Kapitel 29 - Gute Menschen sterben früh…

CW: Gore, Body Horror, Detaillierte Beschreibungen

„Setzen Sie sich, Herr Watamine.", sagte ein Polizist, der für ihn die Wagentür seines Streifenwagens öffnete. Douto setzte sich und seufzte schwer.

Das war's also. Was getan war, konnte er jetzt nicht mehr ändern. Auf dem Beifahrersitz vor ihm setzten sich ein blonder und ein dunkelhaariger Polizist am Steuersitz. Ihm fiel auf, dass der blondhaarige Polizist einen Bleistift auf seinem Ohr balancierte.

„Fahren wir?", sagte der blonde Polizist.

„Ich warte noch auf den Gruppenleiter. Momentan ist hier echt viel los und wir arbeiten in letzter Zeit ohne jegliche Pause. Schon heftig, was hier abläuft, nicht?", antwortete der dunkelhaarige und gähnte.

„Muss man schon sagen. Ich hab seit heute Nacht kein Auge zugetan. Diese Serienmorde gehen mir schon auf die Nerven."

„Ist schon komisch, dass wir außer den ausgestreckten Fingern bis jetzt immer noch keine weitere Spur zu den Tätern haben. Meine Frau macht sich seit einiger Zeit viele Sorgen um mich. Sie hat mir schon angeboten, zu kündigen und eine andere Arbeit zu suchen."

„Und? Hast du dich schon entschieden, Tatsuki?", fragte er, nahm den Stift aus dem Ohr und ließ ihn auf seiner Hand um seine Finger drehen.

Der Mann seufzte und blickte aus dem Fenster auf das vierstöckige Einkaufszentrum, bevor er fortfuhr. Dann gähnte er wieder und streckte sich auf seinem Fahrersitz.

„Nein, noch nicht. In ein paar Tagen feiert mein Sohn seinen zweiten Geburtstag und sie will, dass ich einen etwas weniger gefährlichen Job suche oder für eine Weile einen Urlaub nehme, was, wie du dir schon denken kannst, nichts bringen wird, weil momentan von jedem Kriminalbeamten etwas verlangt wird, aber ich schweife ab. Jedenfalls hat sie eine ziemliche Angst vor der ganzen Fingermördersache und ich glaube, das macht sie langsam paranoid."

„Also geht's eher um deinen Sohn, richtig?"

„Nun ja, um ehrlich zu sein weiß ich es selbst nicht. Ich kann nicht viel dazu sagen, weil ich seit den Serienmorden ziemlich oft auf Streife bin. Aber wenn ich zum Inspektor eines sagen könnte, dann: Es wäre echt Scheiße, wenn er bei so einem jungen Alter schon seinen eigenen Vater verlieren würde."

Der dunkelhaarige Polizist lehnte sich zurück und schloss müde die Augen.

Stille brach ein.

„Penis.", sagte der Blondschopf.

„Hä? Wovon redest du?"

„Nichts. Ich wollte dich nur zum Lachen bringen."

Herr Watamine musste widerwillig schmunzeln. Das sah der blonde Polizist vor ihm auf dem Innenrückspiegel an der Windschutzscheibe.

„Siehst du, bei ihm hat's funktioniert.", sagte er.

„Du kannst nicht einfach ein Geschlechtsteil benennen und erwarten, dass es meine Stimmung hebt! Gib dir wenigstens Mühe, verdammt!", sagte Tatsuki wütend.

„Ich hab's wenigstens versucht.", versuchte der Blondschopf sich zu verteidigen, als sich plötzlich die Wagentür öffnete und ein anderer Polizist in den Wagen stieg und sich neben Herrn Watamine hinsetzte.

„Schluss mit dem Rumgeplänkel. Klappe halten und fahren.", murrte er und schnallte sich an. Seine Uniform sah den Polizisten ähnlich, jedoch mehr ausgewiesen und viel adretter im Vergleich zu ihnen. Er musste wohl einen höheren Rang belegen als sie und war damit wahrscheinlich dann auch ihr Dienstgruppenleiter.

