Kapitel 1

Ein stechender Schmerz lähmte ihn. Überrascht senkte er seinen Blick und legte die zitternde Hand auf seinen Bauch. Alles war voller Blut. Eisige Kälte begann durch seinen Körper zu kriechen und ließ ihn erzittern. Verwirrt sah er sie wieder an, doch ihre Gesichtszüge verschwammen vor seinen Augen.

„Wa-rum?", röchelte er.

Er geriet ins Taumeln, konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten und stolperte nach hinten. Er spürte einen dumpfen Schlag auf dem Hinterkopf, als er gegen den Esstisch prallte. Durch den höllischen Schmerz, der von seiner Körpermitte ausging, nahm er ihn jedoch kaum wahr. Immer dunkler wurde die Welt um ihn herum. Er wollte wieder aufstehen, schaffte es nach irgendetwas in seinem Umfeld zu greifen, doch er hatte kaum Kraft sich hochzuziehen, geschweige denn das Gewicht auf seine Beine zu verlagern.

Dann wurde er von vollkommener Dunkelheit und Kälte umhüllt.


Saori hatte Kaito noch nie so bleich und gebrochen gesehen, als in dem Moment, als sie ihn gemeinsam mit Yagami und Hoshino mitten in der Nacht wartend vor dem OP entdeckte. Er saß regungslos da und starrte vor sich hin, während Mikiko besorgt neben ihm seine Hand hielt. Als sie die drei kommen sah, stahl sich ein schwaches Lächeln auf ihr Gesicht.

„Wir kamen so schnell wir konnten", erklärte ihnen Yagami. „Wie lange ist er schon da drin?"

„Über eine Stunde", erwiderte Mikiko. Sie wollte noch mehr sagen, aber verstummte mit einem Seitenblick auf Kaito.

Dessen Lippen begannen gefährlich zu zittern. Tränen rollten plötzlich über seinen Wangen und er vergrub schluchzend das Gesicht in den Händen. Saori konnte sich nicht erinnern, ob sie Kaito jemals hatte weinen sehen. „Es waren drei Messerstiche. Sie haben gesagt, dass er sterben könnte."

Mikiko legte ihren Arm um ihn und streichelte sanft über seinen Rücken. Ihr standen ebenfalls die Tränen in den Augen.

„Weiß man was passiert ist?", fragte Yagami vorsichtig.

„Seine Nachbarin hat ihn wohl verletzt in seiner Wohnung gefunden. Sie hat sich bei ihm über die Lautstärke beschweren wollen und gemerkt, dass die Tür offenstand", erklärte Mikiko. „Mehr weiß man bisher noch nicht."

„Wenn er stirbt, wird dieses Schwein bluten", murmelte Kaito. „Das schwöre ich."

Saori konnte Kaitos Verzweiflung nachempfinden. Higashi war sein ältester Freund und eine Art kleiner Bruder für Kaito. Für ihn hatte immer an erster Stelle gestanden ihn zu beschützen und jetzt kämpfte gerade dieser mit seinem Leben.

„Gibt es noch Familie, die vielleicht benachrichtigt werden soll?", wollte Saori wissen.

Kaito schüttelte den Kopf. „Higashi ist bei seinen Großeltern aufgewachsen. Sie starben, als er gerade so auf eigenen Beinen stehen konnte."

„Dann werde ich euch etwas zu essen und trinken besorgen. Ihr seht aus, als könntet ihr eine kleine Stärkung vertragen."

„Danke, Saori."

Gemeinsam mit Hoshino machte sich Saori auf die Suche nach dem nächsten Snack-Automaten. Als die beiden mit vollen Händen zurückkamen, erlosch gerade das Licht im OP-Saal und wenige Augenblicke später kam ein erschöpft wirkender Arzt auf sie zu. Kaito sprang sofort auf. „Wie geht es ihm?"

„Ich nehmen an, Sie sind die Familie von Toru Higashi", sagte der Arzt, wartete aber nicht ihre Antwort ab. Da weit und breit niemand hier war, war es offensichtlich. „Er hat fürs Erste das Schlimmste überstanden. Er hat Glück gehabt, dass keine Organe verletzt worden sind. Es werden nur ein paar unschöne Narben am Bauch bleiben. Allerdings hat er viel Blut verloren. Wir mussten ihn ins künstliche Koma legen. Jetzt können wir nur hoffen, dass er bald wieder aufwachen wird."

