Hallo und ein großes Entschuldigung, dass es wieder mal so lange gedauert hat. Ich habe Genshin Impact für mich entdeckt und jetzt habe ich keine "Freizeit" mehr xD


Kapitel 4

Es wurde zu einer unausgesprochenen Routine zwischen Saori und Higashi miteinander das Bett zu teilen und mit jeder vergangenen Nacht neben Higashi fühlte sich Saori wohler. Eine merkwürdige Vertrautheit entstand, die so weit ging, dass sie mittlerweile von einer kuriosen Vorfreude darauf, wieder abends neben ihm zu liegen, durch den Tag begleitet wurde. Dabei sprachen sie nicht mal viel miteinander. Er war einfach da und vertrieb die Einsamkeit, von der Saori bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gewusst hatte, dass sie sie überhaupt verspürte.

Einige Nächte waren vergangenen, als Saori eines Abends wegen der kühlen Luft im Zimmer keinen Schlaf finden konnte. Erbarmungslos peitschte der Frühlingsregen gegen die Fensterscheiben und brachte sie zum Erzittern. Sie zog die Decke höher und presste sie noch enger an ihren frierenden Körper, um die Kälte aus ihren Knochen zu vertreiben.

„Ist dir kalt?", fragte Higashi.

„Bisschen."

Saori spürte, wie er sachte an sie heranrückte und plötzlich seine Decke zur Hälfte zusätzlich auf ihre legte. Bisher hatte er immer einen höflichen Abstand zwischen ihnen eingehalten. Es war das erste Mal, dass sie sich so nahe waren, dass sogar fast sein Körper zu spüren war. Überrascht drehte sie ihren Kopf zu ihm und fing seinen Blick ein. Saori stockte kurz der Atem und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Er war direkt über ihr. So nah, dass sie trotz der Dunkelheit seine Augen sehen konnte. Ihr wurde plötzlich bewusst, wie sehr sie seine warmen Augen liebte.

„Du bist so schön", flüsterte er. Sie war wie gelähmt, als er seine Hand nach ihr ausstreckte und sanft eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich. Sein Daumen wanderte zu ihren Lippen und er fuhr sachte die Konturen ihres Mundes nach.

Für einen kurzen Moment überkam Saori das Bedürfnis herauszufinden wie sich ein Kuss von ihm anfühlte und wie es war, wenn sich ihre Körper berührten, doch als sie sich ihrer Gedanken bewusst wurde, überkam sie die Nervosität.

Schnell wich sie ihm aus und drehte sich wieder auf die andere Seite. „Mach so etwas lieber nicht."

„Weil?", fragte Higashi mit ruhiger Stimme. Er ließ sich nicht beirren, überwand die letzten Zentimeter zu ihr und legte den Arm auf sie.

Schlagartig war die Kälte aus ihrem Körper vertrieben. Saori spürte nur noch ihn und Hitze. Leichte Panik keimte in ihr auf. „Du bringst mich durcheinander."

Hinter sich konnte sie Higashi dunkel lachen hören. „Tut mir leid", sagte er. „Ich kenne das Gefühl."

„Weil ich dir auch sage wie schön du bist und deine Lippen berühre?" Saori klang fast trotzig, dabei wollte sie eigentlich nur versuchen Ruhe zu bewahren und wieder lockerer zu werden.

„Weil du aus heiterem Himmel neben mir liegst, wenn ich aufwache oder mich in dein Bett einlädst."

Saoris Puls beschleunigte sich erneut, allerdings nun auch vor Verärgerung. „Das erste war ein Versehen und das zweite keine Einladung mit Hintergedanken."

Higashi blieb unbekümmert. „Das weiß ich, aber es macht etwas mit mir."

Saori schnaubte, dann konnte sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren und ihr Ärger wurde von Anspannung und Überforderung augenblicklich im Keim erstickt. Seine Hand wanderte unter die Decken und plötzlich hielt er direkt auf ihrem Bauch inne.

„Und mit dir auch?", fragte er mit rauer Stimme.

Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt ihm zu sagen, dass er sich alles nur einbildete und ihn von sich zu stoßen, aber Saoris Neugierde auf das Kommende ließ sie schweigen. Nach einigen Sekunden der Stille glitt Higashis Hand vorsichtig tiefer zum Bund ihrer Pyjamahose. Seine Finger schoben sich darunter und berührten ihre nackte Haut. Saori rannte ein wohliger Schauer über den Rücken. Seine Hand rutschte unter ihren Slip, streichelte sanft ihren Intimbereich und schließlich legten sich seine Finger auf ihren Kitzler. Er begann sie zu reiben. Saori schloss die Augen und lehnte stöhnend ihren Kopf gegen Higashi, gleichzeitig konnte sie nicht fassen, was gerade geschah. Er drang mit den Fingern in sie ein und seine andere Hand wanderte unter ihr Schlafanzugoberteil zu ihren Brüsten. Higashis Bewegungen auf ihrem Kitzler wurden immer schneller und schneller. Saori hörte sich selbst stöhnen, spürte Higashi Atem dicht an ihr Ohr gedrängt und das tiefe Verlangen nach mehr von ihm in sich. Irgendwann rauschte das Blut in ihren Ohren. Die Welle des Orgasmuses überrollte sie und ließ sie lähmend und atemlos in seinen Armen zurück.

Nach einigen Sekunden katapultierten Higashis Küsse in ihrem Nacken und seine Erektion, die gegen ihren Hintern gedrückt war, Saori allerdings wieder in die Wirklichkeit. Als sie wieder in der Lage war einen klaren Gedanken zu fassen, überkam sie Panik. Sie war noch nicht bereit die letzte Mauer einzureißen, ohne, dass sie sich vorher darüber Gedanken gemacht hatte was generell zwischen ihnen passierte.

Schnell drückte Saori ihn von sich. „Ich kann das nicht."

„Hey, alles gut." Higashi hob beschwichtigend die Hände. Er sah etwas enttäuscht und überrumpelt von ihrer Reaktion aus, wirkte aber auch so, als würde er ihr nichts übelnehmen. „Ich habe nichts erwartet."

„Das kam nur gerade so unerwartet. Ich-" Saori brach ab. Sie wollte sich erklären, aber sie wusste nicht was sie sagen sollte. Sie wusste nur, wie überfordert sie sich gerade fühlte.

„Es ist wirklich okay." Er lächelte sie an und rutschte auf seine Seite des Bettes zurück.

Plötzlich kam Saori dieser Abstand doch etwas zu weit vor und das schlechte Gewissen über ihre Abfuhr nagte an ihr. Einerseits fürchtete sie sich vor dem was geschehen war, andererseits aber auch davor ihn vollständig von sich gestoßen zu haben. „Es ist immer noch kalt", sagte sie zaghaft.

Higashis Lächeln wurde wieder breiter. Saori war dankbar dafür, dass er sie verstand, ohne, dass sie ihre Bitte laut aussprechen musste. Sachte legte er sich wieder zu ihr, achtete jedoch darauf, dass sich ihre Körper nicht mehr berührten. Nur seinen Arm schlang er wieder um sie und irgendwann schliefen beide aneinander gedrängt ein.


Am nächsten Morgen erwachte Saori eine halbe Stunde vor dem Klingeln ihres Weckers. Higashi schlief noch seelenruhig. Er hatte den Arm nicht mehr um sie geschlungen, lag aber weiterhin näher als es die Höflichkeit eigentlich gebieten würde. Saori hatte erwartet, dass sie durcheinander sein würde, allerdings hatten die Geschehnisse der vergangenen Nacht in ihrem Kopf vor allem in einem Punkt für Klarheit gesorgt: Sie begehrte ihn. Das verlangende Gefühl zwischen ihren Schenkeln bestätigte sie darin, während sie wieder daran dachte was seine Hand mit ihr gemacht hatte.

