IV

"Feiglinge, Ihr alle…!"

M:"Tja, ich würde sagen, Tifa stand noch ziemlich unter Schock."

C:"Ja, das war sie. Aber wen wundert's. Ich war halt in gewisser Weise geübt darin, einem Lebewesen das Leben zu nehmen. Und ja, bin halt wirklich nicht stolz drauf."

M:"Oh man. Aber du hattest sie dort zum ersten Mal anders wahrgenommen?"

C:"Ja, wir wurden halt allmählich Älter. Da verändert man sich."

M:"Uh, keimten dort die ersten Gefühle für Tifa auf?"

C:"Hm ich war dort zwar erst 10, kann aber dennoch so sein. Jedenfalls war es schon ein wenig aufregend."

M:"Hattest dich ertappt gefühlt?"

C:'verschränkt die Arme vor der Brust und überlegt' "Ein bisschen vielleicht." 'lockert sich wieder und nimmt einen kräftigen Schluck Wasser aus seinem Glas.

"Einige Wochen später erkrankte Tifa's Mutter schwer und starb ganz plötzlich."

M:"Oh nein. Arme Tifa."

C:"Ja, es hatte Tifa sehr getroffen. Sie war eine ganze Zeit so sehr mit Trauern beschäftigt, dass sie selten rauskam. Verständlicherweise."

'überlegt kurz wie er weiter erzählen soll, ohne Tifa zu verletzen'

"Unsere Eltern erzählten uns Kindern immer gruselige Geschichten, dass die Verstorbenen in den Nibelgebirgen spuken würden und uns Kinder heimsuchen würden, wenn wir uns in die Berge wagen würden. Nur um uns Angst zu machen, da die Berge steil und rutschig waren. Also eine große Gefahr für uns Kinder. Doch einige der Kinder fingen an, Tifa seltsame Dinge einzureden, sie könnte ihre Mutter dort noch einmal besuchen und ihr noch ein paar letzte Worte sagen, die sie ihr nicht mehr sagen konnte. So ein Quatsch. Frage mich noch heute, wer ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte."

M:"Und Tifa hatte in ihrer tiefen Trauer den Worten geglaubt. So gemein von denjenigen, ihre schmerzliche Lage so auszunutzen.

C:"Ja, das Problem war, dass es uns Kindern strengstens verboten war, den Berg zu betreten. Allein die Brücken waren brüchig und nicht sicher. Abgesehn davon das der Reaktor sich dort befand und viele Monster dort ihr zu Hause nannten."

M:"War ihr in dem Moment aber sicher alles egal. Aber erzähl und bitte, was geschehen ist."

Nach dem Tifa ihre Trauer einigermaßen überwunden hatte, suchte sie wieder Kontakt zu den anderen und wagte sich wieder nach draußen. Nur ihr Kater war unverändert ein Ausreißer und Abenteurer und streunerte durch die Gegend. Auch ich war mal wieder in den Wäldern unterwegs und entdeckte ihn. Friedlich saß er dort im Gras und putzte sich.

'Sei vorsichtig kleiner Ausreißer. Ich hab dich gleich.'

Ich ließ es mir nicht nehmen und schlich mich an ihn ran.

Leise.

Vorsichtig.

Sprang ich auf ihn und packte den Kater am Nacken und zog ihn hoch.

"Aufpassen Kleiner. Ich sagte doch, ich hab dich gleich.", entgegnete ich ihm siegessicher und grinste ihn frech an. Er beschwerte sich und fauchte mich an und ließ seine Pfoten nur so um sich fliegen. Doch ich hielt ihn fest am Nacken, da hatte er eh keine Chance, was ihm so überhaupt nicht gefiel. Ich erbarmte mich und legte ihn sanft in meine Armbeuge und begann ihn zu kraulen. Dies gefiel ihm deutlich besser, denn er fing an zu schnurren.

"Du solltest dich ab und an mal zu Hause blicken lassen, denn du wirst schmerzlich vermisst.", rügte ich ihn, während ich ihn weiterhin kraulte und mich langsam auf den Weg nach Hause machte.

Zu Hause angekommen, hatte meine Mutter das Essen schon fertig und bat mich, den Tisch zu decken. Als sie den Kleinen in meiner Armbeuge sah, war sie etwas überrascht und fragte, was das sei?

"Ich glaube, das ist Fluffy."

"Tifa's Kater?", erkundigte sich meine Mutter und begann den Kleinen ebenfalls zu streicheln.

"Du solltest ihn zurückbringen. Sie wird sich bestimmt freuen, wenn du ihn bringst."

Schockiert schaute ich meine Mutter an. Meinte sie es ernst?

"Ich? Warum Mama.", nörgelte ich rum.

"Warum denn nicht?", neckte sie mich lächelnd.

"Muss ich noch was dazu sagen Mama? Mr. Lockhart ist nicht so gut auf mich zu sprechen, schon vergessen?", erinnerte ich sie daran, was vor wenigen Wochen passiert war.

