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30. Oktober 1976 - Teil 2
Slughorns Party
Warum Hermione ihr Haar während ihrer ursprünglichen Schulzeit nicht mit einem Zauber versehen hatte, war ihr schleierhaft, wunderte sie sich, während sie es leicht um ihren Zauberstab wickelte. Erst zwei Stunden später, als ihr Haar in weichen Locken um ihre Schultern fiel, erinnerte sie sich, warum, während sie ihre verkrampften Finger ausstreckte. Es kostete einfach verdammt viel Zeit. Es war viel einfacher, es einfach zurückzustecken und aus dem Gesicht zu halten. Aber da heute Abend ein besonderer Anlass war, dachte sie sich, sie sollte es versuchen.
Sie machte sich langsam fertig, nur halb anwesend, während Amelia darüber jammerte, wie enttäuscht sie war, dass Remus wegen eines familiären Notfalls nach Hause musste und nicht mit ihr zur Halloween-Party gehen konnte. Hermione wusste es besser. In dieser Nacht war Vollmond, und sie wusste, dass ihr Freund gerade durch den geheimen Tunnel unter der Peitschenden Weide zur Heulenden Hütte eskortiert wurde. Obwohl sie sich wegen der Schmerzen, die Remus an diesem Abend erleiden würde, schrecklich fühlte, war ein Teil von ihr erleichtert, denn das bedeutete, dass James, Sirius und Peter auch bei ihm sein würden und nicht in der Nähe von Slughorns Halloween-Party.
Als sie sich das schwarze, ärmellose Kleid über den Kopf streifte, schienen vor ihrem geistigen Auge Bilder von ihrem Nachmittag mit Severus aufzutauchen. Nicht die guten, natürlich nicht, sondern die von ihm mit Lucius und Yaxley im Drei Besen. Die Art und Weise, wie die Farbe aus seinem Gesicht gewichen war, als Severus zu ihrem Tisch zurückgekehrt war, war das wichtigste Bild in ihrem Kopf.
Um sich abzulenken, warf sie einen langen Blick auf das fertige Ergebnis im Spiegel ihres Schlafsaals. Ihre neue Haarfarbe passte zu ihrem Outfit, was sie sehr freute. Das Kleid schmeichelte ihren Kurven und floss wie Wasser von ihren Hüften bis zur Mitte ihrer Waden, was sie eher wie ihr tatsächliches Alter von fast neunzehn Jahren aussehen ließ, als die Sechzehnjährige, die sie darstellte.
„Du siehst wunderschön aus, Hermione", sagte Amelia nach ein paar Augenblicken des Schweigens.
Hermione drehte sich um und lächelte, wobei sie ein leichtes Kribbeln im Bauch verspürte, denn sie hoffte, dass ihr Partner für den Abend es genauso sah.
„Du auch, Amelia."
Das bronzefarbene Etuikleid mit den Glockenärmeln, das Amelia trug, war weitaus bescheidener als das, was Hermione gewählt hatte, aber es stand dem Mädchen trotzdem. Hermione begann sich zu fragen, ob sie für eine Schulparty vielleicht zu overdressed war, während sie ihre Freundin betrachtete. Aber das spielte keine Rolle, Hermione hatte keine Zeit, sich umzuziehen, denn Severus würde sie in wenigen Augenblicken abholen.
Als Hermione den Gemeinschaftsraum betrat, musste sie zugeben, dass sie einen kleinen Anflug von Genugtuung verspürte, als sie sah, wie Rita fast die Augen aus dem Kopf fielen, bevor sie ihre Miene in neutrale Gleichgültigkeit verwandelte. Lockhart schenkte sowohl Amelia als auch Hermione ein joviales Lächeln, als er jedem der Mädchen ein Kompliment machte, was seiner Freundin ein Schnauben entlockte.
In einer anderen Zeit, eigentlich in einem anderen Universum, wären Hermione bei Lockharts Worten die Knie weich geworden. Ihr zwölfjähriges Ich wäre in Ohnmacht gefallen und hätte sofort darüber in ihr Tagebuch geschrieben, aber diese Hermione ließ sich von seinem oberflächlichen Charme nicht beeindrucken. Stattdessen bedankte sie sich höflich und zwinkerte Rita subtil zu, wohl wissend, dass dies ihr Blut zum Kochen bringen würde.
