Alexandra und Anna planten ihr Eindringen in das Registerbüro in den nächsten Wochen, während das Wetter sonniger und wärmer wurde. Der Frühling brachte die Schüler dazu, Streiche und anderen Unfug zu machen, und an einer Schule voller junger Hexen und Zauberer war das Potenzial für beides beträchtlich. Mr. Journey und Mr. Thiel mussten mehrere Korridore von Strandsand, Efeu-Dschungeln und Eisteppichen befreien. Die stellvertretenden Dekane patrouillierten täglich die Flure, konfiszierten Blob-Eier, Stinkbomben und zielsuchende Papierknüddel und trennten ältere Schüler, deren Gedanken sich in Liebeleien verwandelten. Public Displays of Affection [Öffentliche Zärtlichkeiten] waren an der Charmbridge Academy verboten, also waren öffentliche Zärtlichkeiten natürlich allgegenwärtig. Die Lehrer verwendeten ständig Abwehrzauber und Ekel-Flüche, aber man konnte sich kaum umdrehen, ohne gegen ein Paar an den Lippen verschmolzener Teenager zu stoßen. Alexandra hätte das ärgerlich gefunden, wenn es nicht bedeutet hätte, dass die Lehrkräfte stark abgelenkt waren und viele andere Schüler außer ihr nachsitzen mussten.
Die andere Ablenkung war der bevorstehende Besuch des Gouverneur-Generals. Für die Abschlussklasse war es eine viel größere Tortur, da sie jetzt wöchentlich für die Abschlussfeier proben mussten, aber Dekanin Grimm hatte zwei Versammlungen abgehalten, um neue Regeln bekannt zu geben und allen zu erklären, dass sie sich bei ihrem sehr wichtigen Besucher von ihrer besten Seite zeigen sollten. Wenn Alexandra es nicht besser wüsste, hätte sie gedacht, die Dekanin wäre nervös.
„Wir müssen es unbedingt tun, bevor der Gouverneur-General eintrifft", sagte Anna. „Wenn er erst einmal hier ist, kann sich niemand mehr irgendwohin schleichen."
„Du musst das nicht mit mir machen", sagte Alexandra zum zwanzigsten Mal.
„Ich weiß. Hör auf, das zu sagen."
In Wahrheit lasteten Annas Worte jetzt schwer auf ihr. Sie dachte daran, wie Anna ausgepeitscht werden würde, und war mehrmals kurz davor, ihre Mission aufzugeben. Aber sie behielt ihren Entschluss bei, weil sie wusste, dass die Dekanin sie anlog und etwas verheimlicht hatte, das sie ein Recht hatte zu wissen. All die Abneigung, die sie jahrelang gegenüber ihrer Mutter empfunden hatte, war nun auf die Dekanin der Charmbridge Academy übertragen worden. Die Tatsache, dass Ms. Grimm sie vor der Wahrheit schützen wollte, war für Alexandra Grund genug, alle Regeln zu brechen, die nötig waren, um an sie heranzukommen.
Es genügte ihr, auch Anna auf ihrer Suche begleiten zu lassen. Sie fühlte sich deswegen schuldig. Annas Bereitschaft linderte ihre Schuldgefühle etwas, aber vor allem machte es sie nur entschlossener, dieses besondere Unterfangen sorgfältiger zu planen als ihre vorherigen. Sie teilten ihre Pläne nicht mit David oder den Pritchards und achteten besonders darauf, sie nicht in Gegenwart von Darla oder Angelique zu besprechen.
Das erste Hindernis war, das Registerbüro zu finden. Anders als das Büro der Dekanin, das Büro des Prodekans und mehrere Büros der stellvertretenden Dekane und Schulberater schien es sich nicht im Erdgeschoss des Verwaltungsflügels zu befinden. Alexandra wusste (vom Belauschen der Fakultätsmitglieder), dass es im zweiten Stock, über dem Bereich, den sie so gut kannte, ein Lehrerzimmer und einige andere Büros gab, und sie hatte sogar einige Treppen den Flur hinunter vom Büro von Ms. Grimm aus gesehen. Aber ihr fiel keine gute Ausrede ein, um dort hinaufzugehen, und selbst wenn sie es schaffte, sich nach Feierabend in den Verwaltungsflügel zu schleichen, wusste sie nicht, ob Miss Marmsleys Porträt jemals schlief.
„Es wär' schön, wenn wir einen Grundriss der Akademie hätten", sagte Alexandra zu Anna.
