Kapitel 5

Man mochte meinen Saori war es inzwischen gewohnt auf hohen Schuhen zu laufen, aber es fühlte sich jedes Mal aufs Neue herausfordernd an, sich elegant auf den Beinen zu halten. Ihr taten bereits nach nicht mal zwei Stunden die Füße weh und sie verfluchte innerlich Mafuyu, die auf High Heels bestanden hatte. Saori war der Meinung gewesen, dass ein kurzes Kleid für ihre Partynacht ausreichte und niemand auf ihre Schuhe achten würde, aber Mafuyu war gnadenlos geblieben.

Also stand Saori nun zwischen feierwütigen Menschen in einem viel zu lauten Club und fühlte sich vollkommen fehl am Platz, während Mafuyu bereits seit einiger Zeit Richtung Toilette verschwunden war. Saori schloss den Griff fester um ihr Glas, als würde nur dieses alleine ihr aktuell die Aufgabe geben können, die sie gerade so dringend brauchte. Sie würgte den letzten Schluck die Kehle hinunter und die pickelnde Süße auf ihrer Zunge vermischte sich mit der Enttäuschung in ihrer Brust über das nun leere Glas.

Am liebsten wäre sie nach Hause gegangen, aber sie konnte Mafuyu nicht alleine zurücklassen. Deren Intension war eigentlich gewesen sie nach dem Zerwürfnis mit Higashi auf andere Gedanken zu bringen, aber Saori fühlte sich nun in dem Nachtclub zwischen all den Menschen noch viel einsamer als alleine in ihrer Wohnung ohne ihn.

Saori warf einen prüfenden Blick über die Menge und konnte nach wie vor Mafuyu noch nirgends entdecken, also drängte sie sich kurzentschlossen Richtung Bar um sich einen neuen Drink zu holen. Plötzlich prallte etwas fest gegen ihre Hüfte. Die Wucht war so überraschend gewesen, dass Saori umknickte und ein schmerzhaftes Ziehen durch ihren rechten Fuß schoss. Fast hätte sie den Halt verloren und wäre zu Boden gestürzt, hätte sie nicht im letzten Moment intuitiv ihre Fingernägel in das T-Shirt eines Mannes vor sich gegraben und sich damit an ihm festgehalten.

Überrascht starrte der Mann sie mit großen Augen an und Saori, die nicht weniger überrascht war, konnte einfach nur zurückstarren. Sekunden vergingen, ehe sie realisierte, dass ihre Hände noch immer auf seiner Brust lagen. Erschrocken und beschämt ließ sie los, da aber ihr Fuß noch immer geknickt war, wäre sie fast nach hinten gefallen. Geistesgegenwärtig schlang der Mann den Arm um ihre Taille, um ihren Fall erneut zu verhindern.

„Entschuldigung", keuchte Saori kleinlaut. „Ich wurde gestoßen."

Der Mann begann zu lächeln und Grübchen bildeten sich auf seinem Gesicht. Unverschämterweise stand es ihm gut. „Dann muss ich mich jetzt wohl bei jemandem bedanken."

Hätte er nicht diese Ausstrahlung gehabt und Saori damit vollkommen entwaffnet, hätte sie ihn wohl sofort von sich gestoßen, stattdessen verschlug es ihr für einen Moment die Sprache. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich angesichts der Nähe unwohl, also richtete sie ihren umgeknickten Fuß wieder zurecht, befreite sich vorsichtig von ihm und trat vorsichtig einen Schritt zurück.

„Danke für den Halt."

„Kenji."

Irritiert sah Saori ihn an.

„Du wolltest doch jetzt sicher nach meinem Namen fragen", erwiderte er selbstbewusst und seine Grübchen wurden noch tiefer. „Ich heiße Kenji."


Erschrocken zuckte Toru zusammen, als es an seiner Wohnungstür klingelte. Er entdeckte Kaitos Gesicht durch den Spion und augenblicklich fiel alle Anspannung wieder von ihm ab. Während er ihm öffnete, fragte Toru sich, ob er je wieder den Punkt erreichen würde, an dem er nicht bei jedem Klingeln Gefahr witterte.