Sie seufzte und rollte die Augen, aber sie verstand was ich meinte. Also riss sie den Kleinen aus meinem Arm und legte ihn in ihren. Sie erbarmte sich und übernahm es für mich, dafür deckte ich den Tisch und wartete auf ihre Rückkehr.

'Ob Mama ihr sagt, dass ich ihn gefangen habe? Wie gern wäre ich jetzt dabei und könnte das Strahlen ihrer Augen sehen, weil sie sich so sehr freut, Fluffy wieder zu haben.'

Meine Mutter war nicht lange weg, aber ich erkundigte mich als erstes, ob Tifa etwas gesagt hatte.

"Da kann es jemand nicht abwarten zu hören, was die kleine Tifa gesagt hat.", sagte sie grinsend und setzte sich an den Tisch.

Erwartungsvoll schaute ich meine Mutter an und wartete ungeduldig. Sie erzählte mir, dass sie sich gefreut hatte, aber sie war sich sicher, dass sie sich mehr gefreut hätte, wenn ich dort gewesen wäre. Auch mit Mr. Lockhart hatte sie gesprochen und ihn dazu ermutigt, die ganze Sache nicht zu ernst zu nehmen.

"Habe ihm außerdem erwähnt, dass du es warst, der den Kater gefunden hat und Heim brachte. Und als er sah, wie sehr Tifas Augen dabei strahlten, bedankte er sich aufrichtig für deine tolle Geste. Ich denke, das lässt ihn nicht mehr so hart sein, dir gegenüber."

'Tifa hatte sich also wirklich gefreut. Wie gerne hätte ich ihre Freude selbst gesehen.'

Ich freute mich sehr, dies zu hören und lächelte zufrieden. Meine Mutter sah, wie glücklich es mich machte.

"Vielleicht müsst ihr zwei euch nicht mehr heimlich treffen."

"Mama, das tun wir doch gar nicht.", entgegnete ich ihr und konnte ein Rotwerden nicht ganz unterdrücken. Sie lachte als sie es bemerkte.

"Schatz, ich bin nicht blind."

'Erwischt. Mama kann ich wirklich nichts vormachen. Sie kennt mich halt am besten.'

Sie muss mitbekommen haben, dass Tifa mich in letzter Zeit öfters an meinen Lieblingsplätzen besuchte. Wie neulich, als ich auf dem Feld hinter der Chocobo Ranch im Gras ein Nickerchen machte. Oder hatte meine Mutter ihr sogar verraten, wo ich steckte? Sehr wahrscheinlich, denn sie war die einzige, die es wusste. Wir aßen gemütlich zu Abend und ließen den Tag in Ruhe ausklingen. Doch in dieser Nacht schlief ich sehr unruhig und träumte lauter wirres Zeug.

Am nächsten Morgen war viel Tumult draußen im Dorf. Irgendwas war in Gange. Ich ging hinaus und suchte den Platz vor unserem Haus ab.

'Wen oder was genau suche ich überhaupt?'

Eines der anderen Mädchen kam ganz aufgebracht auf mich zu.

"Cloud, bitte du musst mitkommen. Tifa ist…"

Einen Augenblick lang hielt ich die Luft an.

'Was ist mit Tifa?'

Das Mädchen erklärte mir, dass sie auf dem Weg war, den Nibel rauf zugehen.

'Was will sie da? Was hat sie vor?'

Ich zögerte nicht, rannte los, so schnell ich konnte. Das Mädchen rannte mit mir und erklärte mir alles.

'Warum erzählt man Tifa so eine scheiße. Gerade jetzt. Wie kann man ihr in ihrer Gefühlslage sowas eintrichtern. Wer das war, sollte mir nicht in die Fingern kommen.'

Ich hatte da so eine Vermutung, die sich später noch bestätigen wird. An der Brück angekommen, war Tifa schon auf halber Strecke und hing über der Tiefe der Schlucht.

"TIFAAA!", rief ich, doch sie schien mich schon nicht mehr zu hören.

Die anderen Kinder standen nur da und schauten dumm aus der Wäsche. Auch Emilio selber stand angewurzelt da und schaute stumm und verängstigt zu Tifa.

"Wer von euch hat sie dazu getrieben?!", brüllte ich und schaute in die Runde. Nichts als schweigen und verschämte Blicke, die zu Boden neigten. Keiner von diesen Feiglingen traute sich zu äußern.

"Seht euch an, was ihr gemacht habt und keiner von euch begleitet sie?!", schrie ich nun und zerrte einen der Jungs an die Brücke. Er bibberte und machte sich fast in die Hose als er die Tiefe der Schlucht erblickte.

'Feigling!'

Die Brücke begann zu schwingen und zu knacken. Wie es aussah, wollte sich keiner erbarmen, um Tifa zurückzuholen.

"Feiglinge, Ihr alle…!", knurrte ich und atmete einmal tief durch, um den ersten Schritt auf die Brücke zu wagen, bis mich plötzlich jemand am Arm festhielt.