„Selbst wenn es einen gäbe, bin ich sicher, dass sie ihn den Schülern nicht zeigen würden", antwortete Anna düster.
Alexandra schnippte mit den Fingern. „Wer kennt schon jeden Raum in der Akademie?"
Anna runzelte die Stirn. „Mr. Journey? Aber er würde Fragen stellen –"
„Außer ihm."
Anna sah verwirrt aus, bis Alexandra sagte: „Die Elfen!"
Annas Augen weiteten sich. „Du hast recht! Früher haben sie überall geputzt, bis die Räderwerke sie ersetzt haben. Aber wie können wir einen Elf fragen, wo das Registerbüro ist?"
„Überlass das mir", sagte Alexandra zuversichtlich.
Am nächsten Tag besuchte sie Bran und Poe. Die Bibliothekselfen freuten sich, sie zu sehen, wussten aber nicht genau, wo das Registerbüro war.
„Bran und Poe verlassen die Bibliothek fast nie", sagte Bran.
„Nur um Büchers auszuliefern", sagte Poe.
„Oder manchmal, um sie abzuholen", sagte Bran mit einem Stirnrunzeln, das sein Gesicht wie einen in der Sonne getrockneten Apfel aussehen ließ. „Von unartigen Schülern."
„Wüssten andere Elfen, wo das Registerbüro ist?" fragte sie.
„Oh ja", sagte Bran. „Aber wir reden kaum mit anderen Elfen. Wir sind Bibliothekselfen!" Bran hielt seine kleine, gerümpfte Nase in die Luft, offensichtlich der Meinung, dass ein Bibliothekself eine höhere Klasse von Elfen sei.
Alexandra seufzte. „Hm, wo soll ich die Elfen finden, die sauber machen, wenn Räderwerke es nicht tun?"
„Normalerweise im Keller." Bran zuckte die Achseln.
Im Keller befand sich Mr. Journeys Büro, also musste Alexandra warten, bis sie wusste, dass Mr. Journey und Mr. Thiel beide auf dem Gelände waren. Eine sehr nervöse Anna stand unten an der Treppe und hielt Wache, während Alexandra in die entgegengesetzte Richtung ging, die sie zum Büro des Hausmeisters nehmen würde.
Das Untergeschoss war mindestens so groß und labyrinthartig wie der Dachboden, und die meisten Korridore waren völlig dunkel. Alexandra verstand nicht ganz, warum selbst eine so große Schule wie Charmbridge einen so riesigen Keller brauchte, aber sie prägte sich jeden Schritt ein, den sie machte. Sie ließ einen Lichtstrahl aus ihrem Zauberstab strahlen, um den Weg zu erhellen, und wartete, bis sie außer Sicht- oder Hörweite der Haupttreppe war, dann begann sie zu rufen: „Hallo? Ist hier unten jemand?"
Sie wusste zumindest, dass entweder Räderwerke oder Elfen vor kurzem durch die Korridore gegangen waren, denn es gab weder Staub noch Spinnweben. Aber alle Türen waren verschlossen (sie konnte dem Versuch, ein paar zu öffnen, nicht widerstehen). Sie kam auch an mindestens zwei Treppenhäusern vorbei, die nach oben führten, was ihren Verdacht bestätigte, dass es mehr als einen Weg in den Keller gab.
„Hilfe!" rief sie. „Ich habe mich verlaufen!"
Ihre größte Angst war, dass aus irgendeinem Grund ein Lehrer hier unten sein könnte, oder schlimmer noch, ein anderer Schüler. Das wäre peinlich. Sie erinnerte sich auch daran, dass Mr. Journey ihr erzählt hatte, dass sich gelegentlich Geister im Keller niederließen, und obwohl sie nicht gerade Angst vor Geistern hatte, wollte sie nicht unbedingt einem begegnen, während sie im Dunkeln umherirrte.
Nachdem sie jedoch mehrmals um Hilfe geschrien hatte, wurde sie schließlich mit einem scharfen Knall belohnt. Ein gräulich aussehender Elf mit sehr faltiger Haut, Hängeohren, aus denen riesige Haarbüschel wuchsen, und einem besorgten Gesichtsausdruck erschien vor ihr.
„Schüler sollten nicht hier unten sein", sagte der Elf. „Miss muss sich verlaufen haben."
Obwohl sie es am Aussehen der Elfe kaum erkennen konnte, war Alexandra ein wenig überrascht über die hohe weibliche Stimme der Elfe. Na ja, natürlich muss es Elfenmädchen geben!, dachte sie bei sich und lächelte dann.
