Kankuro saß an einem der niedrigen Tische im Büro seines Bruders, die Stirn in Falten gelegt. Sein Blick war auf den Tisch gerichtet, aber seine Gedanken waren weit entfernt – bei Tenten. Es war still im Raum, und Gaara saß ihm gegenüber, mit den üblichen, kühlen, türkisen Augen, die alles zu durchdringen schienen. Gaara war ein Mann der wenigen Worte, aber Kankuro wusste, dass der Blick seines Bruders immer mehr sagte, als jeder Satz es je könnte.
„Du bist nachdenklich, Kankuro", sagte Gaara ruhig, seine Stimme wie immer wenig emotional, aber sie trug dennoch eine Schwere in sich. „Was ist los?"
Kankuro seufzte, als er den Blick von seinem Bruder nicht mehr aushielt und ihn mit schmerzlicher Ehrlichkeit ansah. „Es ist Tenten", murmelte er, als könnte er ihre Präsenz noch immer spüren, auch wenn sie schon längst in Konoha war.
„Ich dachte, du hättest sie nur als Gast betreut. Oder... hast du etwa mehr in ihr gesehen?" Gaara stellte die Frage direkt, wie er es immer tat, ohne Umschweife.
Kankuro biss sich auf die Unterlippe, bevor er antwortete. „Mehr?" Wieder dieser Schmerz, der in ihm brannte. „Ja, viel mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich sie... brauche, Gaara. Es ist nicht nur eine flüchtige Bewunderung. Es ist etwas Tieferes, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll."
Gaara, der immer ein ruhiger Beobachter war, sah ihn an, als würde er alles in Kankuro aufnehmen – auch die Unvollständigkeit, die in seinem Bruder schwang. „Du weißt, dass du dich auf deine Gefühle verlassen kannst, aber auch, dass sie nicht immer das sind, was du brauchst. Was hat es mit Tenten auf sich, Kankuro? Du musst dir darüber klar werden."
Kankuro ballte die Hände zu Fäusten. „Es ist komplizierter, als du denkst, Gaara. Ich habe sie in einer Weise verstanden, wie niemand sie versteht. Sie ist anders als alle anderen. Sie hat diese Wärme in sich, die die Wüste nie kennenlernt, diese Unschuld, die mich... zerrissen hat. Ich kann nicht einfach zurück in mein Leben gehen und so tun, als ob nichts passiert ist."
„Und sie?" Gaara bohrte nach, wie er es immer tat, ohne unnötige Worte.
„Ich weiß es nicht", antwortete Kankuro und ließ sich zurück in den Stuhl sinken, seine Worte von Frustration durchzogen. „Ich kann ihre Gedanken nicht greifen, ihre Emotionen. Sie war nicht gleichgültig, aber sie war vorsichtig. Ich konnte in ihren Augen sehen, dass etwas zwischen uns war – aber sie hat es nicht zugelassen. Und das macht es nur noch schwerer. Ich wollte mehr, aber sie... sie hat sich zurückgehalten."
Gaara runzelte die Stirn, als er die Leidenschaft und den inneren Konflikt in der Stimme seines Bruders hörte. „Kankuro", sagte er ruhig, „du bist ein guter Mann, aber du verstehst es nicht. Du suchst nach etwas, das du nicht kontrollieren kannst. Und das macht dich verletzlich."
Kankuro nickte, als ob er die Worte verstanden hatte, aber sie trafen ihn dennoch wie ein Schlag. „Ich weiß. Ich weiß, dass sie nicht einfach zu haben ist, und vielleicht wollte ich das von Anfang an nicht wirklich glauben. Vielleicht... Vielleicht wollte ich sie auf eine Weise erobern, die mehr ist als nur... die Männer, die sie schon kennt."
„Du kannst ihr nicht hinterherjagen, Kankuro", sagte Gaara mit einem Blick, der sowohl Klarheit als auch ein wenig Sorge ausdrückte. „Du kannst dich nicht in eine Sache verbeißen, die du nicht kontrollieren kannst. Es gibt keine Garantie, dass sie sich dir öffnen wird, nur weil du es willst."
