"

"Keiner einzigen.", antwortete Charles ruhig und ehrlich. "Als Dave mir sein Können verriet, wusste ich damals schon, dass ich nur derjenigen den Mond schenken werde, mit der ich an einer lauen Sommernacht auf einer kleinen Bank sitzen möchte. Für den Rest meiner Zeit."

Elsie spürte, weshalb er diesen Moment auserwählt hatte und ihn mit seiner Vergangenheit teilte: Charles war so befreit von all seinen Ängsten und Sorgen, die er in den letzten Tagen hatte, dass er unüberlegt handelte. Ihm entglitt seine jahrelang niedergedrückte Unbekümmertheit und begrub für einen Augenblick seine Vorliebe für Ordnung und Tadel. Er ließ sein Innerstes, für das er sich ab und an schämen mochte, heraus. Wie vor einigen Jahren, als er von Elsie beim Singen während des Polierens des Silberbestecks entdeckt wurde.

Zwei Dinge fürchtete ich die vielen Jahre.", fuhr Charles gedankenverloren fort, „Dass du niemals neben mir sitzen würdest. Und, dass meine Hände zu krank für die Präzision sein würden."

Vor lauter Überwältigung der letzten Minuten, wunderte sie sich nicht über die kryptische Aussage, die Charles über seine Hände tätigte und schmiegte sich stattdessen einfach an ihren Charlie an, und genoss die kostbare Zweisamkeit mit einem lieblichen Lächeln auf ihren Lippen, das von Charles unbemerkt blieb.

Und obwohl Elsie hingerissen war von diesem Moment, freute sie sich schon auf ihren altbekannten, geradlinigen Charles und das Kennenlernen ihres neuen Alltages in und um Downton Abbey.


So meine Lieben!
Die Flitterwochen sind nun ziemlich am Ende, wir reisen wieder zurück nach Downton. Ich freue mich schon, die beiden beim Kennenlernen ihres neuen Alltages zu begleiten und auch würde ich behaupten, dass sie ihre Körper noch zu wenig erforscht haben. Charles freut sich schon, Elsie wieder in ihrer vollen Dienstkleidung zu sehen und endlich wieder das Rasseln zu hören ... weiß es aber noch nicht ;-) SHHHH ... verratet es ihm nicht ;-)

Natürlich kommen immer wieder mal kleine Momente der Erinnerung von den Flitterwochen hoch, die wir Leser noch nicht kennen – so zum Beispiel ein Gespräch zwischen Fin und Elsie, oder wie Charles und Charlie miteinander verbleiben. Aber ich denke, die Carsons werden uns an diesen Erinnerungen bestimmt gerne Teil haben lassen wollen.

Ich hoffe sehr, euch hat das Kapitel gefallen! Genauso wie die Geschichte an sich. Ich war etwas zerstreut über erhaltene Reviews der englischen Version und war mir nicht sicher, ob ich weiter schreibe. Die Reviews waren sehr zerstörerisch.

Ist überhaupt noch Bedarf an der deutschen Version? Liest jemand auf Deutsch? Sonst schreibe ich nur noch die englische Version.

Leider gibt es eine Begrenzung der Zeichenanzahl in der Kapitelleiste. Daher muss Charlie ohne dem "i" auskommen.

Passt gut auf euch auf!

Bis bald! :)