Edgar, Sturgis, Otto, Alice und Dorcas waren keine Mitglieder des Slugclubs und saßen deshalb in ihren Nachthemden im Gemeinschaftsraum. Die Jungen pfiffen ihnen zu und machten ein paar gut gemeinte Witze, während die beiden Mädchen schmollten und sich wünschten, sie hätten einen Grund, schicke Kleider zu tragen und die Nacht durchzutanzen. Hermione hätte sofort mit ihnen getauscht, versicherte sie ihnen.
Während sich alle unterhielten, schaute Hermione ängstlich auf ihre Uhr und hoffte, dass sie nicht zu spät kam, weil sie sich mit ihren MitbewohnerInnen unterhalten musste.
„Jemand sieht ein wenig nervös aus, wenn man bedenkt, dass es kein Date ist", sagte Amelia diskret und ahmte Hermiones Stimme nach.
„Ach, sei doch still", erwiderte Hermione, konnte aber das nervöse Kichern nicht unterdrücken, das ihr entwich.
„Dann geh schon", sagte Amelia und stieß sie sanft an. „Lass ihn nicht warten."
Der normale eifersüchtige Unterton in Amelias Stimme, wenn sie über Severus sprach, war ausnahmsweise verschwunden. Hermione wusste, dass Amelia aufrichtig wollte, dass sie eine gute Zeit hatte, unabhängig von ihren persönlichen Gefühlen gegenüber dem Jungen.
„Danke", sagte Hermione. „Und versuch bitte, heute Abend Spaß zu haben."
Amelia schenkte ihr ein trauriges Lächeln
„Das werde ich. Und jetzt ab mit dir."
Hermione lachte leise, bevor sie dem Rest ihrer Ravenclaw-FreundInnen gute Nacht sagte und sich dann schnell auf den Weg aus dem Gemeinschaftsraum machte.
Sie ging vorsichtig die Treppe hinab, denn sie fühlte sich nicht gerade wohl, wenn sie in Stöckelschuhen lief, und sie hatte auch keine Lust, die Treppe hinunterzufallen und sich das Genick zu brechen.
Ihr Puls beschleunigte sich, als sie im Erdgeschoss ankam, wo sie und Severus sich verabredet hatten. Sie rang die Hände, während sie beobachtete, wie die anderen SchülerInnen, die an der Party teilnahmen, sich mit ihren FreundInnen und Verabredungen aus anderen Häusern trafen. Sie atmete erleichtert auf , als sie sah, wie die anderen Mädchen gekleidet waren. Es war dem, was Hermione trug, gar nicht so unähnlich, was sie beruhigte, da sie wusste, dass sie nicht völlig herausstechen würde.
Zuerst erkannte sie den jungen Mann nicht, der auf sie zukam. Die Tatsache, dass er eine waldgrüne Robe trug und nicht sein typisches Schwarz, war das erste, was sie verwirrte. Das nächste war sein Haar, das er mit einem dünnen Lederband zurückgebunden hatte, so dass nur zwei Haarsträhnen in sein Gesicht fielen. Jetzt, da der Großteil seines Haars sie nicht mehr verdeckte, fiel ihr auf, wie tief und dunkel seine Augen im Kontrast zu seiner blassen Haut waren. Er sah eindrucksvoll und vor allem außergewöhnlich gut aus.
Sie beobachtete seine Augen, die kurz über ihren Körper blickten, und in diesem Moment fühlte sie sich völlig entblößt. Hoffentlich gefiel ihm, was er sah, dachte sie.
Als er vor ihr stehen blieb, schluckte sie schwer.
„Du hast dich schön herausgeputzt", sagte sie zu ihm und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Eine seltene Röte erschien auf Severus' Wangen, als er mit der Hand über die kleine Haarsträhne fuhr, die in seinem Nacken hing.
„Danke", murmelte er. „Du – ähm .. Du siehst toll aus, Hermione."
Verdammt noch mal, dachte sie und wusste, dass es fast unmöglich wäre, gegen ihre Gefühle anzukämpfen, wenn er sie weiterhin so ansah wie jetzt. Und wenn er wieder so mit ihr sprechen würde, wie er es gerade getan hatte. Es geschah nicht oft, wenn überhaupt, dass Hermione Granger dahinschmolz, aber in diesem Moment war sie fast eine Pfütze auf dem Boden.
„Sollen wir?" fragte er und bot ihr seinen Arm an, den sie ohne zu zögern nahm.