Kankuro ließ sich weiter in seinem Stuhl sinken, der Gedanke an Tenten brannte wie Feuer in seiner Brust. „Ich weiß. Aber es tut weh, Gaara. Es tut mehr weh, als ich je gedacht hätte. Ich dachte, es würde nur eine Affäre sein, etwas Leichtes. Aber es ist mehr geworden. Es geht nicht nur um diese Stadt oder das, was sie für mich bedeutet... Es geht um sie, die Art, wie sie mich zum Zweifeln bringt. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht genug bin – dass sie mich nicht wirklich sehen kann."
Gaara stand auf und ging zu seinem Fenster. „Das Problem, Kankuro", sagte er, seine Stimme sanft, aber eindringlich, „ist, dass du die Kontrolle über dich selbst verloren hast. Du hast dich in etwas verfangen, das du nicht beherrschen kannst. Vielleicht ist das, was du wirklich willst, nicht einfach nur ihre Zuneigung, sondern dass du dich selbst als genug empfindest. Als der Mann, der in der Lage ist, zu bekommen, was er will. Aber das ist kein Ziel, das du auf diese Weise erreichen kannst."
Kankuro saß still da, die Worte seines Bruders hallten in seinem Inneren nach. Er wollte Gaara widersprechen, aber er wusste, dass er recht hatte. „Also soll ich aufhören? Aufgeben?" fragte er mit einem fast leeren Blick.
Gaara drehte sich um und blickte seinen Bruder ruhig an. „Du musst verstehen, dass du nichts erzwingen kannst, Kankuro. Das ist nicht der Weg, wie man eine Verbindung aufbaut. Was du mit Tenten hast, ist kompliziert. Vielleicht sogar ein Test für dich. Aber du wirst es nicht gewinnen, indem du versuchst, sie zu kontrollieren oder ihr etwas aufzuzwingen."
„Und was soll ich dann tun?" fragte Kankuro leise, fast verzweifelt. „Wie kann ich ihr zeigen, dass ich es ernst meine, wenn sie so... so zurückhaltend ist?"
„Lass es geschehen", sagte Gaara einfach. „Sei der Kankuro, den sie bewundert. Sei der Mann, der sie respektiert. Vielleicht wird sie es irgendwann sehen. Aber du musst Geduld haben und dich selbst nicht verlieren. Denn wenn du dich selbst aufgibst, um ihr zu gefallen, dann wirst du weder sie noch dich selbst finden."
Kankuro schloss die Augen und atmete tief durch. Die Worte seines Bruders trafen ihn härter, als er es erwartet hatte. Es war der Realität ins Gesicht zu sehen, aber er wusste, dass Gaara ihm die Wahrheit sagte – auf seine eigene, manchmal schonungslos ehrliche Weise.
„Ich weiß, Gaara", sagte er schließlich mit einer Stimme, die leiser war, als er beabsichtigt hatte. „Ich weiß, dass du recht hast. Aber es ist schwer. Es fühlt sich an, als ob ich mit jeder Stunde, die vergeht, weiter von ihr entfernt bin."
Gaara legte eine Hand auf seine Schulter, ein seltenes Zeichen von Zuneigung. „Es ist nicht das Ende, Kankuro. Es ist der Anfang von etwas, das du verstehen musst. Und du wirst es verstehen. Ich bin sicher, du wirst herausfinden, was wirklich zählt."
Kankuro nickte langsam, seine Gedanken immer noch bei Tenten. Doch jetzt, mit den Worten seines Bruders im Hinterkopf, wusste er, dass er einen Schritt zurückgehen musste. Vielleicht war Geduld tatsächlich der einzige Weg. Aber die Wunden in seinem Herzen würden noch eine Weile schmerzen.
„Danke, Gaara", sagte er schließlich, und obwohl seine Worte ruhig waren, fühlte er sich ein Stück weit erleichtert.
„Du wirst es überstehen", sagte Gaara, bevor er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte und die üblichen Aufgaben erledigte, als wäre nichts geschehen. Doch in seinen Augen lag die stille, brüderliche Fürsorge.
Kankuro stand auf und verließ das Büro, doch das Gefühl der Verwirrung und Leidenschaft blieb in seinem Inneren, als er sich auf den Weg in die Wüste machte, um einen weiteren Tag ohne die Antwort auf die Frage zu verbringen, die ihn so quälte.