„Dafür, dass du dich krank fühlst, siehst du verdammt fit aus. Du musst mir dein Geheimnis verraten." Kaito grinste schief und hielt dann zwei Falschen Bier in die Höhe. „Ich habe Medizin dabei."

Eigentlich waren sie für heute Abend verabredet gewesen, allerdings hatte sich Toru zu einer kleinen Notlüge hinreißen lassen. Nachdem was zwischen Saori und ihm vorgefallen war, hatte er seine Ruhe haben wollen. Er hätte wissen müssen, dass Kaito ihm seine plötzliche Krankheit nicht abkaufte und er wusste genau, woher Kaito wusste, dass er wieder in seiner Wohnung aufzufinden war.

„Du hast mit Saori gesprochen?", fragte Toru zögerlich, nachdem Kaito sich an ihm vorbei in die Wohnung Richtung Küche gedrängt hatte, um einen Flaschenöffner zu suchen. „Wie war sie drauf?"

„Sie hat nicht viel gesagt", erwiderte Kaito. Er reichte Toru eine geöffnete Flasche und gemeinsam ließen sie sich auf die Couch im Wohnzimmer fallen. „Hör zu, ich frag nicht genauer nach", fuhr er schließlich fort, „aber eine Eiszeit ist kuschliger als Saoris aktuelle Stimmung."

Toru senkte beschämt den Blick. Er bereute definitiv wie er sich gestern ihr gegenüber verhalten hatte. Ein verwirrender Mix aus Wut, Eifersucht und Angst war über ihn hereingebrochen und hatte ihm den Blick für die Wertschätzung darauf genommen, wie gut es eigentlich aktuell zwischen ihnen lief. Allerdings war Toru nach wie vor überzeugt davon, dass er nicht mehr weiter mit Saori in dieser Blase leben konnte, in der man vielleicht Dinge sah, die nicht da waren und Gefühle fühlte, die eventuell so gar nicht vorhanden waren.

„Es war vereinbart, dass ich ausziehe, sobald es mir besser geht und das tut es", sagt Toru ausweichend. Den Punkt, an dem er all das was in ihm vorging mit Kaito teilen konnte, hatte er noch nicht erreicht. „Ich trainiere mittlerweile auch schon wieder."

„Du musst dich nicht rechtfertigen." Kaito zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Es war klar, dass du irgendwann wieder in deine Wohnung zurückgehen wirst. Saori ist sicher nur angespannt, weil sie sich Sorgen um dich macht. Das braucht jetzt ein paar Tage und dann wird sie auch ganz froh darüber sein, dich wieder los zu sein."

Toru drehte dieser Gedanke fast den Magen um. Er nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Bierflasche, damit Kaito sein Gesicht nicht sah.


Saori wusste nicht viel über Kenji, aber sie wusste, dass sein Lächeln in der Lage war die aktuelle Schwere in ihrer Brust zu vertreiben. Sie wusste, wie weich und sanft seine Hände waren, während sie beim Tanzen über ihren Körper glitten und sie wusste auch, dass seine Küsse den Gedanken an einen anderen Mann verblassen lassen konnten.

Als Saori jedoch irgendwann gegen drei Uhr morgens gemeinsam mit Mafuyu und einem für sie namenlosen Freund von Kenji den Club wieder verließ, traf sie die kühle Nachtluft wie ein Faustschlag ins Gesicht. Kenji fragte nach einem Wiedersehen und sein Lächeln erstarb regelrecht, als er Saoris Zögern bemerkte.

„Ich wollte mich nicht aufdrängen", erklärte er schnell und klang zum ersten Mal an diesem Abend unsicher und viel jünger, als er wahrscheinlich war. „Ich dachte-" Er brach kurz ab. „Ich weiß nicht was ich dachte."

Saori verfluchte Higashi dafür, dass er plötzlich wieder in ihrem Kopf herumgeisterte, während vor ihr ein toller Mann stand, der ernsthaft enttäuscht schien. Higashi hatte nicht verdient, dass sie überhaupt auch nur einen Gedanken an ihn verschwendete. Sie empfand beinahe Trotz ihm gegenüber, als sie schließlich tatsächlich mit Kenji Nummern tauschte.