Gemeinsam gingen sie zu den Kerkern hinunter, mit all der peinlichen Stille eines ersten Dates. Es war seltsam, dass sie sich an diesem Nachmittag so leicht verständigen konnten, doch die förmliche Kleidung und das Versprechen auf ein Abendessen und einen Tanz ließen sie beide verstummen, als ob sie sich zum ersten Mal getroffen hätten.
Gelegentlich sah sie zu ihm auf und wurde mit einem schüchternen Lächeln begrüßt, das sie reflexartig erwiderte. Als sie damals beschloss, den Zeitumkehrer zu benutzen, hätte sie nie im Leben gedacht, dass er sie einmal dorthin bringen würde. An den Arm von Severus Snape, mit überwältigender Zuneigung in ihrem Herzen.
Schließlich erreichten sie Slughorns Büro, und Hermione hatte kaum Gelegenheit, ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen, als ihr Professor in seinem smaragdfarbenen Smoking auf sie zuhüpfte und das Gespräch mit einer Gryffindor-Viertklässlerin völlig vernachlässigte.
„Miss Devereux! Mister Snape!" rief er mit weit geöffneten Armen. „Kommen Sie herein, kommen Sie herein! Es gibt so viele Leute, die ich Ihnen gerne vorstellen würde."
Am liebsten wäre Hermione unter den nächstbesten Tisch gekrochen. Es war schon schlimm genug, dass sie von allen SchülerInnen und Angestellten in Hogwarts gesehen worden war, jetzt wollte Slughorn sie auch noch prominenten Mitgliedern der Zauberergemeinschaft vorführen, wie eine Art Show-Pony.
Severus blickte schnell zu Hermione hinunter, die ihm einen panischen Blick zuwarf und hoffte, dass er den Wink beherzigen würde.
„Ähm, vielleicht später, Professor. Hermione und ich würden uns vorher gerne etwas zu trinken holen, wenn das in Ordnung ist?"
Slughorns Gesicht verzog sich zu einem komisch übertriebenen Schmollmund, als er zwischen seinen beiden geschätzten SchülerInnen hin und her blickte.
„Sehr gut, Sie zwei. Aber glauben Sie nicht, dass Sie sich den ganzen Abend vor mir verstecken können", scherzte er, bevor seine Aufmerksamkeit von einer kurvenreichen Brünetten in Anspruch genommen wurde, die gerade vorbeiging.
„Esmeralda, meine Liebe. Ich sprach gerade mit Albus über...", verlor sich seine Stimme, während er die Frau verfolgte.
Hermione hörte, wie Severus schnaubte, und als sie aufblickte, sah sie, dass er leise lachend den Kopf schüttelte.
„Er ist schon etwas komisch, nicht wahr?" fragte Hermione.
„In der Tat etwas", stimmte er ihr zu, nahm ihre Hand und verschränkte erneut ihre Finger miteinander. „Komm. Lass uns einen Platz suchen."
Als sie gemeinsam den Raum durchquerten, bemerkte Hermione, dass Lily Evans, die in ein enges, goldschimmerndes Kleid gekleidet war, sie unverhohlen anstarrte. Ihr Mund war leicht geöffnet, und Hermione war sich nicht sicher, aber sie glaubte, einen Hauch von Eifersucht in ihrem Blick zu erkennen. Lily schien schnell zu begreifen, dass sie beim Anstarren erwischt worden war, und hob ihren Arm, um Hermione zaghaft zuzuwinken, die lächelte, als hätte sie nichts bemerkt und zurück winkte.
Severus führte Hermione zu einem kleinen Tisch im hinteren Teil des Raumes, weit weg vom Rest der Menge, was Hermione perfekt fand. Als sie sich setzten, erschien ein Hauself mit einem Tablett mit Met, Rotwein, Butterbier und Wasser. Hermione holte sich ein Glas Wein, Severus ein Glas Met.
Endlich nutzte sie die Gelegenheit, den Raum um sich herum zu betrachten. Geschnitzte Kürbisse schwebten in der Luft und tauchten den Raum in ein warmes, orangefarbenes Licht, verzauberte lila Fledermäuse flatterten an der Decke und die Kerzen auf den Tischen brannten mit tiefgrünen Flammen. Im Hintergrund spielte ein Zauberer-Streichquartett, das auf einem Podest, das normalerweise nicht im Büro stand, über der Menge schwebte.
„Slughorn geht wirklich aufs Ganze", kommentierte Hermione.