„Ja, das muss ich", sagte sie. „Ich sollte nämlich etwas zum Registerbüro bringen."
Die Elfe blinzelte langsam mit ihren großen, runden Augen und sah dabei ziemlich eulenartig aus.
„Das Registerbüro?" wiederholte sie. „Aber das Registerbüro ist im zweiten Stock! Miss hat sich sehr verlaufen!"
Alexandra nickte. „Ich schätze, ich bin eine Treppe zu weit hinuntergegangen und dann fand ich mich hier wieder, und es war dunkel, und nun ja …"
Die Elfe starrte Alexandra an, und dann verengten sich ihre Augenlider zu einem Ausdruck, den Alexandra noch nie zuvor auf dem Gesicht einer Elfe gesehen hatte: Misstrauen.
„Komm bitte mit Em, Miss", sagte die Elfe. „Em bringt dich zum Ober-Hausmeister."
„Mr. Journey ist mit Mr. Thiel draußen", sagte Alexandra.
Die Augen der Elfe verengten sich noch mehr. „Em findet es sehr merkwürdig, dass Miss genau weiß, wo Mr. Journey und Mr. Thiel sind und wo sie nicht sind, wenn Miss nach dem Registerbüro sucht."
Alexandra hatte langsam das Gefühl, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Das lief überhaupt nicht so, wie sie gehofft hatte.
„Kannst du mir nicht einfach sagen, wo das Registerbüro ist?" flehte sie.
„Wenn Miss etwas zum Registerbüro bringen muss, das für Studenten nicht zugänglich ist", sagte die Elfe schlau, „gib es Em, und Em wird es dorthin bringen." Die Elfe streckte ihre Hand aus.
„Ich befehle dir, mir zu sagen, wo das Registerbüro ist!" rief Alexandra etwas verzweifelt. Doch zu ihrem Entsetzen kicherte die Elfe tatsächlich.
„Studenten dürfen Elfen keine Befehle erteilen", sagte Em. Und sie zeigte auf Alexandra und plötzlich waren ihre Füße wie angewurzelt am Boden. „Unartige Miss! Em wird wiederkommen." Und die Elfe verschwand mit einem Knall.
Alexandra verbrachte mehrere Minuten damit, den Zauber aufzuheben, mit dem die Elfe sie am Boden festgenagelt hatte, ohne Erfolg. Sie erkannte, dass sie Elfen ernsthaft unterschätzt hatte.
Jetzt war sie in Schwierigkeiten. Em würde es zweifellos Mr. Journey erzählen, und so tolerant der Hausmeister auch war, sie glaubte nicht, dass sie ihm eine Geschichte erzählen könnte, die überzeugend genug wäre. Vielleicht würde sie mit nicht mehr als einer weiteren Standpauke davonkommen, überlegte sie. Schließlich schien Journey nicht gewillt zu sein, Studenten bei der Dekanin auszuliefern, und war ziemlich tolerant gegenüber ihren Streichen, solange niemand verletzt wurde.
Während sie das dachte, hörte sie hinter sich ein Knallen. Sie drehte sich so weit um, wie sie konnte, ihre Füße klebten noch am Boden, und sagte: „Hallo?" Aber sie sah niemanden.
Sie fragte sich, ob sie sich das Geräusch eingebildet hatte, als sie ein einengendes Gefühl um ihren Hals spürte. Sie umklammerte ihren Hals und ließ ihren Zauberstab fallen, konnte aber nichts fühlen. Ohne das Licht ihres Zauberstabs war sie in völliger Dunkelheit und dann spürte sie, wie sie das Bewusstsein verlor. Das Letzte, was sie wahrnahm, war, dass sie nach hinten kippte und dann mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug, während die Fußsohlen an Ort und Stelle blieben.
„Sie kommt wieder zu sich. Ich hab' dir gesagt, dass es ihr gut gehen würde."
Alexandras Sicht war verschwommen. Mr. Journeys Gesicht schwebte verschwommen über ihr. Sie hatte schreckliche Kopfschmerzen.
„Alexandra! Geht es dir gut?" Anna klang besorgt. Anna klang immer besorgt, dachte Alexandra. Und sie weinte auch, lautes, klagendes Schluchzen, das selbst für sie übertrieben war.
„Was ist passiert?" fragte sie, obwohl ihr immer noch schwindlig und atemlos war, und es klang wie „Waaipaaiea?"