Mit einem letzten langen Kuss verabschiedete der sich von ihr und Mafuyu hackte sich beschwingt und mit breitem Grinsen über Saoris Bekanntschaft bei ihr ein, während sie die leere Straße auf der Suche nach einem Taxi entlangspazierten. Saoris Trotz war allerdings nach nur wenigen Gehminuten wieder komplett verfolgen. Stattdessen wurde sie nun von Gewissensbissen Higashi gegenüber geplagt, obwohl ihr bewusst war, dass es dafür keinen Grund gab. Sie hatten sich nichts versprochen und er war gestern Abend ihr gegenüber sehr deutlich geworden. Saori gab dem vielen Alkohol die Schuld, dass sie dennoch plötzlich von Tränen überrumpelt wurde.

Verwirrt blieb Mafuyu stehen. „Saori?", fragte sie und zwang sie dazu sich zu ihr zu drehen, indem sie nach ihrem Arm griff. Schnell wischte Saori sich über die Augen und wandte ihr Gesicht so gut es ging ab.

„Tut mir leid, ich weiß nicht was gerade los ist." Ihre Stimme klang dabei brüchiger, als ihr lieb war. „Eigentlich war der Abend ganz schön. Ich habe wohl zu viel getrunken."

Mafuyu schwieg lange, ehe sie etwas erwiderte. „Ich glaube, du hast Liebeskummer."

Ihre Worte waren ein Schock.


Torus Angestellte war gerade in der Mittagspause und er alleine im Charles, als er hohe Absätze auf der Treppe zur Spielhalle hörte. Er hob wachsam den Kopf und ging bereits innerlich in Abwehrhaltung, nur um festzustellen, dass Mafuyu vor ihm stand. Sofort entspannte er sich wieder, gleichzeitig raste jedoch sein Herz, wohlwissend, dass Mafuyus Auftauchen nur einen Grund haben könnte. Plötzlich wusste er nicht, ob er nicht doch lieber vor einer Messer schwingenden Verrückten stehen wollen würde.

„Willst du dich an Pyramid versuchen?", begrüßte er sie so lässig wie es ihm in diesem Moment möglich war.

„Vielleicht ein andermal", lehnte Mafuyu höflich lächelnd ab. Ihr Blick huschte prüfend über sein Erscheinungsbild. „Was macht deine Verletzung?"

„Wird mit jedem Tag besser."

Mafuyu nickte zufrieden, aber dann verhärteten sich ihre Gesichtszüge. „Ich sollte nicht hier sein und ihr so in den Rücken fallen, aber du hast ihr das Herz gebrochen. Ich finde, dass du das wissen und dich dafür schämen solltest."

Toru wurde flau im Magen. Er hatte sich in den vergangenen Tagen eingeredet, dass Saori eher vor Wut auf ihn kochte, als ernsthaft verletzt war. Mit diesem Gedanken war er einigermaßen klargekommen. Nie war er davon ausgegangen, dass er wirklich dazu in der Lage wäre, ihr das Herz zu brechen. „Ich wollte ihr nie wehtun."

„Ich weiß, dass du sie magst. Aber du benimmst dich wie ein Trottel und ich halte es für angebracht, dass dir das auch mal jemand sagt."

Mafuyu gab Toru keine weitere Gelegenheit zu reagieren. Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Spielhalle wieder.


Zwischen Saori und Higashi herrschte über eine Woche Funkstille und Saori hatte sich trotz der neuen Bekanntschaft mit Kenji schon lange nicht mehr so einsam gefühlt. Während Higashi dauerpräsent in ihren Gedanken war, kam ihr ihre Wohnung ohne ihn nach nur wenigen Wochen des gemeinsamen Wohnens plötzlich wie ein sehr viel düsterer Ort vor. So sehr, dass sie sich gar nicht mehr richtig freuen konnte nach der Arbeit nach Hause zu kommen, obwohl sie einen anstrengenden Tag hinter sich gebracht hatte.

