Snape hielt inne, sah Hermine einen Moment lang in die Augen, dann löste er sich von ihr.

„Verschwinden Sie! Sofort!"

Hermine erhob sich, raffte ihre Sachen zusammen, zog sich in einer Ecke des Raumes an, öffnete die Tür und trat, ohne noch etwas zu sagen, hinaus in den Flur.
Snape blieb zurück, sein Blick strich unwillentlich über Uschis Annonce im Tagespropheten und er wischte das Papier mit einer unwirschen Handbewegung vom Tisch. Im gleichen Moment wusste er, was er tun musste. Er ging in sein Bad, duschte. Dann legte er seine Robe an. Er war bereit.

„Mine, wo kommst du denn jetzt her?"

Ron stand vor ihr und sah sie mit großen Augen an.

„Ich dachte, wir wollten nach Hogsmead."

„Ja, aber doch erst morgen", entgegnete sie und ließ sich in einem der Sessel nieder.

„Und wo warst du?"

„Snape."

„Was?"

Sie nickte ohne ihn anzusehen.

„Und … und … warum? Ich dachte, wir haben uns geeinigt, dass alles ok ist."

Sie zuckte mit den Schultern, dann holte sie tief Luft. Als sie zu sprechen begann, schloss sie die Augen.

„Nein, Mine", stieß Ron hervor und packte sie bei den Händen. „Das … weißt du, wie man das nennt, was er da mit dir getan hat?"

Sie öffnete die Augen, fing seinen Blick auf.

„Mine, wir müssen sofort zu Dumbledore und es ihm sagen!

Sie öffnete den Mund.

„Ron hat Recht, das müssen wir!", stieß Harry hervor und betrachtete sie besorgt. „Los komm!"

Zu dritt verließen sie den Gryffindor'schen Aufenthaltsraum. Hermine ging zwischen den beiden Jungen. Den Kopf hielt sie gesenkt, aber sie spürte, dass sich Ron und Harry Blicke zuwarfen und sie wusste auch, was sie dachten: Zu weit gegangen waren sie!

Ron trug die Langziehohren bei sich – in ihnen war das gesamte Material über Snapes Intimleben gespeichert.

„Rosinenbomber", sagte Ron vor Dumbledors Tür und packte Hermine bei der Hand.

„Keine Angst, dir wird nichts passieren!", flüsterte er. „Wir sind bei dir."

Sie nickte nur und schloss kurz die Augen, als sie die Schwelle zu Dumbledores Büro überschritt. Sie spürte Harry ganz dicht neben sich.

„Professor Dumbledore", hob Ron an. „Wir müssen ganz dringend mit Ihnen … Oh … Was … Professor Snape …"

Beinahe wäre Hermine in Ron hinein gelaufen, so abrupt blieb er vor ihr stehen. Harry hinter ihr – trat ihr in die Hacken. Sie zuckte zusammen, doch nicht des Schmerzes wegen.

„Kommt rein, Kinder."

Dumbledore erhob sich von seinem Schreibtisch, vor dem Snape saß und keine Anstalten machte, sich zu erheben. Ja, er betrachtete die kleine Gruppe noch nicht einmal, sondern starrte in eine Ecke des Direktorenbüros.

„Ich weiß Bescheid", hob Dumbledore an, als er hinter den dreien die Tür geschlossen hatte. „Ich weiß es. Professor Snape hat mir alles erzählt."

Er deutete auf Snape, doch der tat nicht dergleichen.

„Ja", stieß Ron hervor. „Wir haben hier Material, das eindeutig ..."

„Hermine", unterbrach ihn Dumbledore und wandte sich an die junge Frau.

„Professor Snape hat sich selbst beschuldigt, doch möchte ich Sie noch einmal fragen: Hat sich Ihnen Professor Severus Snape in irgendeiner Weise genährt, was über das normale Lehrer-Schüler-Verhältnis hinausgeht?"

Stille. Man hörte nur die alte Standuhr in der Ecke ticken. Hermine hatte die Augen wieder geschlossen.

„Hermine?"

„Ja …"

„War das ein ‚Ja'?"

Sie schwieg.

„Was soll das, warum fragen Sie Hermine das vor dem da, der ihr das angetan hat?", platzte Harry heraus.

„Sie haben Recht. Danke für den Hinweis. Severus, würden Sie bitte den Raum verlassen."

Hermine sah es nicht, doch spürte sie, wie sich Snape erhob und an ihnen vorbei glitt. Ein leichter Luftzug strich an ihrer Wange entlang, dann hörte sie die Tür ins Schloss klappen.

„Mine, du brauchst keine Angst zu haben", flüsterte ihr Ron ins Ohr.

Er drückte ihre Hand. „Wenn das hier vorbei ist, gehen wir alle zusammen nach Hogsmead …"

„Hmmm", machte sie und öffnete die Augen. Ein Lächeln empfing sie.

„Miss Granger, Hermine, nun sind wir allein. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Ihnen wird nichts geschehen. Ich möchte nur von Ihnen wissen, ob es stimmt. Hat er Sie …"

Dumbledore unterbrach sich. Man sah ihm deutlich an, dass er mit dieser Sache überfordert war. Allem und jedem konnte er die Stirn bieten. Seis, dass er mit Lord Voldemort kämpfte oder nur einem Schüler, der Heimweh hatte, die Nase putzte und ihn mit seinen Zitronendrops tröstete, aber diese Angelegenheit hier überforderte ihn. Nur ein äußerst aufmerksamer Beobachter hätte ihm seine Erregung angemerkt, denn auf seinem Gesicht zeigte sich nur ein winziges Zucken.

„Ist es wahr, dass …"

Hermine schwieg.

„Hermine, bitte, hat Severus Snape Sie ...?"

„... vergewaltigt?"