„Jawohl!", sagte Tatsuki und betätigte die Zündschlüssel. Der Wagen sprang auf und einen Augenblick später fuhren sie los.

Eines der Funkgeräte, das Armaturenbrett angehängt war, ging hin und wieder mal an und meldete neue Straftaten, die sich in diesem Moment in ihrem Umkreis ereigneten.

„Bin auf dem Weg, fahre ab.", sagte der dunkelhaarige Polizist.

„Stelle sicher, dass die Brücke gesichert ist.", befahl der Dienstgruppenleiter neben Herrn Watamine.

„Ein weiterer Banküberfall östlich von Tokio. Sind momentan zu weit weg. Ich leite weiter.", kam es aus dem Funkgerät.

„Weitergeleitung erfolgreich. Sind ebenfalls zu weit weg. Stelle Verbindung sicher. Verbindung sichergestellt.", sagte der blonde Polizist und betätigte ein paar Knöpfe an seinem Funkgerät in seiner Dienstkleidung. Dann wandte er sich um und schaute hinter sich.

„Haben Sie nicht zufällig eine kleine Schachtel hier im Wagen gesehen? Eine, die ungefähr so aussieht.", fragte er den Polizeidienstleiter hinter sich und zeichnete zur Beschreibung mit seinem Bleistift ein Rechteck in der Luft.

„N' Rechteck, eh? Glaubst du echt, ich weiß nicht, wie 'ne Schachtel aussieht? Egal, lass mich kurz nachsehen.", sagte er und schaute sich auf seiner Seite um.

„Müsste im Türablagefach sein, wenn ich mich nicht irre."

Herr Watamine sah ihm wortlos zu, wie er im Fach neben ihm herumkramte.

„Moment mal. Oh, ich hab's gefunden.", sagte er, nachdem er nach einer Weile die Schachtel öffnete und ein komisches kleines Gerät in der Hand herausnahm, das allem Anschein nach einen winzigen Lautsprecher beinhaltete.

„Geben Sie es mir bitte.", sagte der blonde Polizist und streckte seine Handfläche raus. Erst da kam Douto das Gesicht des blonden Polizisten ein wenig bekannt vor. Hatte er dieses Gesicht nicht irgendwo schon einmal gesehen?

„Was ist das, ein Lautsprecher…?"

„Oh, bitte fassen Sie dieses Gerät nicht an. Ich brauche es dringend. Es ist mir wichtig."

„Ist das ein Funkgerät?", fragte der Gruppenleiter, der das Gerät genauer betrachtete.

„So in der Art, ja.", erklärte der Blondschopf.

„Sag mal, was für'n Spiel spielst du hier? Mit wem nimmst du damit Kontakt auf? Das FBI?", spekulierte er und lachte.

„Hah, schön wär's. Nah, hab momentan was anderes zu tun.", sagte der blonde Polizist und lachte mit.

„Na gut, hier. Wenn ich dich dabei erwische, wenn du hier illegale Kontakte anquatschst, konfisziere ich das Teil, verstanden?", sagte er und gab ihm das Gerät. Douto folgte dem Gespräch und ließ das Ding aus einem ihm noch unerklärlichen Grund nicht aus den Augen. Wen wollte er damit anfunken?

„Danke."

Plötzlich hörte er es wieder. Ein Piepsen in seinem Ohr bahnte sich an. Douto und der Dienstleiter hielten sich die Ohren zu, als das Piepsen immer lauter wurde. Selbst Tatsuki, der den Wagen fuhr, beschwerte sich.

„Was ist das für ein Piepsen?"

Wiiiiiiieeee…

„Ebata, gib das verdammte Gerät her, dieses Gepiepse tut mir schon in den Ohren weh. Ich konfisziere es jetzt. Gib's her!", befahl der Dienstleiter hinter ihm, doch das Piepsen wurde stattdessen immer unerträglicher.

„Ebata?", murmelte Douto, als hätte er den Namen schon einmal gehört.

„ICH SAGTE, ES REICHT! GIB'S HER!", rief er.