Severus grunzte unwillig. Obwohl er Hermiones Hand immer noch fest umklammert hielt, konnte sie an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass er meilenweit entfernt war.
„Was ist los, Severus?"
Er sagte viel zu lange nichts, zumindest kam es ihr so vor, bis er den Kopf schüttelte und ihr sagte, es sei nichts. Dennoch entging Hermione nicht, wie seine Augen in Richtung Lily flackerten, als er es sagte, und sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob er ihren kurzen Austausch gesehen hatte.
„Du und Lily Evans seid Freunde?" fragte er unverblümt.
Hermione sah, wie er zusammenzuckte, als er ihren Namen sagte.
Eine Welle des Neides überkam Hermione, als sie sich fragte, ob er noch Gefühle für Lily hatte. Wieder ertappte sie sich dabei, wie sie sich im Stillen mit der schönen Gryffindor verglich, und wieder dachte sie, dass sie nicht mithalten konnte.
„Eher Bekannte. Ich habe nur eine Handvoll Mal mit ihr gesprochen", sagte Hermione mit Blick auf den Tisch. „Warum fragst du?"
Sie wagte es, zu ihm aufzuschauen. Die Traurigkeit in seinen Augen war nicht zu übersehen. Offenbar waren die Wunden noch frisch.
„Aus keinem Grund", antwortete er.
Alles in Hermione schrie danach, dass sie die Sache weiter verfolgen sollte. Mehr darüber erfahren, was passiert war. Um seine Seite der Geschichte zu hören. Doch sie wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Auf ihren Nachmittag in Hogsmeade war bereits ein Schatten gefallen, und sie wollte sich nicht auch noch den Abend verderben lassen.
„Sind Slughorns Partys immer so extravagant?" fragte sie und versuchte, das Thema zu wechseln.
„Sind Slug- was? Oh." Er blinzelte ein paar Mal, schien verwirrt zu sein, überrumpelt von ihrem plötzlichen Themenwechsel. „Ja. So ziemlich."
Bald kamen sie wieder in ein lockeres Gespräch. Severus bereitete Hermione auf Slughorn vor, dass er sie unweigerlich vorführen und sie seinen ehemaligen SchülerInnen und wichtigen Gästen vorstellen würde. Er wies sie auf einige von ihnen hin, die er kannte. Ein paar höhere MinisterialbeamtInnen, ein berühmter Zaubererautor, der hauptsächlich Liebesromane schrieb, die Hermione nie gelesen hatte, und Damocles, von dem sie wusste, dass er sehr bald den Wolfsbanntrank perfektioniert haben würde.
Obwohl an ihrem Tisch vier Personen Platz gehabt hätten, setzte sich keiner der anderen SchülerInnen zu ihnen, als das Essen kam. Hermione war zufrieden damit, während sie und Severus sich durch einen köstlichen Braten, Kartoffeln und ungefähr so viel Essen aßen, wie normalerweise bei besonderen Anlässen in der Großen Halle serviert wurde. Als sie fertig war, war sie erstaunt, dass ihr Kleid nicht aufgeplatzt war.
Als die Teller verschwanden und die Beleuchtung dunkler wurde, wurde die Musik lauter und ihre MitschülerInnen füllten die Tanzfläche. Hermione beobachtete lächelnd, wie Amelia mit einer kleinen gemischten Gruppe von Gryffindors und Hufflepuffs herumhüpfte und sich anscheinend wirklich amüsierte. Rita und Lockhart waren wie immer in einer Weise umeinander gewickelt, die an Unanständigkeit grenzte. Hermione schüttelte den Kopf.
Es dauerte nicht lange, bis Severus und Hermione die einzigen Gäste in ihrem Alter waren, die sitzen geblieben waren.
Severus räusperte sich, behielt aber den Blick auf der Tanzfläche.
„Wolltest du, ähm, wolltest du...", er gestikulierte in Richtung aller.
Hermione biss sich auf die Lippe, um nicht darüber zu lachen, dass Severus Snape versuchte, sie zum Tanzen aufzufordern. Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass er tanzte.
„Nur wenn du willst", antwortete sie mit hastiger Stimme.
„Wenn du willst, werde ich", murmelte er und wich ihrem Blick immer noch aus.
Da sie wusste, dass es, wenn sie nicht handeln würde, den ganzen Abend so hin und her gehen würden, machte Hermione den ersten Schritt und stand auf.
„Komm schon", sagte sie und reichte ihm die Hand. „Das wird lustig."