Augenblicklich wich alle Anspannung von ihnen. Kaito kämpfte abermals mit den Tränen, dieses Mal waren es aber Tränen der Erleichterung. „Ich danke Ihnen, Herr Doktor", sagte er schniefend und verbeugte sich vor dem Arzt. „Vielen Dank!"

„Wir werden ihn gleich auf die Intensivstation bringen. Sie sollten nach Hause gehen. Sie sehen so aus, als würden Sie alle den Schlaf brauchen."

Der Arzt verabschiedete sich von ihnen. Entgegen seines Rates sah Kaito aber nicht so als, als würde er jetzt an Schlaf denken. Ganz der Privatdetektiv, sah er Yagami grimmig an. „Wir sollten in seiner Wohnung vorbeischauen."

Der nickte sofort entschlossen.

„Es ist zwei Uhr morgens. Glaubst du nicht, dass du dich erst mal ausruhen solltest?", fragte Mikiko Kaito besorgt.

„Je eher wir vorbeischauen, desto besser", mischte Yagami sich ein. „Die Polizei hat den Tatort sicher auch bereits gesichert."

„Mikiko hat Recht", warf Saori ein. „Außerdem könnt ihr tagsüber auch die Nachbarin befragen. Ich werde sehen, was ich bei der Polizei in Erfahrung bringen kann. Wir sollten uns am Nachmittag in der Kanzlei treffen."

Das überzeugte Kaito nun tatsächlich. Er seufzte erschöpft und ließ ergeben die Schultern sinken. Mikiko hackte sich erleichtert bei ihm ein. „Lass uns nach Hause gehen."


„In seiner Wohnung war nichts zu finden. Ein bisschen Chaos und nur jede Menge Blut. Es sah aber nicht nach einem Einbruch oder Kampf aus", erklärte Yagami am nächsten Tag in Gendas Kanzlei und lehnte sich in dem Ledersessel zurück. „Wir konnten aber auch keine Anzeichen für einen Diebstahl erkennen."

„Die Polizei geht auch nicht von einem Raubüberfall aus", erklärte Saori. „Man hat zwei leere Weingläser sichergestellt. An einem war Lippenstift."

Überrascht hob Kaito die Augenbraue. „Es war eine Frau?"

„Es könnte natürlich sein, dass Higashi noch nicht aufgeräumt hatte, aber seine Besucherin wird aktuell als Tatverdächtige nicht ausgeschlossen. Sie haben Fingerabdrücke genommen, aber in der Datenbank keinen Treffer gefunden. Hat er denn eine Freundin?"

Kaito schüttelte den Kopf. „Nicht das ich wüsste. Er hätte mir das garantiert erzählt."

„Vielleicht ist sie auch eine neue Bekanntschaft", sagte Hoshino. „Bis Higashi aufwacht, sollten wir versuchen sie zu finden."

„Habt ihr die Nachbarin angetroffen?", wollte Saori wissen.

„Ja, und das war in der Tat merkwürdig. Vielleicht war es die falsche Nachbarin, aber sie hat nicht den Notruf gewählt, sondern geschlafen und nicht davon mitbekommen was passiert ist. Wir haben im Haus jeden befragt, den wir angetroffen haben. Kann natürlich sein, dass uns da auch jemand durch die Lappen gegangen ist, weil er gerade nicht Zuhause war."

Saori legte die Stirn in Falten. „Vielleicht ein abwegiger Gedanke, aber wenn ihn eine Frau angegriffen hat, könnte sie auch den Notruf gewählt haben?", überlegte sie und sah fragend in die Runde.

Hoshino sah nicht überzeugt aus. „Dann hat sie es bereut?"

Saori zuckte mit den Achseln. „Oder es war ein Unfall?"

„Ausgeschlossen." Yagami schüttelte den Kopf. „Drei Stiche können kein Unfall gewesen sein."

Kaito seufzte. „Higashi ist auf jeden Fall zu lieb um Feinde zu haben. Außerdem wissen wir alle, dass man ihn nicht einfach so überwältigen könnte. Er muss also überrascht worden sein."

„Was wiederum die These unterstützen würde, dass es die Frau mit dem Lippenstift auf dem Weinglas war", sagte Saori. „Er war unterwegs, die beiden haben sich kennen gelernt, verbrachten einen schönen Abend miteinander, gingen zu ihm, es kam aus einem unerfindlichen Grund zum Streit und sie griff ihn an."

„Oder sie haben sich online kennen gelernt?", meinte Hoshino.

Kaito schüttelte den Kopf. „Niemals. Er würde sich nicht die Mühe machen. Dafür ist er generell erfolgreich genug."