Saori fühlte sich auch an diesem Mittwochabend ziemlich ausgelaugt, als der Aufzug auf dem Stockwerk ihrer Wohnung die Türen öffnete und sie zu ihrer großen Überraschung Higashi gegenüberstand. Beide starrten sich erschrocken an, keiner rührte sich. Es war schließlich Higashi, der mit einem Räuspern die Stille unterbrach. „Was machst du hier?", fragte er.

„Ich wohne hier", erwiderte Saori trotzig.

Die Tür des Aufzugs war bereits wieder dabei sich zu schließen. Saori musste ihn aufhalten und drängte sich an Higashi vorbei ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie hörte, wie er ihr folgte.

„Ich wollte dich sehen, aber du warst nicht da", erklärte er.

„Es wurde heute etwas länger."

Saori kramte in ihrer Tasche nach ihrem Schlüssel. Sie verfluchte sich dafür, dass ihre Hand dabei zitterte und hoffte, er würde es nicht bemerken. Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe sie den Schlüssel endlich fand und aufsperren konnte.

„Du warst nicht in der Kanzlei."

Saori ignorierte, dass ihr Herz panisch vor Scham beschleunigte. Zum Glück war ihr Ärger auf ihn um einiges größer. Mit wütendem Blick funkelte sie ihn an. „Verfolgst du mich etwa und muss ich mich vor dir rechtfertigen?"

„So meinte ich das nicht", erwiderte Higashi schnell. „Ich habe nur auf dich gewartet."

Saori blieb unbeeindruckt. Das hatte sie auch. Quälend lange.

„Darf ich reinkommen?", fragte er, nachdem sie nichts erwiderte hatte.

Am liebsten hätte Saori ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Sie war noch immer verletzt, wütend und enttäuscht – gleichzeitig wollte sie aber im Treppenhaus vor ihrer Wohnungstür keine Szene veranstalten. Angesichts seines geknickten Blickes, wurde sie weich, wahrscheinlich auch deswegen, weil sich ihr Herz tagelang nach diesem Moment gesehnt hatte. Also nickte sie stumm und hielt ihm bereitwillig die Tür auf. Higashi wirkte erleichtert, als er ihre Wohnung betrat.

Unbeholfen stand er nun in Saoris Wohnzimmer und war kaum in der Lage ihr direkt in die Augen zu sehen. Sie fühlte sich an den Tag zurückerinnert, als sie ihn damals in ihrer Wohnung empfangen hatte. Jetzt musste Saori sich unwillkürlich fragen, ob sie es mit dem Wissen was auf sie zukommen würde, wieder täte.

Plötzlich maunzte Tio. Saori war es gewohnt von ihr begrüßt zu werden, wenn sie nach Hause kam, wobei es wohl eher immer eine Aufforderung danach war, endlich den Fressnapf zu füllen. Heute kam ihre verräterische Katze allerdings statt auf sie direkt auf Higashi zu und umschmeichelte laut miauend seine Beine. Missbilligend beäugte Saori, wie er vor ihr in die Hocke ging und Tio einige Male über den Kopf streichelte, ehe er sich wieder erhob und sie zurückhaltenden ansah. „Geht es dir … gut?", fragte er zögerlich. „Du siehst toll aus."

Saori würde sich sicher nicht mit Schmeicheleien um den Finger wickeln lassen, allerdings war sie ganz froh darüber, dass sie ausgerechnet heute ein Outfit trug, dass relativ viel Haut zeigte und ihre Rundungen perfekt in Szene setzte. Sie wusste, dass er darauf ansprang und es sollte ihn quälen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an, wohlwissend, was diese Körperhaltung noch mehr in den Fokus rücken würde. „Du bist sicher nicht für ein Kaffeekränzchen hier. Was willst du?"

Higashis Augen huschten tatsächlich kurz über ihr freizügiges Dekolleté. Zufrieden sah sie, wie er schluckte, ehe sich sein Blick wieder auf ihr Gesicht konzentrierte. „Ich verstehe, dass du wütend bist."