„Ich war besorgt, weil du nicht zurückgekommen bist, und dann hat mich Mr. Thiel an der Treppe erwischt, und Mr. Journey hat gesagt, dass dich eine Elfe erwischt hat, als du im Keller herumgeschlichen bist, und es tut mir leid, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte, Alex, ich musste es ihnen sagen, aber wir haben dich auf dem Boden liegend gefunden, und du musst ohnmächtig geworden sein, und du hast dir den Kopf angeschlagen, also waren wir wirklich besorgt, und ich denke, du solltest in die Krankenstation gehen –"
„Whoa. Mach langsam, Blossom", sagte Mr. Journey und unterbrach Annas hektisches Geplapper.
Blossom?, dachte Alexandra. Und dann wurde ihr klar, dass das schreckliche Schluchzen anhielt, während Anna sprach, was bedeutete, dass nicht Anna diejenige war, die weinte. Sie versuchte sich aufzusetzen, und ihr Kopf schwamm. Sie hätte sich vielleicht wieder den Kopf gestoßen, wenn Mr. Journey sie nicht aufgefangen hätte, als sie nach hinten zusammenbrach. „Immer mit der Ruhe, Starshine. Du hast dir 'nen schlimmen Schlag auf'n Kopf eingefangen. Aber 'n einfacher Abschwellungszauber wird das wieder richten."
„Sie sollte in die Krankenstation gehen." Das war Thiels Stimme. Er klang mürrisch, wie immer.
„Nun, vielleicht." Mr. Journey klang unsicher. Dann sagte der Hausmeister sanft: „Em, jetz is' genug geweint. Du siehs', dasses ihr gut geht. Un' jetz hör auf, albern zu sein, altes Mädchen, du hast sie nicht getötet."
Das Schluchzen ließ etwas nach. Alexandra hörte die Elfe schnaufen und dann jammern: „Em tut es so LEID! Em ist eine BÖSE Elfe! Em sollte bestraft werden!"
„Keine Diskussion", murmelte Thiel.
„Allan!" fauchte Mr. Journey. „Em hat getan, was sie tun sollte. Man kann Elfen nich' dafür verantwortlich machen, dass sie ihre Arbeit tun! Die armen Viecher ham nich'mal 'ne Wahl! Ich will nich' hör'n, wie du der armen Em schon wieder die Schuld gibs', hörste?"
Thiel antwortete nicht, aber Alexandra fühlte sich inzwischen in der Lage, sich wieder aufzusetzen, und das tat sie auch. Diesmal schwankte sie ein wenig, aber Journeys Hand auf ihrem Rücken stützte sie.
„Nun", sagte der Hausmeister, „möchtest du mir erklären, worum's bei diesem kleinen Abenteuer ging, Starshine?"
„Ähm", sagte Alexandra und sah Anna an. „Es war alles meine Schuld. Anna wusste nichtmal, dass ich in den Keller gehen würde. Sie wusste nichts."
Mr. Journey kicherte trocken, während Thiel die beiden Mädchen finster anstarrte. „Kapiert, du versuchs', deine Freundin zu beschützen." Seine Augen verhärteten sich ein wenig. „Also, warum warst du im Keller?"
„Ich wollte einen Elf finden", sagte Alexandra. Em, die in einer Ecke saß und sich die Nase an der zerlumpten Schürze putzte, die sie trug, sah überrascht auf. Sogar Thiel sah überrascht aus. Journey auch.
„Warum hast du nach einem Elf gesucht?" fragte Mr. Journey.
„Ich hatte gehofft, ein Elf könnte mir sagen, wie ich das Registerbüro finde."
Anna schloss die Augen und sah niedergeschlagen aus, während Thiel triumphierend knurrte: „Ich wusste, dass du etwas vorhast, Quick!"
„Das Registerbüro?" Mr. Journey hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck. „Was in Merlins Namen willst du vom Registerbüro?"
„Es war eine weitere Mutprobe." Anna öffnete bei diesen Worten die Augen und starrte Alexandra an, während sie fortfuhr. „Larry Albo hat mit mir gewettet, dass ich mich nicht ins Registerbüro schleichen und wieder hinausgehen kann."
Sie erkannte eine Sekunde zu spät, dass ihre Lüge auffliegen würde, wenn Mr. Journey Larry danach fragte, aber Journey schüttelte nur den Kopf.
„Starshine, warum musst du und dieser Albo-Junge ständig wie zwei Kampfhähne aneinander geraten? Hast du deswegen noch einen Eid geschworen?"
„Nein", sagte Alexandra. „Diesmal keinen magischen."