„Hör auf mit dem Geräusch! Ich konzentriere mich gerade auf das Fah… ah?", rief der dunkelhaarige Polizist, der sich in die Richtung des Geräusches zuwandte, als er ohne Vorwarnung aufschreckte und plötzlich auf die Mündung einer Pistole blickte.

„Ko-Kousho, was zur Hölle…?!", stammelte er verwirrt.

„Lange nicht gesehen, Douto! Mann, bist du alt geworden, hab dich beinahe nicht wiedererkannt.", sagte der blonde Mann grinsend und warf seine Aufmerksamkeit jetzt auf Douto.

Herr Watamine starrte ihn sprachlos an.

„Kousho…?"

Kousho Ebata aus seiner Zeit in der Schule…

Das Piepsen hörte auf. Alle starrten auf die Mündung der Pistole, die auf den fahrenden Polizisten gerichtet war.

„EBATA, WAS TREIBST DU…? Augh…"

Weiter kam der befehlende Beamte nicht, da sich um seine Augen, seine Nase und seinem Mund eine rechteckige Schnittform bildete, aus dem Blut strömte, so als würde man sein Gesicht in diesem Augenblick mit einer Lebkuchenform ausstanzen. Aus seinem Mund spritzte Blut auf das Fenster und auf die hintere Seite der Kopfstütze vor ihm.

„Aaagh…"

Er hob seine Hände und tastete sein Gesicht langsam ab, bis er neben seinem Auge eine Schnittstelle spürte. Dann blickten er und Douto auf das Blut auf seiner Handfläche, die bei der Erkenntnis zu zittern began. Keiner konnte sich erklären, was in diesem Moment passierte, als die Haut sich langsam von seinem Gesicht trennte.

„Khh… wasch paschiaht mit…? Öaarkkk…"

Douto erkannte, dass der vor Schmerzen stöhnende Mann nicht nur von vorne blutete, sondern auch vom Hinterkopf, da das Blut langsam seinen Nacken und den Rücken hinunterströmte.

„HERR TARO…!", schrie Tatsuki mit Terror erfüllter Stimme, der alles auf dem Innenrückspiegel mit angesehen hatte.

„Seht euch sein Gesicht an, der sieht ja voll aus wie eine Zwiebel, hahaha…", lachte der Blondschopf.

„Kohhh… hhh… KOUSHOOOOO!", schrie der Dienstleiter mit letzter Kraft und versuchte, ihn mit seiner Hand zu fassen, doch Kousho war schneller…

„Woah, er will spielen, hahaha…"

…und schnitt ihm mit einer flinken Fingerbewegung säuberlich die Hand ab, sodass dieser auf die Gangschaltung fiel und den Hebel vom fünften auf den zweiten Gang stellte und mit Blut ebenfalls voll spritzte.

Das brachte den Wagen zum Rütteln, als im nächsten Moment der Drehmoment des Autos übertaktete und somit der Motor leicht abwürgte.

„Scheiße!", rief der dunkelhaarige Polizist voller Panik.

Durch den plötzlichen Ruck im Wagen fiel Herr Taro's Kopf nach vorne und landete auf dem Vordersitzrücken, sodass die Wucht den ausgestanzten Teil seines Gesichtes von seinem Kopf auf dem Boden des Wagens herauspresste. Teile seines Gehirns, Augen, Mund Nase und dem Nervensystem, zusammen mit den jeweils abgetrennten Schädelknochen, verteilten sich auf dem Boden. Was sich dann zum Schluss zeigte, war ein sauberer Schnitt im Gesicht, der durch seinen ganzen Kopf ging. Man konnte jetzt durch seinen ganzen Kopf blicken.

„Uaaahh…"

Herr Watamine erstarrte förmlich vor Angst. Was zur Hölle ist hier gerade passiert?

„Fahr weiter.", befahl Kousho und reichte Herrn Watamine die Hand.

Douto zögerte, während er zuerst auf das Loch im Gesicht des toten Gruppenleiters und dann voller Angst auf seine Hand starrte.

