EINS
Toru starrte in Saori Shirosakis vor Schock geweiteten Augen und war sich sicher, dass er sie nicht weniger erschrocken ansah. Sein Blick huschte über ihre nackten Schultern, das ausladende Dekolleté und dann an ihrem engen blauen Kleid entlang, ehe ihm bewusst wurde, wie unverhohlen er sie gerade unter die Lupe nahm. Schnell ließ er den Blick prüfend durch den Hostessenclub wandern, dann sah er wieder zu ihr zurück, wollte sie stumm fragen was sie hier machte, doch Saori hatte ihre Aufmerksamkeit nun ebenfalls von ihm abgewandt und unterhielt sich mit seinem Freund Ryoma.
„Ihr seid also wegen eines Geburtstagkindes hier?", fragte die Hostess auf der Couch neben Toru und sah erwartungsvoll in die Runde. „Wer ist denn der Glückliche?"
Takeshi grinste und fuhr sich mit den Fingern durch seine dunklen Locken. „Das bin dann wohl ich."
Die Dame klatschte breit lächelnd in ihre Hände. Toru war sich sicher, dass sie ihm vorgestellt worden war, aber alles vor der Begegnung mit Saori schien nun aus seinem Kurzzeitgedächtnis wie gelöscht. „Dann lasst uns alle auf Takeshi anstoßen", meinte sie fröhlich.
Gläser wurden in die Luft gehoben und klirrten aneinander. Saoris Blick glitt dabei an Toru vorbei. Um ihre Mundwinkel zuckte es. Sie war die Einzige, deren Lächeln nicht ihre Augen erreichte.
Toru wäre gerne entspannter gewesen, aber er konnte sich ihre Anwesenheit an dem Tisch als Hostess nach wie vor nicht erklären und es missfiel ihm, dass Ryoma offensichtlich Gefallen an ihr gefunden hatte. Er kannte seinen Freund lang genug um zu wissen wie er Frauen ansah, die ihm gefielen. Dabei ging es nicht darum, dass er vielleicht ein Mistkerl war – nein, leider war er alles andere als das – sondern eher darum, dass es ausgerechnet Saori war, die er nun wieder angrinste – und es war ausgerechnet Saori, die jetzt tatsächlich zurücklächelte. Dieses Mal breiter, als würde sie es wirklich ehrlich so meinen. Das fiese Gefühl der Eifersucht begann in Torus Brust aufzulodern.
„Warum schaust du denn so grimmig?", fragte die Dame neben ihm, an deren Namen er sich immer noch nicht erinnern konnte. Ihr Blick war neckisch.
Er hob die Augenbraue. „Vielleicht schaue ich immer so." Ihm war bewusst, dass die Art wie er es sagte unhöflich und abweisend war, aber er konnte dem nichts abgewinnen hier zu sein. Toru hatte sich nur von Ryoma anlässlich Takeshis Geburtstag zu diesem Besuch überreden lassen.
„Eigentlich hast du ein zu hübsches Gesicht für diesen Blick." Die Frau schenkte Toru einen koketten Augenaufschlag und wenn er nicht gewusst hätte, dass schöne Worte zu ihrem Geschäft gehörten, wäre er tatsächlich geschmeichelt gewesen. Stattdessen flog sein Blick unbeeindruckt wieder über den Tisch hinweg zu Saori, die weiterhin in eine Unterhaltung mit Ryoma vertieft war.
Die Augen der Hostess folgten den seinen. „Gefällt dir Saori?", fragte sie unverblümt.
„Nein", erwiderte Toru schnell. „Nein, ich meine, so meinte ich das nicht. Es ist nur-" Er verstummt. Toru spürte, wie er rot wurde. Sein Stammeln war ihm unangenehm und er wusste nicht, ob es Saori Recht war ihre Bekanntschaft zu erwähnen.