„Na ja, zumindest hast du 'n bisschen Verstand", brummelte der ältere Hausmeister. „Aber um Himmels willen, hast du nich' schon genug Wege gefunden, Ärger zu machen?"
Thiel starrte Alexandra und Anna finster an, und die Elfe schaukelte nur auf ihrem Stuhl hin und her und gab leise Stöhnlaute von sich, unterbrochen von Schniefen.
„Ich weiß, es war dumm", sagte Alexandra. Thiel schnaubte und starrte ihn wütend an.
„Und nicht nur das, du hast auch versucht, die arme Em dazu zu bringen, dir bei dei'm Plan zu helfen", ermahnte Mr. Journey sie. „Ich würd' erwarten, dass ein selbstgefälliger Reinblüter wie Albo Elfen so behandelt, aber ich dachte, du hätt'st mehr Respekt vor den Machtlosesten unter uns. Ich bin sehr enttäuscht von dir, Starshine."
„Der Zauber, mit dem sie mich am Boden festgenagelt hat, war nicht machtlos", platzte Alexandra heraus. Em begann daraufhin zu heulen, und Mr. Journey legte eine Hand auf die Schulter der Elfe und murmelte etwas Beruhigendes.
Alexandra fühlte sich tatsächlich schuldig, und nicht nur, weil sie der Elfe Schuldgefühle bereitet hatte.
„Mr. Journey hat recht", sagte Alexandra. „Es tut mir leid, Em."
Die Elfe hörte auf zu weinen und starrte sie an. „Miss... Miss tut es leid?"
Alexandra biss innerlich die Zähne zusammen, da sie sich nie gern entschuldigte, und nickte. „Ich wollte nicht runterkommen und dich rumkommandieren wie... wie ein selbstgefälliger Reinblüter. Ich wollte nur deine Hilfe."
„Miss tut es leid!" wiederholte Em erstaunt.
„Nun, das sollte es auch", sagte Mr. Journey, aber er klang leicht besänftigt.
„Und du bist gerade nach hinten umgefallen", sagte Thiel und musterte Alexandra.
Sie legte eine Hand an ihren Hinterkopf, wo sich tatsächlich eine ziemlich große Beule befand, zuckte zusammen und nickte dann.
„Furchtbar tollpatschig, Quick", sagte der Junior-Hausmeister. „Es ist ein Wunder, dass du gleichzeitig gehen und einen Zauberstab halten kannst."
„Allan", knurrte sein Vorgesetzter. „Kein Grund, unfreundlich zu sein." Er ging zurück zu Alexandra und zog seinen Zauberstab.
„Sie könnte eine Gehirnerschütterung haben", sagte Thiel. „Sie sollte zur Heilerin gehen."
„Meine Güte, Mr. Thiel, ich bin gerührt", sagte Alexandra und versuchte nicht einmal, den Sarkasmus zu verbergen. Er grinste höhnisch zurück.
„Nun, wie Sie sehn, is' sie ziemlich dickköpfig", sagte der ältere Mann mit einem amüsierten Funkeln. Er hielt seinen Zauberstab über die Beule an ihrem Hinterkopf und sprach einen Zauberspruch, der sie kribbeln ließ und die Haut rund um ihren Kopf straff werden ließ.
„Besser?" fragte er. Alexandra betastete ihren Hinterkopf und stellte fest, dass die Beule verschwunden war. Sie nickte.
„Jetz'", sagte er. „Kein Rumlaufen mehr im Keller, kein Beschimpfen der Elfen, und keine Mutproben mehr von Larry Albo annehmen. Gib mir dein Wort, Starshine."
Sie dachte einen Moment nach und nickte erneut. „Ich verspreche es."
„Wir lassen sie einfach gehen?" verlangte Thiel zu wissen.
„Sie wolln die Dekanin damit belästigen, währ'nd sie sich wegen dem Besuch vom Gouverneur-General den Kopf abbeißt?" fragte Mr. Journey. Dann fügte er hinzu: „Aber wenn Sie so scharf drauf sind, ihnen Nachsitzen zu verpassen, Junge, dann können Sie derjenige sein, der sie beaufsichtigt."
„Na gut", sagte Thiel. „Warum sollte mich das interessieren?"
„Pass auf deine Freundin auf, Blossom", sagte Mr. Journey zu Anna. „Wenn ihr schwindlig wird oder sie sich komisch verhält, bring' sie zu Mrs. Murphy."
„Ja, Sir. Danke, Sir", murmelte Anna mit niedergeschlagenen Augen.