„Dann klappen wir erst mal seine Stammbars ab", beschloss Yagami. „Irgendjemand wird uns ja sagen können, ob man ihn kürzlich mit einer Frau gesehen hat."


Die Tage verstrichen und die Suche nach Higashis weiblichen Bekanntschaft blieb ergebnislos. Es war frustrierend nichts tun zu können, sondern lediglich darauf zu warten, dass Higashi endlich aus dem Koma erwachte. Mittlerweile trafen sie sich jeden Nachmittag zur Lagebesprechung, aber drehten sich dabei nur im Kreis.

„Ich habe darüber nachgedacht was passiert, wenn Higashi entlassen wird", sagte Kaito nach einigen Treffen. „Er sollte nicht in seine Wohnung zurück. Wenn man es wirklich auf ihn abgesehen hatte, wird man es wieder versuchen."

„Dieses Mal würde er sich aber nicht mehr so leicht überraschen lassen", meinte Hoshino.

„Er ist aber schwer verletzt. In seinem Zustand sollte er dort nicht sein." Kaito senkte traurig den Kopf. „Ich hätte gerne, dass er bei mir bleibt, aber ich kann Mikiko und Jun da nicht mit reinziehen."

Es wurde still zwischen ihnen. Dass Higashi auch nicht in Yagamis kleiner Detektei bleiben und sich dort auf der Couch einquartieren konnte, wusste ebenfalls ein jeder und Hoshino und Higashi standen mehr oder weniger auf Kriegsfuß miteinander. Das würde sicherlich seiner Gesundheit ebenfalls nicht gut bekömmlich sein.

„Ich habe ein Gästezimmer", erklärte Saori.

„Ausgeschlossen." Hoshino sah sie entsetzt an. „Dir könnte etwas passieren!"

„Wir erzählen niemandem davon. Ich melde mich morgens und abends bei euch, damit ihr wisst, dass alles gut ist. Telefonisch natürlich."

Kaito sah Saori erleichtert und voller Dankbarkeit an, doch Hoshino knirschte mit den Zähnen und seine Augen funkelten wütend. „Dann soll er bei einem seiner Yakuza-Kumpel unterkommen. Er hat doch genug davon! Wenn jemand mit einem Messer hinter ihm her ist, sollte er nicht bei dir zu finden sein!"

Seitdem Saori und Hoshino getrennt waren, herrschte ziemlich oft dicke Luft zwischen ihnen. Dass sie sich den gleichen Arbeitgeber teilten und dadurch keinen Abstand zueinander gewinnen konnten, trug nicht wirklich zu einem entspannteren Verhältnis bei. Saori war sich dessen bewusst, dass er Angst um sie hatte und es nur gut mit ihr meinte, aber es war ein offenes Geheimnis, dass er Higashi auch deswegen nicht leiden konnte, weil sie sich gut verstanden und er davon ausging, dass dieser eine Schwäche für sie hatte.

„Hoshino hat Recht, Saori", sagte Kaito, sah aber ziemlich niedergeschlagen dabei aus. „Das ist ein nettes Angebot, aber wir können dich da nicht mit reinziehen."

„Ich verstehe, dass ihr euch Sorgen macht, aber es gibt keine Alternative. Higashi ist ein Freund und ich möchte ihm helfen."

„Wir fragen seine anderen Freunde!", rief Hoshino.

„Nein!", widersprach Saori entschieden. „Die Sache bleibt unter uns. Er wäre fast gestorben und wir wissen nicht wer dahintersteckt. Wir können niemandem vertrauen."

Betretene Stille trat ein. Saori wusste, dass sie einen Punkt hatte. In ihrer Zahl waren sie schon immer ein gutes Team gewesen und den Kreis der Vertrauten zu erweitern ging immer mit einem gewissen Risiko einher.

„Das Thema ist damit beendet. Wir können jetzt auch nicht mehr ewig diskutieren. Ich erwarte gleich eine Klientin."

Demonstrativ stand Saori auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Just in diesem Augenblick wurde auch bereits die Tür zur Kanzlei geöffnet und eine zierliche Frau Anfang 30 kam mit scheuem Blick herein. Sie verbeugte sich zur Begrüßung und Kaito und Yagami verabschiedeten sich.