Severus' Gesichtsausdruck war misstrauisch, trotzdem nahm er ihre Hand und ließ sich von ihr in Richtung der Gruppe tanzender SchülerInnen ziehen.
Zuerst standen sie ziemlich unbeholfen da, nicht gerade tanzend, aber sie wiegten sich im Takt der Musik. Amelia muss sie bemerkt haben und eilte herbei.
„Hey Hermione!" rief sie atemlos. „Snape."
Hermione kicherte und betrachtete Amelias rosa Wangen und ihr zerzaustes Haar.
„Wir amüsieren uns gut, was?" Sie grinste mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Zu viel Wein", lachte Amelia, als ob das alles erklären würde. „Was ist mit dir? Viel lustiger als seine üblichen Dinnerpartys, meinst du nicht?"
Da die einzige andere Erfahrung, die Hermione mit einer von Slughorns Partys hatte, diejenige war, als sie den Abend damit verbracht hatte, vor Cormac zu fliehen, hatte sie nie wirklich die Gelegenheit dazu gehabt, eine Party richtig zu genießen. Aber jetzt, wo sie mit jemandem ihrer Wahl dort war und sich keine Sorgen machen musste, überfallen zu werden, musste sie zugeben, dass sie sich ziemlich gut amüsierte.
„Auf jeden Fall." Hermione lächelte.
Amelia blickte dann zwischen ihr und Severus hin und her und ihr Gesicht verzog sich. Hermione bemerkte den finsteren Blick, der sich auf dem Gesicht ihres Partners abzeichnete, wahrscheinlich wegen der unerwünschten Unterbrechung.
„Gut. Ich lasse euch dann mal alleine", sagte Amelia. „Habt Spaß! Wir sehen uns später im Gemeinschaftsraum", sagte sie mit einem nicht ganz so subtilen Zwinkern.
Hermione verdrehte die Augen.
Als Amelia zu ihren FreundInnen zurücklief, wurde die Musik langsamer und Hermione spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht kroch. Sie hatte nicht mit einem langsamen Tanz gerechnet, als sie Severus vorher dorthin geschleppt hatte. Was ist mit der lebendigen Musik passiert?
„Willst du immer noch...?" fragte Hermione und blickte sich um.
Severus sah sie einen Moment lang an, dann legte er zu ihrer Überraschung die eine Hand auf ihre Taille und die andere nahm ihre rechte Hand. Sie erstarrte zunächst, bevor er begann, sie in einem Walzer herumzuführen, was er erschreckend gut konnte.
„Du kannst tanzen?" fragte sie.
Er hob eine Augenbraue. „Überrascht?"
Hermione lachte und spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Es gab einfach so viel, was sie über ihn lernte. So viel, dass es ihr immer schwerer fiel, sich von ihm fernzuhalten.
„Ja, das bin ich tatsächlich", gab sie zu.
Während sie sich drehten und in ihrer kleinen Ecke des Raumes umhergingen, behielt er die ganze Zeit seine Augen auf den ihren. Es fiel ihr schwer, zu atmen.
„Meine Mutter hat es mir beigebracht", sagte er plötzlich. „Als ich klein war, kam sie nach einem ... harten Abend in mein Zimmer und schaltete das Radio ein. Wir beide haben dann getanzt. Ich weiß nicht, wem sie damit mehr helfen wollte, mir oder sich selbst. Aber sie war anders, wenn sie tanzte. Ihre Augen leuchteten auf, und ich konnte tatsächlich etwas Leben darin sehen. Ich sah meine Mutter lächeln."
Hermione spürte, wie ihr das Herz brach, als er ihr dieses Detail mitteilte. Sie war sich sicher, dass es etwas war, das er nicht vielen Leuten erzählt hatte, und sie fühlte sich geehrt, dass er genug von ihr hielt, um es zu teilen.
Da Hermione wusste, wie sehr er jede Art von Mitleid hasste, sagte sie kein Wort, aber sie nahm die Hand, die auf seiner Schulter ruhte, legte sie sanft auf seine Brust und strich mit den Fingern über sein Herz. Sie sah auf und schenkte ihm ein warmes Lächeln, und er drückte die Hand, die er hielt, noch fester.
Als das Lied zu Ende war, ließ keiner der beiden den anderen los. Ihre Gesichter waren einander näher als je zuvor, und Hermione konnte jedes bisschen Spannung in diesem Moment spüren. Wie eine Motte, die eine Flamme anzieht, brachte er seinen Kopf näher heran, ihre Lippen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt. Als Hermione begriff, was geschah, riss sie sich aus der Trance, in die der Moment sie versetzt zu haben schien. Sie machte einen schnellen Schritt zurück.