„Ko-Kousho…"

„Reich mir die Hand, komm schon. Wir haben uns doch lange nicht gesehen.", bot er ihm mit freundlicher Miene an.

„Was ist mit ihm passiert?", fragte Douto und zeigte auf die Leiche neben ihm.

„Ich hab ihm das Gesicht vom Kopf geschnitten, ganz einfach.", antwortete er lässig.

„Aber… warum?", fragte er.

„Hah, du stellst Fragen… Hast du dich etwa jemals selbst gefragt, warum du deine beste Freundin umgebracht hast?"

„Ob ich…"

„Jetzt mal ernsthaft, Mann. Du hast dich wirklich verändert. Damals warst du bereit, für sie aufzustehen und mich mit dem Stift abzuwerfen, für sie dich mit mir mehrmals zu prügeln und jetzt sieh dich an…"

„Kousho, was wird das hi…", unterbrach der schwarzhaarige Fahrer.

„DU HÄLTST DEINE FRESSE, WENN ICH REDE, SONST BALLER ICH DIE SCHEIẞE AUS DIR RAUS, HAST DU VERSTANDEN, TATSUKI?!", schrie ihn plötzlich Kousho an.

„Tu es, Arschloch.", sagte er.

„Häh? Sag es noch einmal, du Dreckssau, ich warne dich."

„Ich sagte, tu es. Mach das und ich ramme den Wagen gegen die Häuser.", sagte Tatsuki, ohne mit der Wimper zu zucken.

Klack!

Die Pistole wurde auf Anschlag gelegt und der Polizist schloss die Augen, als er voller Anspannung auf das Unvermeidliche wartete.

„Stop!", rief Douto.

„Wasn?", murmelte Kousho genervt.

„Glaubst du nicht, dass du etwas zu weit gehst? Warum tust du das alles?"

Kousho antwortete nicht, sondern nahm die Pistole vom Kopf des fahrenden Polizisten, der voller Erleichterung die Schultern lockerte.

„Weil ich es kann, deshalb…"

„Was?"

„Ich kann es einfach."

„Heißt also, dass Herr Taro für nichts und wieder nichts gestorben ist? Du hast ihn einfach so umgebracht?"

„Ja, warum nicht?"

„Du bist… du bist krank…", stotterte Douto.

„Ich…? Ich bin krank?", sagte er und brach in ein irres Gelächter aus.

„Krank? Schau dich doch mal an. Tötest erst einmal deine Freundin, in die du seit Ewigkeiten verknallt warst und heulst dann rum, weil du ertappt wurdest. Ist es dir denn nicht peinlich, einfach da zu sitzen und zuzusehen, wie ein kleines Kind dich an der Leine hält, wie ein Schoßhündchen?"

„Ich war ein Idiot…, aber ich weiß, dass ich für das, was ich getan habe, gerade stehen muss.", sagte er entschlossen.

„Nein, das stimmt nicht. Morale sind dir am Arsch vorbei. Du hast nur Angst davor zu sterben. Glaub mir, ohne das, was du eben gesehen hast, würdest du nie darauf kommen. Und weißt du warum? Weil du schwach geworden bist und genau das pisst mich an dir an."

„Was?"

„Ich habe dich damals respektiert, auch wenn wir uns geprügelt haben. Ich sah, was für ein Potenzial in dir steckte und wie viele Probleme du mir bereitet hattest. Und genau da fühlte ich, dass du mir ebenbürtig warst. Doch jetzt, anstatt gerade an dein Ziel zu denken, bist du auf dem Boden und küsst die Schuhe eines jungen Mädchens. Du widerst mich an."

„Ich tat, was ich konnte und…"

„Hier…, ich will den nicht mehr, du kannst ihn haben.", sagte er und gab ihm den Bleistift.

„War das nicht…"

„Genau, das ist der Bleistift, den du mir damals aufs Ohr geworfen hattest. Es hat an diesem Tag massiv geblutet und höllisch weh getan. Von da an hatte ich nur noch mehr Respekt vor dir, doch jetzt…"

„Ako, Shirota, ich liebe euch."