Sie rückte näher an ihn heran. Am liebsten hätte sie auch die letzten Zentimeter überwunden, ihre Finger nach seinem Körper ausgestreckt und unter sein T-Shirt und in andere Regionen gleiten lassen. Ein kleiner Teil in ihr bereute, dass sie heute Nacht kalte Füße bekommen hatte. Im Grunde sprach nichts dagegen den Dingen ihren Lauf nehmen zu lassen. Sie mochte ihn. Er mochte sie. Eigentlich klang es ganz einfach. Saori ärgerte sich über ihre nervige Eigenschaft im Vorfeld alles zerdenken zu müssen.

Higashis verschlafenes Seufzen riss Saori wieder aus ihren Gedanken. Er regte sich und blinzelte benommen gegen das schwach hereinleuchtende Sonnenlicht, während er sie ansah. „Guten Morgen", murmelte er und gähnte hinter vorgehaltener Hand verschlafen. „Es ist ganz angenehm, wenn man nach dem Aufwachen zur Abwechslung etwas anderes zu sehen bekommt als Tios Hintern."

Saori schmunzelte. „Dabei hat sie einen so hübschen Hintern."

Higashi richtete sich auf und stützte den Kopf auf dem Arm ab. „Da kenne ich schönere", sagte er mit einem kecken Lächeln auf den Lippen. Sein Blick wurde wieder so intensiv wie in dem Moment, als er ihren Mund berührt hatte und plötzlich war es, als würde er damit einen Zauber über sie legen.

Lange sahen sie sich in die Augen und Saori gab auf. Ihre Hormone hatten gewonnen. Sie wollte sich nicht mehr wehren, sie musste wissen wie es sich anfühlte, wenn er sie küsste und in ihr war. Nicht hier und jetzt, aber der richtige Moment würde kommen und sie war bereit.

Saori riss sich von seinen warmen Augen wieder los und stieg aus dem Bett. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, während sie aus ihrer Schlafhose schlüpfte und sich dem Oberteil entledigte, sodass sie nur noch in Slip bekleidet vor ihm stand. Saori warf einen Blick über ihre nackte Schulter ehe sie das Schlafzimmer verließ und genoss die Mischung aus Verblüffung und Verlangen in Higashis Gesicht.

„Du scheinst es etwas zu sehr zu genießen, mich zu quälen!", rief er ihr hierher.


Quälend langsam streckte sich Saoris Arbeitstag, während sie an nichts anderes denken konnte als in Higashis Armen zu liegen. Sie hätte ihm am liebsten sofort nach der Arbeit die Kleider vom Leib gerissen und ihn ins Schlafzimmer gezerrt. Alles hatte sich verändert. Ihre Blicke waren intensiver und hungriger geworden. Wie ein verheißungsvolles Versprechen lag die sexuelle Spannung zwischen ihnen in der Luft.

Umso tiefer saß der Schock, als es am Abend keine halbe Stunde nachdem sie selbst heimgekommen war an Saoris Wohnungstür klingelte und Hoshino mit einem dicken Stapel Akten davorstand, als hätte er gerochen was Higashis Hände in der vergangenen Nacht mit ihr gemacht hatten und sie an nichts anderes als an Sex mit Higashi dachte.

„Der Nikatame-Fall", begrüßte Hoshino sie, während sich Saori noch fragte, ob sie sich bei der Arbeit heute irgendwie verdächtig verhalten hatte. „Damit du die Akten nicht schleppen musst, wollte ich sie dir schnell vorbeibringen."

Schnell war eine Untertreibung. Hoshino wohnte mehr als eine halbe Stunde von ihr entfernt in der entgegengesetzten Richtung zu Gendas Kanzlei. Es war also nicht so als würde Saoris Wohnung ein bloßer Katzensprung auf seinem Heimweg sein.

„Danke", erwiderte Saori überrumpelt. „Das wäre aber nicht nötig gewesen. Ich wollte die Unterlagen Morgen mit nach Hause nehmen und dann übers Wochenende durchgehen."

„Alles gut", sagte Hoshino mit merkwürdig heiterer Miene. Er gab Saori nicht die Gelegenheit ihm die Akten abzunehmen, sondern drängte sich zielsicher an ihr vorbei in die Wohnung.