"Cloud nicht, ihr stürzt sonst beide in die Tiefe.", versuchte eines der Mädchen, mich davon abzuhalten, Tifa in den Tod nachzulaufen. Ich riss mich los und schaute sie finster an.

"Lass mich, wenn ich es nicht tue, tut es keiner."

Wieder knackte die Brücke und begann zu schwingen. Auch die Seile, die auf Spannung waren, drohten zu reißen. Ich sprintete los und schrie nach Tifa. Dann hörte sie mich und drehte sich um. Es war ein Fehler von mir los zu rennen, denn dadurch war zu viel Bewegung auf der Brücke. Ich sah noch, dass sie meinen Namen rief, bevor ihr im nächsten Moment die Brücke unter den Füßen wegriss.

Ich sprang im letzten Moment auf sie zu, hielt mich mit meiner linken Hand am Seil fest, welches die Brücke noch etwas zusammenhielt und versuchte mit meiner rechten Hand nach ihrer Hand zu greifen. Doch sie entglitt mir und stürzte auf dem Felsvorsprung unter uns.

'Scheiße verflucht. Tifa.'

Ich schaute zu ihr und hoffte, dass sie atmet. Doch sie regte sich nicht. Also schrie ich nach ihr, während ich mich noch am Seil festhielt, was auch sehr auf Spannung war.

'Scheiße, warum reagiert sie nicht!'

Das Seil, an dem ich hing, drohte zu reißen. Ich schaute zu den anderen rüber. Schock stand ihnen im Gesicht geschrieben. Im Augenwinkel sah ich noch wie Emilio davon rannte, bis das Seil nachgab und ich ebenfalls hinunter stürzte.

"CLOUD!", schrien die anderen Kinder.

Ich konnte meinen Sturz einigermaßen abrollen und landete neben Tifa. Fassungslos starrte ich sie an.

"Tifa…?", flüsterte ich und stupste sie an. Doch sie reagierte nicht.

'Scheiße tut das weh…'

Es gelang mir, mich aufzusetzen, also zog ich Tifa in meine Arme. Sie sah übel aus, denn ihr Gesicht war übersät mit Schürfwunden und ihr rechtes Bein lag in die falsche Richtung.

Tränen flossen über meine Wangen. Ich flehte sie an aufzuwachen. Ihr zerzaustes Haar strich ich ihr aus dem Gesicht und nahm sie fester in den Arm. Da spürte ich einen Hauch an meinem Ohr. Sie atmete.

'Du lebst. Tifa… du lebst.'

Erleichtert darüber, dass sie am Leben war, drückte ich sie ganz fest an mich und weinte. Ich weinte, weil ich so froh war, dass sie lebte. Unter Schock und Schmerzen stehend begann ich, sie in meinen Armen zu wippen. Wirre Worte begann ich ihr zu sagen. Zum einen aus Erleichterung, dass sie den Sturz überlebt hat und zum anderen weil ich von mir enttäuscht war, dass ich sie nicht davor schützen konnte.

Plötzlich griff die Hand eines erwachsenen Mannes nach Tifa und wollte sie mir aus den Armen reißen. Aus Schreck umklammerte ich sie so fest und wollte sie nicht loslassen.

"Lass los, ich hab sie." vernahm ich die Stimme ihres Vaters.

"Sie lebt, Sir.", sagte ich, als ich zu ihm aufblickte. Er war erleichtert, das zu hören, aber sein Blick war kalt. Es gefiel ihm nicht, dass ich sie so fest hielt.

"Was hast du dir dabei gedacht, Junge."

Schockiert schaute ich ihn an und bekam kein Wort heraus.

'Ich?'

"Wie kommt man auf die Idee, Tifa so einen Mist zu erzählen?!", rügte er mich. Er war wirklich sauer.

'Ich soll ihr welchen Mist erzählt haben?'

Wieder war ich sprachlos und sagte nichts.

"Junge, kannst du aufstehen?"

Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass er mich nun nach meinem Zustand fragte.

"Äh ja, ich denke schon."

Vorsichtig stellte ich mich auf die Füße. Es schmerzte höllisch, doch ich ließ es mir nicht anmerken und folgte Mr. Lockhart, der mit Tifa im Arm an dem Seil die Felswand hinauf kletterte. Als wir wieder oben waren, fragte einer der Erwachsenen besorgt nach Tifa's Zustand. Mr Lockhart erklärte, dass sie lebe, aber dringend zum Doktor muss, da sie keine Reaktion zeigte. Alle machten ihm den Weg frei und ließen ihn schnellstmöglich ins Dorf zurückkehren. Doch mir schenkte man keinerlei Beachtung. Warum sollten sie es tun? Laut Mr. Lockhart schien ich derjenige gewesen zu sein, der Tifa diese Flausen ins Ohr setzte. Ich blieb zurück und hoffte, dass mit Tifa nichts Schlimmeres sei.

'Es tut mir so unendlich leid, Tifa. Ich habe versagt.'