„Keine Sorge, ich versuche nicht beleidigt zu sein", sagte sie mit einem breiten Lächeln und zwinkerte ihm zu. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit aber wieder auf Takeshi, was ihm allerdings ganz recht war. Toru heuchelte Interesse vor, als er ihrem Gespräch mit Takeshi lauschte, behielt aus dem Augenwinkel allerdings Saori und Royma weiterhin im Blick.
Je weiter der Abend voranschritt, desto unruhiger schien Saori zu werden. Ihre Augen flogen immer wieder verstohlen auf die Armbanduhr zu ihrem Handgelenk und für Toru war das Beweis genug, dass sie wirklich nicht aus reiner Lust und Laune heraus tatsächlich einen Nebenjob als Hostess begonnen hatte.
Es war gegen halb elf Uhr abends, als sie sich irgendwann erhob und einen entschuldigenden Blick in die Runde warf. „Ich muss euch leider verlassen", erklärte sie. Ihr aufrichtiges Bedauern war genauso gespielt wie ihre Versuche eines aufrichtigen Lächelns. Toru durchschaute sie sofort. „Eine Kollegin wird euch Gesellschaft leisten."
Royma sah enttäuscht aus und auch Toru war enttäuscht, weil sie ihn nicht Mal zum Abschied einen Blick in die Augen schenkte. Quälend lange zehn Minuten führte er einen inneren Kampf es ihr gleich zu tun. Als schließlich eine neue Dame zu ihnen an den Tisch kam, nutze er die Gunst des Augenblicks – Takeshi schien sich an der weiblichen Gesellschaft ohnehin mehr zu erfreuen als, dass er Wert auf seine Anwesenheit legte.
Toru hoffte inständig, dass er noch nicht zu spät war. Vor dem Club hielt er auf der belebten Straße von Kamurocho Ausschau nach Saori und tatsächlich entdeckte er sie gerade noch im letzten Moment, wie sie einige Meter von ihm entfernt dabei war in ein Taxi zu steigen. Sie trug jetzt ein dunkles Sweatshirt, eine enge Leggings und alles an ihr schrie nach einem Geheimnis, dass er unbedingt lüften wollte. Toru drängte sich an den Menschen vorbei, sprintete zum Taxi und schaffte es gerade noch die Autotür auf der anderen Seite aufzureißen und sich neben sie auf die Rückbank zu schieben.
„Hey!" Der Fahrer wirbelte empört auf seinem Sitz zu ihm nach hinten herum. „Sie können hier nicht einfach hereinplatzen. Ich habe bereits einen Fahrgast. Raus mit Ihnen!"
Saori stöhnte genervt und schenkte ihm einen finsteren Seitenblick, der so ganz anders als die höflichen Blicke war, die er sonst von ihr gewohnt war. „Er gehört zu mir und jetzt folgen Sie bitte dem Auto!", sagte sie gehetzt zum Taxifahrer.
Im Rückspiegel konnte Toru erkennen, dass dem die Situation alles andere als recht war. Weder Torus Anwesenheit, noch sein eigener Auftrag. Saori musste ihm ein lukratives Angebot gemacht haben, was ihn letztendlich dazu verleitete tatsächlich kommentarlos das Auto in Bewegung zu setzen, um einem anderen Taxi einige Meter weiter vor ihnen zu folgen, das sich bereits durch den Nachtverkehr schlängelte.
„Wir verfolgen jemanden?", fragte Toru sie neugierig.
„Wir verfolgen niemanden", erwiderte Saori. „Ich verfolge jemanden. Was machst du hier?"
„Ich verfolge mit dir jemanden."
Saoris Augenbraue flog in die Höhe und sie presste kurz ihre Lippen aufeinander. Es stand ihr unverschämt gut, wenn sie sich ärgerte. Toru konnte nicht leugnen, dass es ihn erregte. „Seit wann bist du so?", fragte sie spitz.
„Besorgt?" Toru zuckte mit den Schultern. Er grinste. „War ich schon immer."
„Es gibt keinen Grund sich Sorgen zu machen."
„Du gehst einem Job nach, der eigentlich nicht deiner ist und du jagst nachts irgendwelchen Leuten in Autos hinterher. Wie kann man sich da keine Sorgen machen?"