„Bin ich nicht", widersprach Saori, bemerkt aber selbst, dass sie dabei wie ein trotziges Kind klang. Sie holte tief Luft, um ihren Ärger etwas in Zaum zu halten. Andererseits war es auch legitim nicht gut auf ihn zu sprechen zu sein, also warum wollte sie ihm etwas vormachen? „Ich ging einfach davon aus, dass du dich zumindest bei mir melden würdest, aber ich habe fast zwei Wochen nichts von dir gehört."

„Ich habe Angst."

Saori hatte mit vielem gerechnet und sich in den vergangenen Tagen unzählige Szenarien ausgemalt, in denen Higashi sich entschuldigte, sie endgültig abservierte oder es vielleicht sogar zu einer Versöhnung kam, aber keine hatte mit einem solchen Eingeständnis seinerseits begonnen. Verständnislos sah sie ihn an. „Wovor?"

„Wir kamen uns näher, weil wir uns in einer Blase befunden haben. Hättest du dich ansonsten ernsthaft für mich interessiert?"

Saori seufzte. Das Beschäftigen mit Eventualitäten hatte für sie keine Relevanz. Es änderte sich nichts an dem Hier und Jetzt und sie war auch nicht dazu in der Lage ihm eine Antwort auf etwas zu geben, was sie nicht beurteilen konnte. „Soll ich dir jetzt das Ego streicheln? Hättest du dich denn ernsthaft für mich interessiert, hättest du nicht herausgefunden, dass ich in einem kurzen Kleid, gemachten Haaren und mit ein bisschen Make-up ganz ansehnlich sein kann?"

Higashi wirkte von ihrer Gegenfrage überrumpelt und in die Ecke gedrängt. Beschämt senkte er den Blick.

„Keine Sorge, du musst darauf nicht ernsthaft antworten", fügte Saori trocken hinzu.

Tatsächlich sagte Higashi auch ansonsten nichts mehr. Er ließ geknickt die Schultern hängen und Saori überkam allmählich Frustration. „Wenn du irgendwelche Bedenken oder Sorgen hast, warum haben wir dann nicht darüber gesprochen?"

„Wahrscheinlich, weil es mir wehgetan hätte, wärst du wie Dornröschen aus unserem Traum erwacht."

Ein bitteres Lächeln huschte über ihre Lippen „An dir ist ein echter Poet verloren gegangen", flüsterte sie leise, ehe sich ihre Gesichtszüge wieder verhärteten. „Also hast du einfach mir wehgetan."

„Es tut mir leid", wisperte Higashi und zu Saoris Überraschung kam er auf sie zu. Sie war so überrumpelt, dass sie geschehen ließ, dass er sie plötzlich in seine Arme zog, während er immer wieder leise Entschuldigungen flüsterte.

Saori zögerte, doch betört von seinem Geruch und überwältigt von seiner unerwarteten Nähe, die sie so schmerzlich vermisst hatte, hielt ihr Widerstand nicht lange an. Sie wollte noch wütend sein, hätte ihn am liebsten wieder von sich gedrückt, aber stattdessen ergab sie sich ihrem rasenden Herzen, schlang die Arme um seinen Rücken und klammerte sich an ihn, als wäre sie gerade dabei zu ertrinken.

Saori spürte, wie er begann ihren Hals zu küssen und sie fühlte sich wieder an die Nacht erinnert, in der er sie berührt hatte. Sie genoss seine Lippen auf ihrer Haut und sehnte sich danach mit ihren Lippen die seinen zu berühren. Verlangen loderte in ihr auf und wie selbstverständlich begann sie ihm das Jackett über die Schultern zu streifen.

Ihre Blicke begegneten sich und Saori konnte Higashi ansehen, dass auch er sich nach ihr verzehrte. Vielleicht war es unvernünftig, vielleicht würde sie es bereuen, aber das schmerzliche Vermissen der vergangenen Tage hat die Sehnsucht in ihrer Brust nur noch mehr entfacht. Sie sehnte sich nach Erlösung und einem Happy End – wollte endlich diesen Seiltanz der Unsicherheiten hinter sich lassen.