Ein ungutes Gefühl machte sich in Saoris Brust breit. Angespannt schloss sie hinter sich wieder die Tür und folgte Hoshino vorsichtig ins Wohnzimmer. Sie fing sofort Higashis Blick ein, der sie von der Couch aus mit hochgezogener Augenbraue ansah. Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern.

Hoshino legte die Akten auf den Küchentisch. Er sah an Higashi vorbei zu den zwei vollen Schalen dampfenden Eintopfs, die auf dem Wohnzimmertisch standen. „Ah, ich störe euch wohl beim Essen", sagte er, klang aber dabei nicht so als würde es ihm wirklich leidtun und legte seine Jacke ab. „Oh, und deine Lieblingsserie läuft gerade. Die habe ich schon so lange nicht mehr gesehen. Ich lade mich einfach ein, okay?"

Hoshino schnappte sich ohne zu zögern und ihre Antwort abzuwarten eine Schale aus dem Küchenschrank und schöpfte sich Essen ein. Verblüfft sah Saori ihm dabei zu. Noch nie hatte sie ihn so unverfroren erlebt.

„Ja, bedien dich. Du weißt ja wo alles steht", sagte sie überflüssigerweise.

Saori wollte sich wieder neben Higashi aufs Sofa setzen, aber Hoshino drängte sich an ihr vorbei, schob sie zur Seite und setzte sich selbst neben ihn.

Higashi warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Kuschlig", brummte er.

Hoshino erwiderte seinen finsteren Blick mit einem fast schon boshaften Grinsen. „Ja, erinnert mich an alte Zeiten."

Higashi und Hoshino gemeinsam dicht aneinander gedrängt auf ihrem viel zu kleinen Sofa sitzen zu sehen war ein merkwürdiger Anblick. Saori hatte nicht kommen sehen, dass Hoshino in einem Anfall von Eifersucht in ihre Wohnung platzen würde und sie brauchte einige Sekunden um diese Tatsache vollständig erfassen und verarbeiten zu können, ehe sie sich schließlich genervt in die noch freie und ziemlich kleine Lücke neben Hoshino und der Couchlehne setzte.

„Ich glaube, dass mir das zu eng wird."

„Du kannst dich gerne an den Küchentisch setzen", bot Hoshino Higashi an.

„Nein!" Verärgert griff Saori über ihn hinweg nach Higashis Arm, um ihn am Aufstehen zu hindern. „Er bleibt wo er ist." Sie funkelte Hoshino herausfordernd an und wandte sich schließlich ihrem Essen zu. „Und jetzt ist jeder still. Der Eintopf wird kalt und ich will in Ruhe meinen Krimi schauen!"

Es war ein frommer Wunsch, aber in der anschließenden Stunde war es Saori kaum gelungen sich auf die Handlung zu konzentrieren. Immer wieder beobachtete sie aus dem Augenwinkel Higashi, dessen Miene von Sekunde zu Sekunde missmutiger wurde, während er immer tiefer in den Sofakissen verschwand; sowie Hoshino, der mittlerweile ebenfalls sehr verbissen dreinblickte. Als endlich der Abspann lief, fiel Saori erleichtert ein Stein vom Herzen und sie griff sofort nach den leeren Schalen auf dem Wohnzimmertisch, um sie in die Küche zu bringen, gleichzeitig verfluchte sie innerlich Hoshino dafür, dass er ihr heute Abend ihre Lieblingsserie ruiniert hatte.

„Es ist schon recht spät. Du solltest nun nach Hause", sagte sie an Hoshino gewandt. „Wir gehen sicher auch gleich ins Bett."

„Dann geht ihr aber recht früh ins Bett. Es ist gerade mal neun Uhr."

Saori hatte höflich bleiben wollen, aber nun riss ihr Geduldsfaden. Sie seufzte genervt und stemmte die Hände in die Hüften. „Ernsthaft, was soll das?"