Saori quittierte seine Worte lediglich mit Schweigen, doch Toru blieb hartnäckig. „Wieso ist Yagami nicht hier? Sollte er nicht bei sowas dein Schatten sein?"
„Es ist etwas privates", erklärte sie ausweichend.
Nun hob er die Augenbraue. Er war kein Idiot. Yagami klebte eigentlich an ihr wie Honig und er war der Erste, der von ihr einen Anruf bekam, wenn sie Hilfe brauchte. „So privat, dass du nicht mal ihn einweihen konntest?"
Stumm starrten sie einander an und Saori schien klar zu werden, dass Toru nicht lockerlassen würde. Sie seufzte resigniert. „Mafuyu hat jemanden online kennen gelernt. Er heißt Ren. Die beiden treffen sich bald. Ich will herausfinden, ob man dem Kerl trauen kann. Er arbeitet als Host, deswegen hatte ich mich da eingeschleust. Ich habe ihn die letzten Tage beobachtet und heute mitbekommen, dass er eher wegmusste."
Toru blinzelte sie ungläubig an. „Das ist …" Er verstummte, wagte es nicht es auszusprechen.
„Das ist was?", fragte sie mit gefährlichem Unterton.
„Verrückt und übertrieben", erwiderte er nun schlicht. „Und du weißt das."
Saori zuckte mit den Schultern. „Ich war schon immer besorgt", wiederholte sie seine Worte mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck.
Plötzlich hielt das Taxi an und Saori richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Fahrerfenster. Das Taxi vor ihnen hatte ebenfalls angehalten. Ein paar Sekunden später stieg ein attraktiver Mann aus. Toru schätzte ihn nicht älter als 30. Schnell zückte Saori ihr Portemonnaie und bezahlte den Fahrer, dann drängte sie Toru aus dem Wagen. Ren hat ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt und lief bereits in eiligen Schritten die Straße entlang.
„Wir könnten das jetzt einfach lassen und uns noch irgendwo einen Abendsnack gönnen", schlug Toru halbherzig vor, obwohl ihm bereits klar war, dass sie sich niemals darauf einlassen würde.
„Du kannst dich gerne verabschieden", sagte Saori, zerrte aber gnadenlos an dem Ärmel seines Jacketts, um ihn hinter sich die Straße entlang zu schleifen.
Und obwohl ihr Plan der albernste war, den er jemals gehört hatte, konnte er sie nicht einfach damit alleine lassen, immerhin war es die perfekte Gelegenheit Zeit mit ihr zu verbringen.
Saoris Opfer kam vor einer Bar zum Stehen, was dazu führte, dass Saori und er ebenfalls einige Meter von ihm entfernt anhielten. Sie drehte Toru so, dass er mit dem Rücken zu Ren stand, spähte über seine Schulter und verzog dabei so dermaßen ernst das Gesicht, dass Toru am liebsten laut losgepustet hätte. Er hatte tatsächlich nicht erwartet, dass dieser Abend eine so amüsante Wendung nehmen würde.
Auf einmal wurden Saoris Augen groß. „Eine Frau", keuchte sie erschrocken.
Toru schielte über seine Schulter und beobachtete, wie Ren von einer hübschen Frau mit langem dunklem Haar und einem anziehend kurzen Kleid in Rot begrüßt wurde. Sie sah aus wie die Sünde pur. Eine Verführung auf zwei Beinen und Toru konnte Saoris bösen Blick durchaus nachvollziehen. Ren und die Frau gingen plaudernd gemeinsam weiter die Straße entlang. Saori folgte ihnen mit angespannter Miene, Toru trottete ihr hinterher.
„Das muss nichts zu bedeuten haben. Ich bin auch mit vielen Frauen bekannt und nicht mit jeder davon habe ich geschlafen."
Saori presste ihre Lippen aufeinander. „Zu viele Details", knurrte sie.
„Ich wollte dich nur beruhigen", antwortete er betont unschuldig.