„Kinder", kicherte Mr. Journey und schüttelte den Kopf, als die beiden das Büro des Hausmeisters verließen.
„Ich hasse es, wenn er mich ‚Blossom' nennt!" flüsterte Anna.
„Ich bin nicht einfach umgefallen und hab mir den Kopf angeschlagen! Jemand hat versucht, mich zu erwürgen! Und mir geht es jetzt gut!"
Anna hatte den ganzen Abend wie eine besorgte Glucke über Alexandra gewacht. Sie hatte Alexandras Geschichte zugehört, aber einen skeptischen Gesichtsausdruck, den Alexandra nur zu gut kannte.
„Als Mr. Thiel und ich dich gefunden haben, lagst du einfach bewusstlos auf dem Boden", sagte Anna.
„Nachdem jemand versucht hatte, mich zu erwürgen!"
„Aber du wurdest nicht erwürgt."
Alexandra schaute in den Badezimmerspiegel und neigte ihren Kopf hin und her. An ihrem Hals waren keine Spuren zu sehen.
„Du könntest einen Haarschnitt gebrauchen, Schatz", sagte der Spiegel. Alexandra ignorierte ihn.
„Also bist du rechtzeitig da gewesen."
Anna kaute auf ihrer Lippe herum. „Und Mr. Journey kam aus der anderen Richtung. Wenn da jemand war, musste er unsichtbar sein."
„Elfen können teleportieren", sagte Alexandra.
Anna blinzelte. „Sie können was?"
„Teleportieren. Du weißt schon, verschwinden und woanders wieder auftauchen?"
„Oh, du meinst Apparieren." Anna blinzelte. „Moment mal. Du glaubst, ein Elf hat versucht, dich zu erwürgen?" Jetzt versuchte sie nicht einmal, ihren Unglauben zu verbergen.
„Nein, ich sag's nur." Alexandra hatte wirklich keine Theorie, aber sie war sich sicher, dass wieder einmal jemand hinter ihr her war. Sie glaubte nicht, dass es Em war – die Not der Elfe war offensichtlich echt.
Anna seufzte. „Also, wenn wir glauben, dass jemand wieder versucht, dich umzubringen, sollten wir dann nicht vergessen –"
„Nein."
„Aber du hast es Mr. Journey versprochen!"
„Ich hab' versprochen, nicht in den Keller zu gehen oder Elfen zu misshandeln. Oder Mutproben von Larry Albo anzunehmen." Alexandra verschränkte die Arme und dachte nach. „Ich hab' jetzt keine Wahl. Ich muss einfach selbst ein bisschen Aufklärung betreiben."
„Ein bisschen was?" Anna runzelte die Stirn.
„Aufklären. Das bedeutet, rumzuschleichen und rauszufinden, wo die Sachen so sind."
„Das bedeutet, wieder in Schwierigkeiten zu geraten."
„Ich werd' –"
„Sag es nicht einmal, Alex."
Alexandra beschloss, dass sie herausfinden musste, wie sie sich an Miss Marmsley vorbeischleichen konnte. Ihr war aufgefallen, dass die Zauberer und Hexen auf den Gemälden, die die Flure und die Wände der Bibliothek säumten, dazu neigten, nach Feierabend einzuschlafen. Sie hatte sogar den alten Hexenmeister, der die Delta Delta Kappa Tau-Halle beaufsichtigte, ein paar Mal beim Nickerchen erwischt. Sie hoffte, dass Miss Marmsley auch schlief.
Sie wartete bis zum nächsten Wochenende und stellte ihren Wecker auf drei Uhr morgens. Anna wachte mit ihr auf, während Charlie sie vorwurfsvoll anschrie.
„Diesmal bleibst du hier", sagte sie zu Anna. „Wenn ich erwischt werd', sag' ich einfach, es war eine weitere Mutprobe. Ich werde nicht versuchen, ins Registerbüro zu kommen. Ich will nur sehen, ob ich es finde und wieder zurückkomme."
Anna nickte resigniert.
„Du solltest wieder schlafen gehen", sagte Alexandra. Anna nickte erneut.
Alexandra zog sich an, behielt aber ein Paar weiche Pantoffeln an, öffnete vorsichtig die Tür zu ihrem Zimmer, schlüpfte hinaus und schloss sie hinter sich.
In der Delta Delta Kappa Tau-Halle war es still. Sie näherte sich vorsichtig dem Eingang, aber als sie aufsah, schlief der alte Hexenmeister tatsächlich. Sie ging die Treppe zum Eingangsfoyer hinunter, dann den Hauptflur entlang, vorbei an der dunklen und leeren Cafeteria, und näherte sich dem Verwaltungsflügel.