„Was das soll?", wiederholte er ihre Frage verständnislos, dann machte er eine ausladende Handbewegung zu Higashi. „Ich frage dich, was das soll! Er wohnt mittlerweile bereits seit über drei Wochen bei dir. Ihr lebt zusammen wie ein altes Ehepaar."

„Und das ist verwerflich, weil …?"

Hoshino wurde augenblicklich rot vor Zorn. Im Hintergrund stand Higashi gelassen vom Sofa auf und tat so, als würden sich die beiden nicht wegen ihm streiten, sondern lediglich eine belanglose Unterhaltung über das Wetter führen. Er schnappte sich sein Feuerzeug und die Zigarettenschachtel vom Küchentisch und ging auf den Balkon hinaus.

„Ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich mir Sorgen um dich mache, weil mir etwas an dir liegt", erwiderte Hoshino trotzig.

„Wir sind getrennt. Du musst endlich verstehen, dass du nicht gefragt wirst ob dir irgendetwas davon Recht ist!"

„Da draußen rennt eine Verrückte rum, die ihn abstechen wollte und du denkt gar nicht daran, dass dir etwas passieren könnte!", begann er zu schreien. „Stattdessen entdeckst du plötzlich deine nicht vorhandenen Muttergefühle und verhätschelt ihn von vorne bis hinten, während er eigentlich schon seit Monaten scharf auf dich ist und am liebsten in dein Höschen möchte."

Saori war geschockt und war sie vorher noch verärgert gewesen, kochte nun das Blut in ihren Adern. Kurz war sie davor ihn ebenfalls anzuschreien, aber wie so oft ermahnte sie sich auch dieses Mal, dass sie unbedingt einen Streit vermeiden musste, wenn sie nicht wollte, dass es zwischen ihnen bei der Arbeit unerträglich wurde. Also atmete sie stattdessen tief durch und verschränkte ablehnend die Arme vor der Brust.

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht was du dir davon versprichst, wenn du dich so verhältst und so ekelhaft sprichst", sagte sie so ruhig wie möglich, wobei ihre Stimme bebte. „Mir zeigt es auf jeden Fall, dass es keinen Grund gibt unserer Beziehung hinterher zu trauern. Du solltest jetzt wirklich gehen oder ich vergesse mich."

Die Erkenntnis, dass er mit seinen Worten eine Spur zu weit gegangen war, traf Hoshino sichtlich. Er wollte etwas erwidern und kam einen Schritt auf sie zu, doch Saori hob abwehrend die Hände. „Halt dich von mir fern!", schrie sie nun doch. „Verschwinde!"

Hoshino zuckte zurück und presste die Lippen aufeinander. Kurz verharrte er unschlüssig vor ihr, dann schnappte er sich allerdings seine Jacke und stürmte aus dem Wohnzimmer. Mit einem lauten Knall der Wohnungstür war er verschwunden. Saori zitterte vor Zorn. Noch nie hatten sie sich so miteinander gestritten. Selbst ihre Trennung war friedlicher gewesen. Sie holte einige Male tief Luft, um sich wieder zu beruhigen, dann fiel ihr Blick auf die tanzenden Vorhänge an der Balkontür. Sie war nur leicht angelehnt. Higashi hatte alles mitangehört.

Die kühle Frühjahrsluft ließ Saori erschaudern, als sie ebenfalls auf den Balkon trat. Automatisch schlang sie ihre Strickjacke enger um ihren Körper. Higashis Blick war starr in die Ferne gerichtet. Er stand über das Geländer gebeugt und nahm gerade einen kräftigen Zug von seiner Zigarette. Dabei sah er sie nicht an, aber sie wusste, dass er sich ihrer Anwesenheit bewusst war.

„Bekomme ich auch eine?", fragte Saori leise und lehnte sich neben ihn.

Wortlos griff Higashi nach seiner Schachtel, reichte ihr ebenfalls eine Zigarette und half ihr beim Anzünden. Saori zog tief an dem Glimmstängel und augenblicklich kratzte der Rauch in Hals und Lungen. Mühsam unterdrückte sie ein Husten.