Die Stimmung zwischen Hoshino und Saori war auch einige Tage später noch zum Zerreißen gespannt. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht sie mit finsterem Blick über seinem Schreibtisch hinweg zu taxieren, doch Saori zeigte sich unbeeindruckt und ignorierte ihn konsequent. Ihr war wirklich daran gelegen Higashi zu helfen, andererseits ging es ihr gewaltig gegen den Strich, dass Hoshino versuchte Einfluss auf sie auszuüben. Sie wollte ihn nicht verletzten, aber er hat in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Bedürfnisse nicht respektiert und das Aufleben ihrer Beziehung erzwingen wollen. Saori war mittlerweile mit ihrer Geduld am Ende. Tatsächlich war es für sie beide eine so belastende Situation, dass sie schon einige Male daran gedacht hatte ihre Arbeitsstelle zu wechseln, aber diesen Schritt hatte sie bisher nicht übers Herz gebracht. Saori war sich jedoch dessen bewusst, dass die Trennung von ihr ausgegangen war und stellte daher diese Erwartung auch nicht an Hoshino.

Knapp eine Woche nach dem Angriff auf Higashi erreichte endlich alle die erleichternde Nachricht, dass er wieder aus dem Koma erwacht, die Intensivstation verlassen und ansprechbar war. Verständlicherweise durfte er jedoch nur sporadisch Besuch empfangen und nachdem die Polizei seine Aussage abgenommen hat, konnte ihn auch endlich Kaito, gemeinsam mit Saori, als seine Anwältin, besuchen.

Higashis Gesicht zierte ein leichter Bartansatz, der davon ablenkte, dass er aktuell ungewöhnlich blass war. Statt seiner üblichen Sonnenbrille trug er eine normale Brille und ließen einen guten Blick auf seine tiefen Augenringe erkennen. Generell sah er sichtlich mitgenommen aus. Er bewegte sachte den Kopf und lächelte, als er Kaito entdeckte. Es war ihm deutlich anzusehen wie viel Mühe ihn das kostete.

„Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt", beschwerte sich Kaito liebevoll bei ihm.

Higashis Lächeln wurde zu einem schiefen Grinsen. „Ich glaube, du hast etwas in den Augen."

„Allergie", antworte Kaito knapp, aber schniefte dabei lautstark. „Du weißt doch. Das elende Frühjahr."

„Natürlich."

Sein Blick glitt an Kaito vorbei zu Saori, die sich bisher stumm im Hintergrund gehalten hatte. „Shirosaki-sensei", murmelte er. „Es ist auch schön dich zu sehen."

„Wir freuen uns so, dass es dir gut geht, Higashi-san", begrüßte Saori ihn. Sie wollte nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen, aber immerhin war ihre Anwesenheit nicht nur ein reiner Höflichkeitsbesuch. „Erinnerst du dich denn daran was passiert ist?"

Kaito und Saori schnappen sich je einen Stuhl und schoben ihn zu Higashi links und rechts ans Bett, während dieser per Fernbedienung das Kopfende seines Bettes höherstellte, um die beiden besser sehen zu können.

„Ich glaube, dass ich mich noch an das meiste erinnern kann", erklärte Higashi.

„Dann weißt du auch wer dich angegriffen hat!", rief Kaito aufgeregt.

Higashi nickte. „Sie hießt Emi. Zumindest hat sie sich bei mir so vorgestellt. Wir haben uns erst an diesem Abend kennen gelernt."

„Wo habt ihr euch kennen gelernt?"

„Im Earth Angel."

„Weißt du noch wie sie aussah?"

„In meinem Alter, langes dunkles Haar, braune Augen, schlank."

Saori seufzte. „Die Beschreibung könnte fast auf jede Frau in den 30ern in Tokio zutreffen."

Higashi lächelte sie entschuldigend an. „Tut mir leid, ich bin nicht gut in sowas."

„Wir fragen die Mama, ob sie sich noch an euch erinnern kann", sagte Kaito zu Saori gewandt. „Wir waren schon im Earth Angel, aber jetzt haben wir mehr Details und vielleicht mehr Glück."

„Was ist zwischen euch vorgefallen?", wollte Saori wissen. „Warum hat sie dich angegriffen?"

Higashi legte die Stirn in Falten. Er schien angestrengt nachzudenken. „Ich weiß es nicht", seufzte er schließlich. „Ich weiß nicht was ich falsch gemacht haben könnte, aber vielleicht erinnere ich mich auch nicht mehr daran."

„Ihr hattet keinen Streit?", fragte Kaito verdutzt.

Higashi schüttelte den Kopf. „Wir verstanden uns ziemlich gut. Ich muss dazu sicher nicht mehr sagen. Sie kam mit zu mir. Wir tranken dort Wein. Irgendwann bin ich ins Bad und als ich wieder kam, wirkte sie verändert. Angespannt und aggressiver. Auf einmal rammte sie mir das Küchenmesser in den Bauch. Ich erinnere mich dann nur noch an die Schmerzen. Danach wurde alles dunkel."