„Ich muss auf die Toilette", sagte sie und ging eilig von ihm weg, durch die Menge der SchülerInnen hindurch und hinaus auf den Flur.
Hermione eilte in die nächstgelegene Toilette, und als sie in eine der Kabinen schlüpfte, stand sie mit dem Rücken zur Wand und hielt ihr Gesicht in beiden Händen.
„Nein. Nein, nein, nein, nein, Hermione", schimpfte sie mit sich selbst.
Was tat sie da? Sie gehörte nicht hierher. Wie konnte sie so etwas zulassen? Was würde es für Severus bedeuten, wenn sie in ihre eigene Zeit zurückkehrte? Denn offensichtlich hatte er jetzt auch noch Gefühle für sie.
„Agh!" schrie sie.
Ihr Kopf war ein einziges Durcheinander. Jeder einzelne rationale Teil ihres Gehirns sagte ihr, dass sie das nicht zulassen sollte. Dass sie und Severus keine Beziehung eingehen sollten, die nicht platonisch war. Doch ihr Herz sagte ihrem Kopf, dass er sich verpissen sollte. So wie sie für ihn empfunden hatte, hatte sie noch nie für einen anderen empfunden. Nicht für Ron und nicht für Viktor. Was sie für Severus empfand, war auf einer ganz anderen Ebene. War es Liebe? Sie war sich nicht sicher. Sie war noch nie verliebt gewesen. Sie hatte geglaubt, dass sie in Ron verliebt war, aber jetzt war ihr klar, dass sie nicht in ihn verliebt gewesen war. Was in Merlins Namen sollte sie nun tun?
Hermione schniefte und wischte eine Träne weg, die ihr über die Wange gelaufen war.
„Hallo?" rief eine Stimme.
Hermione zuckte zusammen.
„Ist alles in Ordnung?"
Es war, als würde der Boden unter ihren Füßen nachgeben. Sie erkannte diese Stimme.
„Es geht mir gut", antwortete Hermione mit brüchiger Stimme.
Als sie aus der Kabine trat, war Lilys Gesicht voller Überraschung, als sie erkannte, wer da geweint hatte. Ihre Überraschung schlug jedoch schnell in Wut um.
„Was hat er dir angetan?" fragte sie mit feurigen Augen.
Hermione blinzelte schnell, dann legte sich ihre Stirn in Falten. Sie verstand, warum Lily zu diesem Schluss gekommen war, aber ehrlich gesagt, ärgerte sie sich schrecklich darüber.
„Er hat mir nichts angetan", sagte Hermione mit stählerner Stimme. „Wir haben tatsächlich eine schöne Zeit miteinander verbracht."
Lily schaute verblüfft, als Hermione plötzlich ihre Haltung ihr gegenüber änderte. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos, ohne jede Emotion.
„Oh. Dann ist es ja gut", sagte Lily trocken. „Ich habe nur angenommen – "
Hermione unterbrach sie.
„Du hättest nichts annehmen sollen, Lily. Ich weiß, was zwischen dir und Severus vorgefallen ist, aber es ist nicht fair von dir, dich in eine Beziehung einzumischen, die er vielleicht gerade aufbaut."
Lily verengte ihre Augen und schien Hermione zum ersten Mal anzusehen.
„Nun, wenn du das weißt, dann solltest du verstehen, warum ich dachte, dass er etwas getan hat, das dazu geführt hat, dass du hier alleine weinend gelandet bist."
Hermione war jetzt wirklich wütend. Was auch immer zwischen Lily und Severus vorgefallen war, lag in der Vergangenheit, und sie hielt es nicht für richtig, dass Lily sich einmischte. Sie hatte keinen Anspruch mehr auf Severus.
„Ich glaube, es wäre das Beste, wenn du deine Meinung von jetzt an für dich behältst", sagte Hermione kühl und ging an Lily vorbei zur Tür hinaus, ohne auf eine Antwort von ihr zu warten.
Eines wusste sie, als sie sich auf den Weg zurück in Slughorns Büro machte: Sie würde Severus niemals von dem Gespräch mit Lily erzählen. Und sie wusste auch, dass zwischen ihr und Lily nichts mehr so sein würde, wie es einmal war.