„Du solltest dich von Dingen fernhalten, die dir nicht guttun." Zum ersten Mal sah Higashi ihr bewusst wieder in die Augen und die Distanz in seinem Blick versetzte Saori einen kleinen Stich.

„Was mir guttut und was nicht, entscheide ich."

„Das ist gut", erwiderte Higashi knapp. Seine Zigarette war noch lange nicht zu Ende geraucht, dennoch drückte er sie in dem Aschenbecher in seiner Hand aus. „Hoffentlich blenden dich diese Muttergefühle nicht."

Saori seufzte und wieder brachte der Rauch sie zum Husten. „Du weißt genau, dass er das nur gesagt hat, weil er davon ausging, dass es dich verletzten würde", sagte sie, nachdem sie wieder die Kontrolle über ihre Stimme zurückgewonnen hatte. Sie verstand nicht, was Higashi daran fand und drückte ebenfalls ihre Zigarette aus.

„Warum sollte es mich verletzten?"

„Ich-" Saoris Stimme versagte. Sie war wie vor den Kopf gestoßen und wusste nicht was sie erwidern sollte. Noch immer war diese Distanz in seinem Blick. Das war nicht der Mann, der ihr in den letzten Wochen diese intensiven Blicke zugeworfen hatte und sie wärmen wollte, wenn sie fror und plötzlich musste sie sich fragen, ob seine Gefühle nicht ein Produkt ihrer Fantasie gewesen waren.

„Hoshino hat Recht damit, dass ich dich in Gefahr bringen könnte", fuhr Higashi schließlich fort. „Mittlerweile sind meine Wunden ganz gut verheilt. Ich gehe Morgen wieder nach Hause."

Er wandte sich von Saori ab und wollte zurück in die Wohnung gehen, doch Saori übermannte das schreckliche Gefühl des Verlusts und griff fast schon panisch nach seinem Handgelenk. „Ich möchte das nicht."

Unbeeindruckt erzog sich Higashi ihrer Hand. „Ich schlafe heute Nacht wieder im Gästezimmer", fügte er hinzu.

„Ich verstehe nicht-"

„Vielleicht würde uns Abstand ganz guttun."

Das saß. Etwas zerbrach in Saori.

Sie protestierte nicht weiter, ließ geschehen, dass er tatsächlich die Nacht wieder im Gästezimmer verbrachte. Die Enttäuschung saß tief. Obwohl sie nur wenige Nächte das Bett miteinander geteilt hatten, hatte sie sich schon lange nicht mehr so einsam gefühlt – vor allem, nachdem sie sich in der vergangenen Nacht so nah wie noch nie zuvor gewesen waren. Jetzt wurde ihr schlecht bei dem Gedanken, was sie zu gelassen hatte. Sein plötzlicher Stimmungswandel sorgte dafür, dass sie sich benutzt fühlte.

Gleichzeitig war Saori voller Sorge, dass ihm etwas zustoßen würde, wenn er wieder zurück in seine Wohnung ging. Am liebsten hätte sie noch am gleichen Abend Kaito angerufen, aber nach dem Streit mit Hoshino wollte sie sich nicht auch noch mit Higashi überwerfen. Außerdem hatte sie Hoffnung, dass es eine Kurzschlussreaktion von ihm war und sie Morgen nochmal in Ruhe über seinen Auszug reden würden.

Als Saori allerdings am nächsten Morgen verschlafen aus dem Schlafzimmer tapste und ins Bad gehen wollte, entdeckte sie sofort den Zettel auf dem Küchentisch. Seine schnörkellos schlichte Nachricht war wie eine Ohrfeige.

Danke. Ich melde mich.

Tio verlange miauend nach Futter, während sich eine unsichtbare Hand fest um Saoris Herz geschlungen hatte und zudrückte. Fassungslos öffnete sie die Tür zum Gästezimmer, aber wie zu erwarten war, war es ordentlich aufgeräumt und Higashi mitsamt seinen Sachen verschwunden.


Fortsetzung folgt …