Sie folgten dem Pärchen zur U-Bahn. Im Untergrund hatten sie Schwierigkeiten ihnen dicht auf den Fersen zu bleiben und nicht bemerkt zu werden, doch sie schafften es trotzdem die gleiche Bahn der Ginza-Linie zu erwischen.
Die beiden stellten sich zum Ausgang, der am weitesten von Ren und der Frau entfernt war und Saori lugte wieder neugierig über Torus Schulter, um sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Toru beobachte, wie sie kritisch die Stirn runzelte und sich eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen bildete.
Ein Ruck ging durch die Bahn. Saori strauchelte und bevor sie das Gleichgewicht verlieren konnte, hatte er bereits die Hand auf ihren Rücken gelegt und sie dichter an sich gezogen. Mit großen Augen flog ihr Blick empor zu seinem Gesicht, blieb daran haften und Toru war sich der Nähe ihres Körpers und ihrem kitzelnden Atem an seinem Hals plötzlich übergenau bewusst. Noch näher und sie würde wahrscheinlich sein Herz spüren, dass wie ein Presslufthammer gegen seine Brust pochte. Er bildete sich ein, dass in diesem Moment jeder in seinem Gesicht sehen konnte, wie hoffnungslos verliebt er in sie war und wahrscheinlich sah auch sie es, denn sie wandte sich wieder von ihm ab um ihren Fokus auf ihr eigentliches Ziel zurück zu richten, doch Toru bildete sich ein, dass ihr Blick dabei eigentlich ins Leere ging.
Schweigend fuhren sie sechs weitere Stationen, ehe Ren mit seiner Begleitung die U-Bahn wieder verließ und sie sich erneut an ihre Fersen hafteten. Ihr Weg führte zu einem örtlichen Konbini und sie einigen sich darauf um die Ecke in einer dunklen Gasse neben dem Geschäft darauf zu warten, bis das Pärchen ihre Einkäufe erledigt hatten.
Toru lehnte sich an die Wand der Gasse und nutze den Umstand, dass man ihn in der Dunkelheit schlecht sah. Er zündete sich eine Zigarette an und blies genüsslich den Rauch in die Luft. „Für mich sieht das immer weniger nach einem romantischen Date aus", sagte er.
„Vielleicht ist sie seine Freundin und die beiden gehen bloß nach Hause."
„Warum bist du so misstrauisch?"
„Mafuyu hat ihn immerhin online kennen gelernt. Da lauert alles Mögliche auf einen."
„Du klingst wie eine Oma."
Saori warf ihm einen scharfen Blick zu. „Hast du etwa so viel Erfahrung mit Online-Dating?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
„Ich hatte Tinder", erklärte er dann. „Und du wirst es nicht glauben, da findet man auch ganz normale und nette Menschen ohne Hintergedanken."
„Und das waren so tolle Erlebnisse, dass du es hattest", stellte sie trocken fest. Die Vergangenheitsform war ihr durchaus aufgefallen.
„Nun, ich bin sehr beschäftigt", erwiderte Toru gedehnt und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Ich habe noch nicht mit jeder meiner Bekannten geschlafen, schon vergessen?"
Saori rollte mit den Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Mittlerweile bereitete es ihm höllisches Vergnügen sie auf diese Art zu necken und er konnte nicht mal genau festmachen, wann im Laufe dieses Abends sie diese höfliche Distanz zueinander abgelegt hatten und, ob sie heute überhaupt da gewesen war. Plötzlich verspannte sie sich wieder, als sich die Türen des Konbinis öffneten und reckte den Kopf weiter aus der Gasse. Toru zog sie zurück in die Schatten, da Ren und die Frau nun wieder in ihre Richtung kamen. Sie lachten miteinander. Es war belangloses Geplänkel, dass nach wie vor nicht so wirkte, als würde eine sexuelle Beziehung, geschweige denn auch nur der Hauch von Romantik zwischen ihnen bestehen.