„…jetzt brauche ich den-"

Plötzlich griff der schwarzhaarige Fahrer die Mündung der Pistole und richtete sie an das Dach des Wagens. Ein Schuss fiel und bohrte ein Loch, wodurch sich der Abendhimmel zeigte. Dann griff der Polizist mit der anderen Hand das Funkgerät und schrie in den Lautsprecher.

„HABE ZIEL IM WAGEN TO-5378, BEFINDEN UNS IN DER NÄHE DES BEIKA STADTPARKS, ZIEL IST BEWAFFNET UND SCHNEIDET KÖRPERTEILE! ICH WIEDERHOLE: WAGEN TO-5378, NAHE BEIKA STADTPARK, BEWAFFNET…"

„Wir hören Sie klar und deutlich, sind gleich vor Ort!", kam es von der anderen Seite des Lautsprechers.

Den dadurch entstehenden Tumult nutzte Herr Watamine aus, sprang vor und wollte mit dem eben von ihm erhaltenen Bleistift in seine Hand stechen, bevor Kousho ihm weiteres antun konnte, als er sofort von ihm einen brutalen Schlag mit dem Ellenbogen auf das Auge kassierte und voller Schmerzen schreiend nach hinten zurückfiel.

„Agghh…"

„Du verdammter Bastard!", rief Kousho und machte eine flinke Handbewegung, die die Hand samt Funkgerät vom Arm abtrennte. Der Arm fiel auf das Armaturenbrett. Dies hielt den Polizisten jedoch nicht davon ab, weiterzuschreien.

„AGHHH… ZI-ZIEL IST EINES DER SERIENMÖRDER! SEIN NAME IST KOUSHO EBATA! ICH WIEDERHOLE: ZIEL IST EINES DER SERIENMÖRD- örkkkhh…"

Kousho machte eine weitere Fingerbewegung, doch Tatsuki war schneller und wendete den Wagen in der letzten Sekunde, sodass dieser über die Bordsteine des Fußgängerwegs bretterte und direkt in ein Juweliergeschäft raste.

Trotzdem spürte er einen Schnitt in seiner Kehle und sein Kopf fiel vom Rumpf ab, bevor der Wagen Kontakt mit dem Geschäft machte.

Mehrere Besucher gingen so schnell sie konnten dem Wagen aus dem Weg. Mehrere, nicht alle. Ein paar Besucher waren nicht so schnell und wurden vom Wagen mitgerissen.

„Scheiße!", rief Kousho genervt und versuchte das Steuer noch rumzukriegen, doch es war schon zu spät, da der Wagen durch die Fenster hineinbrach und mit der Wand kollidierte.

Die Wucht des Aufpralls war so heftig, dass die Motorhaube am Wagen Sekunden später in Flammen aufging und kurz davor stand, mit dem Treibstoff in Berührung zu kommen und zu explodieren.

„Nicht schlecht, Tatsuki…"

Hustend, röchelnd und mit blutiger Stirn, öffnete Herr Ebata die Tür und versuchte mit letzten Kräften aus dem Wagen heraus zu kriechen. Als er zu Boden fiel, rappelte er sich schnell auf, machte die Tür zu und blickte durch das Fenster der hinteren Tür des Wagens, wo sich Herr Watamine befand, der auch versuchen wollte, aus dem Wagen zu kommen, aber nicht konnte, weil die Wagentür auf beiden Seiten beschädigt war und der Mechanismus klemmte. Er sah zu, wie Douto verzweifelt mit der Faust auf der Scheibe des Polizeiwagens hämmerte, dann lächelte er.

„Weißt du was, Douto?", murmelte Kousho und kramte in seiner Dienstjackentasche herum, bis er die Wagenschlüssel herausholte, die er vorhin Tatsuki beim Herauskriechen abgenommen hatte.

Als Douto die Schlüssel sah, begann er umso mehr verzweifelt an das Fenster zu klopfen. Seine gedämpften Schreie zeigten, dass er ganz genau wusste, was sein Vorhaben war.