Hastig entledigte sich Higashi vollständig seines Jacketts und ließ es achtlos zu Boden fallen. Er begann die Knöpfe ihrer engen Bluse und den Reißverschluss ihres Rockes zu öffnen, während sie ihm das Hemd aus der Hose zerrte. Es dauerte nicht lange und Saori stand nur noch in schwarzer Unterwäsche vor ihm. Hungrig glitten seine Augen über ihren Körper. Langsam öffnete Saori den Verschluss ihres BHs und gab schließlich den Blick auf ihre nackten Brüste frei. Higashi begann sie zu streicheln und als könnte er auch das Verlangen zwischen ihren Beinen spüren, hob er sie plötzlich in seine Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Sachte legte er sie auf ihr Bett und entledigte sie dort nun auch ihres Slips.

„Ich will dich sehen", sagte er auffordernd.

Saori genoss seinen dominanten Tonfall, wusste, was er damit meinte und ließ sich nicht zwei Mal bitten. Mit einer Mischung aus Scham und Sehnsucht nach ihm öffnete sie ergeben ihre Beine. Er begann zärtliche Küsse auf ihren Schenkelinnenseiten zu platzieren, ehe er ihre Schamlippen küsste und sich seine Küsse in einen Zungenkuss mit ihrem Kitzler verwandelten. Saori zog scharf die Luft ein. Sie schloss die Augen und gab sich vollkommen seinem Lecken und Saugen hin. Sanft drangen er mit zwei Fingern in sie ein, aber Saori spürte, dass sie mehr wollte.

Sie drängte ihn zurück, zwang ihn dazu wieder aufzustehen, öffnete den Gürtel seiner Hose und schob ihm diese und seine Unterhose über den Hintern. Zärtlich platzierte sie Küsse auf seinem halbsteifen Glied und umschloss es schließlich sanft mit ihren Lippen. Higashi stöhnte, während ihre Zunge ihn verwöhnte. Er legte ihr seine Hand auf den Hinterkopf und sie spürte, wie er stark damit zu kämpfen hatte nicht zusätzlich in ihren Mund zu stoßen.

Plötzlich zog er sich zurück und ihre Blicke trafen sich wieder. „Ich will dich", keuchte Higashi.

Er drückte Saori fast schon unsanft zurück auf das Bett, beugte sich über sie und rieb die Spitze seines Penis genüsslich über ihre feuchte Vagina, um sie zu reizen. Gequält stöhnte Saori auf, doch gerade als er in sie eindringen wollte, ließ sie ein beißender Geruch innehalten.

„Moment, warte", rief Saori irritiert. Sie richtete sich schnell auf und drängte Higashi von sich. „Riechst du das?"

Es war ihm deutlich anzusehen wie überrumpelt und verwirrt er über den plötzlichen Themenwechsel war, aber dann schien er den Geruch ebenfalls zu bemerken. Seine Augen weiteten sich erschrocken. „Das ist … Rauch?"

Plötzlich ließ ein mehrmaliges Klingeln sie zusammenzucken. Lautes Gepolter folgte daraufhin draußen vor ihrer Wohnungstür. „Feuer", schrie jemand. „Feuer!"

Augenblicklich war die Stimmung ruiniert. Alarmiert sprangen Saori und Higashi auf und suchten sich so schnell es ging ihre Kleidung zusammen. Saori schlüpfte in Jeans und Hoodie, die noch vom Vortag auf ihrem Stuhl im Schlafzimmer lagen, während Higashi sich bereits wieder seine Hose angezogen hatte und hastig Hemd und Jackett überwarf. Im Eingangsbereich saß Tio und wetzte ungeduldig ihre Krallen an der Wohnungstür. Leichte Rauchschwaden drangen unter der Tür herein. Nachdem Higashi sich die Schuhe angezogen hatte, wollte er nach Tio greifen, doch sie entwischte panisch seinen Fingern und stürmte ins Wohnzimmer.

„Tio!", rief Saori erschrocken und beide rannten ihr hinterher.