Der Korridor hier war nicht ganz dunkel; ein paar Laternen glühten noch, genug, um zu sehen. Alexandra schlich sehr langsam zum Eingang des Hauptbüros. Das Porträt der Schulsekretärin hing dort, wo sie jeden sehen konnte, der sich näherte. Kurz bevor sie durch den Eingang ging, zog Alexandra eine gestrickte Skimütze unter ihrem Hemd hervor und zog sie sich tief ins Gesicht. Anna hatte mehrere Zaubersprüche vorgeschlagen, mit denen sie sich vorübergehend verkleiden könnte, aber Alexandra hatte sofort eine nicht-magische Lösung im Sinn, eine, die nicht so schwierig zu erklären wäre, wenn sie irgendwo anders auf den Fluren von einem Fakultätsmitglied erwischt würde. Wenn Miss Marmsley sie im Dämmerlicht tatsächlich sah, würde sie zumindest ihr Gesicht nicht sehen.
Aber Miss Marmsley saß noch immer mit senkrechtem Rücken und geraden Schultern in ihrem Stuhl, hatte das Kinn nach vorne geneigt und den Hut die Stirn hinuntergerutscht und schlief tief und fest.
Alexandra ging sehr langsam und vorsichtig an ihr vorbei, an der Bank vorbei, auf der sie so oft gesessen hatte, und am Büro der Dekanin vorbei zur Treppe. Dort war eine Tür, und als sie sich öffnete, klickte sie leise. Alexandra erstarrte, aber sie hörte kein Geräusch von Miss Marmsley. Sie setzte ihren Fuß auf die erste Stufe und ging die Treppe hinauf.
Oben angekommen sah sie nur einen weiteren Korridor. Weitere Büros der Fakultät. Es gab eines für die Dekane der zehnten, elften und zwölften Klasse und zwei weitere Türen ohne Schilder und dann, am Ende des Korridors, eine schlichte Holztür mit der Aufschrift „Registerbüro".
Alexandra starrte auf diese Tür, und ihr Versprechen an Anna, dass sie nur bis hierher und nicht weiter gehen würde, erschien ihr plötzlich schwach und dumm. Wenn sie es bis hierher geschafft hatte…
Sie streckte die Hand aus und prüfte die Klinke. Natürlich war die Tür verschlossen.
Um ihren Plan vollständig ausführen zu können, brauchte sie mehr Übung mit Entsperrzaubern und mit Annas Tinten-Änderungs-Zauber. Anna hatte versprochen, sich eine Möglichkeit auszudenken, sie zu warnen, wenn jemand käme, während sie Wache hielt. Dies sollte eine Aufklärungsmission sein, nichts weiter. Doch wenn sie einfach hineinschlüpfen und die Schriftrolle des Registers finden könnte, könnte heute Nacht alles vorbei sein –
Ein Reim bildete sich auf der Zunge. Sie hatte zu Hause schon so viele Schlösser geöffnet, sogar ohne Zauberstab. Dann bemerkte sie eine Bewegung im Augenwinkel und drehte sich um, um zu sehen, wie Galen leise den Flur entlang auf sie zutrottete.
Alexandra starrte die Katze wütend an. „Husch!" sagte sie. Galen wurde langsamer, blieb aber nicht stehen und warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
Alexandra zog ihren Zauberstab und richtete ihn auf die Katze. Sie blieb stehen, setzte sich auf die Hinterbeine und sah Alexandra böse an.
„Ich sollte dich in eine Ratte verwandeln", sagte Alexandra.
Die Katze reagierte mit gesenktem Kopf, gewölbtem Rücken und einem Zischen.
Galen war Ms. Grimms Vertrauter, dachte Alexandra. Die Katze konnte sie vielleicht nicht verraten, aber es war wahrscheinlich unklug, ihre Drohung wahr zu machen. Und von der Katze entdeckt zu werden, machte sie unruhig. Sie glaubte nicht an Omen, aber dies schien ein guter Zeitpunkt zu sein, ihre Erkundung für erfolgreich zu erklären und sich zurückzuziehen.
„Böse Katze!" murmelte sie und ging die Treppe hinunter. Galen gab ein tiefes Knurren von sich.
Alexandra erwartete beinahe, Miss Marmsley wach vorzufinden oder dass ihr Eindringen einen anderen Alarm ausgelöst hatte, aber anscheinend war die Dekanin der Meinung, dass Miss Marmsley und ihre Katze ausreichend Sicherheit boten.