„Jetzt glaube ich wirklich, du hast es verdient."

Tschück! Wwwwww…

Die Wagenlichter vorne und hinten begannen zu blinken und der Wagen machte ein Geräusch.

„Machs gut, Douto Watamine.", sagte er und verschwand hinter dem dichten Staub der Trümmer.

Eine Weile später fanden Polizisten die Unfallstelle und die Leiche von zwei anderen Polizisten und Herrn Watamine, der bei der Autoexplosion ums Leben kam. Der Wagen riss einige Besucher mit sich, von denen einige sehr schwer verletzt wurden und zwei Menschen starben. Spuren um Kousho Ebata's Verbleiben gab es keine. Man fand jedoch heraus, dass beide Polizisten eine Hand mit fünf ausgestreckten Fingern hinterließen.

—-

„Da bist du ja endlich, wo hast du gesteckt?", fragte Vermillion wütend. Sie befanden sich momentan auf dem zweiten Stockwerk in der Einkaufshalle.

Hive antwortete nicht.

„Jedenfalls haben wir keine Zeit und können hier länger nicht bleiben. Irgendjemand ist uns noch auf den Fersen."

Keine Antwort.

„Steh nicht so blöd rum und sag etwas."

„Was denn?", murmelte er, sichtlich genervt.

Vermillion sah sein Gesicht.

„Du siehst müde aus."

„Das bildest du dir ein. Gehen wir.", sagte er und wollte an ihr vorbei, doch sie blieb standhaft.

„Hast du etwas angestellt?"

Das brachte Hive zum Stillstand.

„Noch ein weiteres Wort von dir und ich…"

Er hielt sich zurück. Vermillion verengte die Augen.

„Gehen wir.", murmelte er und schob sie beiseite.

„Drecksack…", maulte sie und ging ihm hinterher.

Warum verhielt er sich so ihr gegenüber? Ist etwas über ihn dort oben durchgesickert? War die Polizei bei ihm? Haben sie ihn durchsucht?

„Hast du es noch bei dir?", fragte sie.

„Habe ich."

„Haben sie dich…?"

„Haben sie nicht."

Als würde er ihre Gedanken lesen. Vermillion wusste nicht, was sie darauf antworten konnte. Irgendetwas hatte ihn schlagartig verändert und das war sehr ungewöhnlich für ihn.

„Hive, hör zu, ich…", versuchte sie, doch Hive winkte ab.

„Lass mich einfach in Ruhe.", murmelte er und betrat die Rolltreppe.

Keiner der beiden sagte ein Wort, während die beiden die Rolltreppe auf dem ersten Stockwerk verließen und die nächste Treppe Richtung Erdgeschoss betraten. Vermillion versuchte etwas hinzuzufügen, aber ihr fiel nichts ein, was sie ihm sagen konnte, bis…

„Hive… ich…"

„Sieh doch, da unten!", hörten sie plötzlich die Stimme eines Kindes.

Hive erkannte diese Stimme…

„Vermillion, keine Bewegung. Schau dich nicht um.", sagte er, als er eine Gruppe von Kindern auf dem vierten Stock erblickte, die die Rolltreppen nach unten führen.

„Wovon redest du eigentlich?", fragte sie verwundert.

„Tu was ich sage, okay?", sagte er und sah sich heimlich um, ohne den Kopf zu drehen.

Die Kinder und der alte Mann waren da, aber wo zum Teufel war der Jung-?

…und sah, dass der Junge sich von der Gruppe dort oben losgerissen hatte und jetzt so schnell wie er nur konnte die Rolltreppen an den Besuchern vorbei hinunter rannte.

„Scheiße…", murmelte Hive.

Dem Jungen folgte das Oberschulmädchen von vorhin, woraufhin er schnell reagierte und sich Vermillions Hand schnappte.

„Verdammt, los bewegen wir uns, schnell.", befahl er und versuchte die Rolltreppen so schnell wie möglich zu verlassen.

„Hive, was ist…?"

„Ich kann es dir jetzt nicht im Detail erklären, aber dieser Junge ist gefährlich. Am Besten verschwinden wir von hier."