Zu ihrem Glück war Tio gerade erst dabei sich zu verstecken. Higashi erwischte sie, ehe sie hinter dem Fernsehregal und all dem Kabelsalat verschwinden konnte. Panisch grub Tio ihre Krallen in seine Haut, aber er behielt sie tapfer in seinen Armen.

Auf dem Flur vor Saoris Wohnung verklärte dichter Rauch sofort ihren Blick und eine ungewöhnliche Hitze lag in der Luft. Sirenen waren in der Ferne zu hören. Beide bedeckten ihre Gesichter mit den Ärmeln, wobei Higashi erneut mit Tio und ihren Krallen zu kämpfen hatte. So schnell sie konnten folgten sie den anderen Bewohnern auf ihrem Weg zum Notausgang. Saori unterdrückte einen Hustenreiz. Bereits nach wenigen Sekunden in all dem Rauch sehnten sich ihre Lungen nach frischer Luft. Umso dankbarer war sie, dass der Weg zur Feuertreppe außerhalb des Gebäudes problemlos zu erreichen war. Noch nie hatte sich die kalte Abendluft so gut angefühlt.

Hastig stürzten sie die Treppen hinunter. Stockwerk für Stockwerk ließen sie hinter sich. Der Weg zog sich unendlich lange. Higashi zerrte so sehr an Saoris Hand, dass sie befürchtete jeden Augenblick zu stolpern. Pure Erleichterung durchströmte sie, als sie endlich das Erdgeschoss erreichten. Die Straße vor ihnen war in blaues Licht gehüllt und Saori konnte bereits unweit von ihnen Rettungskräfte entdecken. Sie tauchten ein in eine Traube aus Menschen, begegneten Neugierde, Sorge, Tränen und Anstrengung in deren Gesichtern. Überall herrschte aufgeregtes Stimmengewirr, doch kaum hatte Saori die ersten Eindrücke verarbeitet, entdeckte sie die wildgewordenen Flammen im Erdgeschoss des Wohngebäudes. Schlagartig verstummte alles um Saori herum, als würde sich ein Schleier über sie legen.

Sie hatten Glück gehabt, dass die Feuertreppe außen noch verschont geblieben war. Jetzt befanden sie sich zwar nicht mehr in Lebensgefahr, aber ihr Zuhause war nach wie vor dabei zerstört zu werden. Saori spürte Higashis Arm hinter ihrem Rücken und war dankbar, als er sie stützend enger an sich zog, als würde er spüren, dass sie jeden Augenblick den Halt verlieren könnte.


Bereits über eine Stunde kämpfe die Feuerwehr mit den Flammen. Sanitäter hatten Wasser und Decken an die Anwohner verteilt und waren aktuell dabei alle einem ersten Check-up zu unterziehen. Einige waren bereits ins Krankenhaus gebracht worden. Saori saß mit der inzwischen wieder ruhigen Tio auf dem Schoß auf dem Bordstein der gegenüberliegenden Straßenseite vor Higashi eng an ihn geschmiegt. Mit der Decke über ihrer beider Arme versuchte er Wärme zu spenden, wodurch sie kaum die frische Mainacht bemerkte. Nach wie vor war für sie schwer zu verstehen, was sich aktuell hier abspielte.

„Ich muss dir was sagen", murmelte Saori irgendwann. Es musste an der Überforderung liegen, dass ihr gerade jetzt diese Nichtigkeit durch den Kopf schoss, denn plötzlich hatte sie ganz dringend den Wunsch, dass es ausgesprochen war. „Ich hatte heute ein Date mit einem anderen Mann. Wir haben uns auch bereits geküsst."

Higashi reagierte lediglich mit Schweigen auf ihre Worte und Saori fühlte sich auf einmal unendlich erschöpft. Ihre Augen brannten und sie musste sie schließen, um sie etwas auszuruhen. Der anstrengende Tag und all die Aufregung forderten nun ihren Tribut. Sie schmiegte das Gesicht dichter an Higashis Arm und spürte, wie er seine Umklammerung enger um sie zog.

„Ich passe auf dich auf", murmelte er.


Fortsetzung folgt …