„Es war einfach", sagte sie zu Anna, die natürlich noch wach war, als sie in ihr Zimmer zurückkam.
„Vielleicht zu einfach", sagte Anna besorgt. „Und Galen hat dich gesehen."
„Galen ist eine Katze!" spottete Alexandra. „Darla hat eine Katze, und sie spricht nicht." Sie musterte ihre Mitbewohnerin mit einem anklagenden Blick. „Wenn du einen Rückzieher machen willst –"
„Nein", sagte Anna schnell. Und sie holte Luft und begegnete Alexandras Blick. „Ich habe dir gesagt, ich werde dir helfen. Ich weiß, dass du das tun wirst, ob ich dir helfe oder nicht. Aber jemand muss vorsichtig sein, und das wirst nicht du sein."
„Ich war vorsichtig. Ich bin nicht erwischt worden." Und dann gähnte Alexandra, anstatt den Streit fortzusetzen. „Gehn wir schlafen."
Wie sich herausstellte, waren ihre Intrigen nicht unbemerkt geblieben. David und die Pritchards trieben Alexandra eines Tages in die Enge, um sie zu fragen, was sie und Anna vorhatten.
„Nichts", sagte Alexandra.
„Sieht Anna deshalb in letzter Zeit so nervös aus?" wollte David wissen.
„Anna sieht immer nervös aus."
„Normal wegen dir."
Alexandra starrte ihn wütend an. „Hast du sie auch ausgefragt?"
„Ich hab's versucht. Sie sagt, du hast nichts vor. Sie ist keine so gute Lügnerin wie du."
Alexandras Mund verzog sich zu einem finsteren Blick und sie schaute weg.
„Warum hast du uns nicht um Hilfe gebeten?" fragte Constance.
Alexandra sah sie an. „Ich möchte nicht, dass du in die Sache verwickelt wirst."
„Also macht es dir nichts aus, Anna in die Sache zu verwickeln?" fragte Forbearance.
Alexanda biss sich auf die Lippe.
„Alexandra Quick, du bist unsere Freundin", sagte Constance. „Aber Anna auch."
„Du solltest besser wissen, was du tust", sagte Forbearance.
„Ich werde nicht zulassen, dass Anna verletzt wird", sagte sie.
„Was glaubst du, wer du bist –", sagte Constance.
„– dass du sagst, was du zulassen wirst?" beendete Forbearance den Satz.
Das war Brians Rüge vor Monaten so ähnlich, dass Alexandra einen Moment lang stotterte.
„Du denkst immer, du weißt, was du tust", sagte David.
„Und beziehst deine Freunde mit ein", sagte Constance.
„Besonders Anna", stimmte Forbearance zu.
„Das ist etwas, das ich tun muss!" sagte Alexandra plötzlich energisch und erschreckte die anderen drei mit ihrer Vehemenz. Sie hörten auf zu schimpfen, als sie sie alle wütend anstarrte. „Ich hab Anna gesagt, dass sie mir nicht helfen muss. Ich hab sie sogar gebeten, sich nicht einzumischen. Aber ich werde es mit oder ohne ihre Hilfe tun."
Constance und Forbearance sahen sich an, während David Alexandra musterte.
„Wenn es so wichtig ist", sagte Constance langsam.
„Dann lass uns auch helfen", sagte ihre Schwester.
Alexandra schüttelte den Kopf. „Danke", sagte sie leise, „aber ihr anderen könnt wirklich nichts tun."
„Also, kannst du uns wenigstens sagen, was es ist?" fragte David.
Alexandra schüttelte erneut den Kopf. „Wenn ihr es nicht wisst, könnt ihr nicht in Schwierigkeiten geraten, weil ihr nichts sagt."
„Wir können immer noch in Schwierigkeiten geraten, weil wir deine Freunde sind", bemerkte David düster.
Sie schwieg einen Moment und fragte dann leise: „Bittet ihr mich, es nicht zu tun?"
„Würde es was nützen?"
Sie biss sich auf die Lippe und wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Wenn du sagst, es ist wichtig, Alexandra...", sagte Constance.
„...dann glauben wir dir", sagte Forbearance.
Sie senkten ihre Stimmen. „Aber es sei auf deine Haube, wenn es irgendwelche Konsequenzen für Anna gibt."
„Wir werden dich zur Verantwortung ziehen."
Alexandra nickte. „Das werde ich auch", sagte sie leise. „Wenn einem von euch etwas passiert."