„Der Junge? Aber warum…?"

„Hast du mir nicht zugehört? Dieser Junge ist gefährlich! Und jetzt nimm deine verdammten Beine in die Hand und lauf!", rief er und zog an ihrem Arm, während sie lauter Besucher aus dem Weg schoben. Kurz darauf verließen sie die Rolltreppen und liefen zu den Aufzügen.

Währenddessen war ihnen Conan nah auf den Fersen und sprang von einer Rolltreppenreling zur nächsten, die sich unter ihm befand, damit er eine Abkürzung nehmen konnte.

Als er im Erdgeschoss ankam, erblickte er die beiden im Aufzug, der just in diesem Moment die Türen schloss.

„Mist, die wollten wahrscheinlich zur Tiefgarage.", schlussfolgerte er und schaute sich nach einer Alternative um. Irgendwo müsste hier ein Eingang ins Treppenhaus sein.

Lange brauchte er nicht zu suchen, als er auf der gegenüberliegenden Seite der Halle die Tür dazu fand, sie öffnete und die Treppen hinunter stürmte.

U1 -

U2

U3

Das erste Untergeschoß blinkte im Aufzugdisplay auf.

„Erster Stock. Untergeschoß.", gab sie Stimme aus dem Aufzug an.

„Erklär mir jetzt doch bitte, was hier los ist?", fragte Vermillion verwirrt.

„Der Junge ist sehr intelligent. Ich hatte schon befürchtet, dass er etwas über uns weiß."

„Und was denn?"

„Ich habe nicht den leisesten Schimmer."

„Ja, wenn du dann keine Ahnung hast, warum rennst du vor ihm weg?"

„Vorhin ereignete sich ein Mordfall und ich wurde in die Situation mit einbezogen. Doch der Junge hat diesen Fall dann gelöst, indem er die Stimme des alten Mannes bei ihnen mit Hilfe eines Gerätes imitiert hatte. Dieser Junge ist kein gewöhnlicher Grundschüler, glaub mir."

„Ich verstehe immer noch nicht ganz."

„Musst du auch nicht."

„Erster Stock. Untergeschoß. Türe öffnen.", sagte die Stimme erneut und die Türen öffneten sich.

„Ich wusste es!", rief Hive, als er durch den sich öffnenden Türspalt sah, wie der kleine Junge aus dem Treppenhaus stürmte und zu ihnen rannte. Er erkannte auch auf seiner Armbanduhr ein weiteres Gerät, mit dem Conan, während er auf sie zulief, auf ihn zielte.

Pragmatisch hämmerte er förmlich auf die Aufzugknöpfe ein, bis die Tür sich endlich vor dem Jungen schloss, bevor er ihnen zu Nahe kommen konnte.

„Türe schließt.", sagte die Aufzugstimme.

U1

U2

U3 -

„Verdammt!", rief Hive und begann, wie wild um sich zu drehen, als würde er nach etwas suchen.

Vermillion entdeckte es hinter ihm weiter unten auf seiner Jacke und nahm es in die Hand. Es war ein Aufzeichnungsgerät und Peilsender.

„Er hat uns abgehört?", fragte Vermillion lautlos in deutlichen Mundbewegungen und Hive nickte.

„Wie sonst hätte er wissen können, zu welchem Stockwerk wir müssen.", antwortete er mit der gleichen Methode.

„Und was machen wir jetzt?"

Hive nahm sein Gerät aus der Jackentasche und sagte in Mundbewegungen: „Ich habe einen Plan."

„Du willst ihn umbringen? Bist du bescheuert?"

„Was bleibt mir anderes noch übrig? Das ist unsere einzige Chance."

„Tu es nicht. Wir töten keine Kinder."

„Der Junge ist lange kein Kind, so intelligent, wie der ist."

„Ist mir egal, leg ihn schlafen oder so, aber bring ihn um Gottes Willen nicht um."

Hive antwortete nicht.

—-

„Conan!", rief Ayumi hinterher, als sie die Tür zum Treppenhaus öffnete und die Treppen hinunter lief.