„Deswegen konnte sie dich auch so leicht überwältigen. Sie hat dich überrascht", stellte Saori nüchtern fest. Mit ihrer These hatte sie also ins Schwarze getroffen.

„Wenn ich ihr irgendwie Unrecht getan oder sie mit etwas verärgert haben sollte, habe ich das nicht bemerkt. Für mich war alles super. Es war alles einvernehmlich. Sie zeigte mir deutlich, dass sie sich bei mir wohlfühlte. Ich habe sie nicht bedrängt oder ihr einen anderen Grund gegeben."

„Vielleicht ging es ihr generell nicht um dich, sondern darum irgendjemanden anzugreifen."

„Du meinst, dass sie generell aus irgendwelchen Gründen Rache wollte und er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort?", fragte Kaito.

„Vielleicht war es auch ein anderer niederer Beweggrund. Die Gründe könnten vielfältig sein, müssen aber nicht zwangsläufig mit Higashi-san zu tun haben."

„Wir ziehen aber immer noch in Erwägung, dass sie den Notarzt gerufen hat", wandte Kaito ein.

„Das stimmt. Sie könnte es ja dennoch direkt danach bereut haben. Vielleicht war sie von ihrem Handeln selbst überrascht."

„Sie hat den Notarzt gerufen?" Higashi sah die beiden verdutzt an.

„Ist nur eine Vermutung", erklärte ihm Saori. „Kaito und Yagami hatten direkt nach dem Angriff das ganze Haus befragt, aber keiner deiner Nachbarn hatte den Notarzt gerufen. Wir wissen nur, dass es eine Frau war und sie sich als Nachbarin ausgegeben hat. Sie hatte sich ursprünglich bei dir über den Lärm beschweren wollen."

„Wir waren nicht laut!", rief Higashi. „Also nicht, dass ich wüsste. Es widerstrebt mir auf jeden Fall, dass ich ihr jetzt dankbar sein soll, dass ich noch am Leben bin, nachdem sie mich erst in diese Situation gebracht hat."

„Keine Sorge, Yagami und ich werden sie finden", brummte Kaito mit grimmiger Entschlossenheit. „Es könnte immerhin auch jederzeit noch weitere Opfer geben."

„Gab es denn in den vergangenen Monaten ähnliche Fälle?", fragte Higashi.

Saori schüttelte den Kopf. „Die Polizei meinte nein, aber das hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Die Fingerabdrücke, die man vor Ort sicherstellen konnte, sind bisher zumindest in keiner Datenbank aufgetaucht. Also könntest du der Erste gewesen sein oder es wurde einfach noch keines ihrer Opfer entdeckt."

„Sobald du hier raus bist, wirst du auf jeden Fall nicht in deine Wohnung zurückkehren."

Higashi öffnete protestierend den Mund, aber Kaito ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Das ist bereits entschieden. Solange du eingeschränkt bist, bleibst du bei Saori."

Higashis Blick flog zu Saori hinüber und sie konnte deutlich sehen, wie seine Gesichtsfarbe von blass zu Rot wechselte. Es war ihm sichtlich unangenehm. „Versteht mich nicht falsch Shirosaki-sensei ist toll, aber wenn eine Verrückte mit einem Messer vor ihr steht, wird sie sie auch nicht ausknocken können."

Saori hob die Augenbraue. „Unglaublich, ich glaube, dass du noch nie mit Hoshino einer Meinung gewesen bist."

„Das ist uns bewusst", meinte Kaito zähneknirschend. „Aber wir haben nur begrenzte Möglichkeiten. Noch jemand anderen an Board zu holen ist keine Option und bei Saori hast du wenigstens ein Gästezimmer. Die Alternative wäre Yagamis Couch, also such es dir aus."

Dass Higashi natürlich nicht Yagamis Couch wählte, war ihnen allen bewusst – und das lag nicht nur an der Couch, sondern auch an Yagami. Higashi hatte eine Abneigung gegen Hoshino, aber seine Abneigung gegen Yagami war wohl noch viel größer.

Higashi gab sich geschlagen und protestierte nicht mehr. „Ich will nicht, dass du denkst ich wäre undankbar", sagte er wieder an Saori gewandt.

„Keine Sorge. Ich kann deine Bedenken schon verstehen. Kaito und Yagami werden auf uns aufpassen. Uns kann nichts passieren", erwiderte Saori zuversichtlich.


Fortsetzung folgt …