„Ayumi, bleib zurück! Komm nicht runter!", hörte sie ihn von unten sagen.

„Aber was ist mit…"

„Bitte, Ayumi! Es ist nur zu deiner Sicherhe… uhh…"

Ein lautes dumpfes Geräusch war von unten zu vernehmen. Dann weitere kleine Geräusche, als würde etwas die Treppen runterfallen.

„Conan!", rief sie erneut und ihre Stimme hallte durch das Treppenhaus, doch erhielt keine Antwort. Panisch rannte die Treppen hinunter. Wurde er verletzt? Haben diese beiden ihn erwischt?

„Conan, bitte sag etwas!"

Als sie unten ankam, sah sie Conan reglos vor ein paar Treppenstufen liegen. Auf dem Boden befanden sich leichte Blutspuren, die sie bemerkte, während sie sich ihm hastig näherte.

„Nein… bitte sag doch etwas…", flehte sie und hob seinen Kopf. Er blutete an der Stirn und das Blut floss auf ihre Handfläche. Sie betrachtete das Blut auf ihrer Hand, die zu zittern begann. Es war genau wie vor fast einer Woche. Dieser stechende Geruch von Metall und Eisen…

„Conan! Bitte! Ich brauche dich…!", rief sie verzweifelt, doch Conan antwortete nicht.

Sie sah sich um und fand seine Brille auf dem Boden liegen.

Ayumi hob sie auf und sah ein grünes Display mit einem Radar aufleuchten, das ihr seltsam vorkam. Der grüne Punkt, der aufleuchtete, musste wahrscheinlich eine der beiden Personen sein. Und in der Mitte des Kreuzes befand sich der Träger.

Ihre Hände begannen zu zittern, als sie angespannt beobachtete, wie der grüne Punkt immer näher zur Mitte kam…

„Nein… bitte nicht…", weinte sie leise.

BAMM! BAMM!

Jemand hämmerte an der Treppenhaustür der U3 Parkgarage.

„Hey, bist noch wach, Junge?", ertönte es gedämpft von der anderen Seite.

Ayumi erschrak und verstummte vor lauter Angst sofort. Das war die gleiche Stimme des Mörders von letzter Woche.

Das Herz rutschte ihr in die Knie und sie geriet in eine Schockstarre.

Nein, nicht schon wieder. Nicht wie vor ihrer Wohnungstür.

Sie hielt sich den Mund zu, um nicht loszuschreien und begann, wild zu keuchen, so leise wie möglich.

„Tu nicht so, als würdest du auf mich warten. Wenn ich rauskomm, drück ich ab, hast du verstanden?"

Ayumi hielt sich die Ohren zu und schloss ihre tränenden Augen, während sie den bewusstlosen Conan hilflos enger an ihre Brust drückte. Sie hyperventilierte und ihr wurde langsam schwindelig.

„Hhhha…"

Was würde Conan tun?

Er reagierte nicht.

„EY! AUF DREI MACH ICH DIE TÜR AUF UND KNALL DICH DANN AB, HAST DU GEHÖRT, DU KLEINER SCHEIẞER?!"

Was würde Conan tun?

„Ahhh…"

Er lag bewusstlos auf ihrer Schulter.

„DREI!"

Was würde Conan tun?

Er blutete aus seiner Stirn.

„Khhhaaa…"

Was würde Conan tun?

„ZWEI!"

Was würde Conan tun?

Was wür-

„EINS!"

(Conan schweifte zu Ayumi und ihre Blicke trafen sich.)

(„Was wirst du tun?", fragte er.)

Was würde… Ayumi tun?

„Ich würde…"

Wiiiiieeeee…

Sie spürte mit Verwunderung, wie ihre mit Blut vertrocknete Hand plötzlich vibrierte. Die Realität um die beiden herum verblasste langsam.

„Du wolltest es nicht anders!", rief Hive und schlug die Eingangstür auf. Er richtete die Pistole auf die Treppe und drückte mehrmals ab.

– Kapitel 29 ENDE –