Als sie an ihnen vorbeispaziert waren und wieder Sicherheitsabstand herrschte, drückte Toru seine Zigarette auf dem Boden aus und Saori griff nach seiner rauchfreien Hand, um ihn wieder mit sich zu ziehen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie einander inzwischen berührten machte Toru ganz schwindelig, aber er verstärkte den Griff um ihre zierlichen Finger und genoss, dass es sich für ihn nach mehr anfühlte, so, als würde dieser Abend eine vertraute Nähe zwischen ihnen geschaffen haben.
Nach einigen Minuten erreichten sie eine Wohnsiedlung und plötzlich blieb das Paar auf der Straße vor ihnen stehen. Grund dafür waren vier große Männer, die einige Meter vor ihnen im Weg standen. Die Männer sahen aus, als hätten sie auf etwas gewartet und tatsächlich setzen sie sich in Bewegung und gingen auf die beiden zu, nachdem sie sie entdeckt hatten. Ren stellte sich schützend vor die Frau und Toru erkannte, dass sie sich in einer ersten Lage befanden. Saori sog neben ihm scharf die Luft ein.
„Halt dich versteckt", zischte er ihr zu.
„Pass auf dich auf!", verlangte Saori und Angst schwang in ihrer Stimme mit. Sie trat einige Schritte zurück und versteckte sich wieder in den Schatten einer Häusergasse.
Toru gelang es gerade noch rechtzeitig einzugreifen, bevor die Faust von einem der Männer Rens Gesicht erreichte. Er fing seine Hand in der Luft ab und schubste ihn grob zurück zu seinen Freunden. Sofort nahmen ihn die Männer mit bösem Blick ins Visier.
„Vier gegen zwei erscheint mir etwas unfair", sagte Toru mit kühler Stimme. „Ich bin euer Gegner, nicht sie."
„Hast du mit dem auch gevögelt?", schrie der Angreifer die Frau an.
Sie öffnete ihren Mund, doch sie war zu verängstigt um ein Wort hervorzubringen.
„Ich kenne die Lady nicht", antwortete Toru stattdessen. „Ich helfe, weil ich sehe, dass ihr Schweine seid."
Der Angreifer knurrte mit den Zähnen und wie auf Kommando stürzten sie sich zu viert auf Toru. Obwohl Toru nicht mehr so viel Training wie früher hatte, wehrte er ihre Attacken mit Leichtigkeit ab. Sie waren zu ungestüm, nicht koordiniert und bewegten sich schwerfällig. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen wie Ren ebenfalls in den Kampf miteingriff und sich einen der Männer als Gegner schnappte. Er war kein Kämpfer und seine Angriffe hatten kaum Kraft, aber er versuchte sich tapfer neben Toru zu behaupten. Ihre Angreifer hielten sich nicht zurück und attackierten sie mit einer unbändigen Wut. Fäuste flogen, Ellbogen wurden ausgestreckt und mit Füßen getreten. Toru verteilte geschickte schnelle Hiebe, die seine Gegner der Reihe nach zu Fall brachten und nach nur wenigen Minuten lagen alle mit verschwitzen und zornigen Gesichtern auf dem Boden.
Bedrohlich baute sich Toru vor dem Häufchen Elend, dass aus den vieren geworden ist, auf. „Ihr werdet euch den Tojo-Clan zum Feind machen, wenn ihr noch einmal versucht die Hand gegen die beiden zu erheben", sagte er mit eisiger Stimme.
Es war bloß ein Bluff, weil seine Zeit bei den Yakuza schon lange zurück lag, aber er verfehlte seine Wirkung nicht. Aufgrund seines Kampftalents schenkten sie ihm Glauben. Verängstige Blicke wurden ausgetauscht und sie erhoben sich zögerlich mit wackligen Beinen. Ihr Anführer verbeugte sich leicht, obwohl nach wie vor der Hass in seinen Augen funkelte. „Es tut uns leid", sagte er zähneknirschend.
Dann zögerten sie keine Sekunde mehr und rannten in die andere Richtung davon. Toru sah sich nach Ren und der Frau um. Sie wirkten ebenfalls verängstigt, aber bis auf eine blutende Lippe bei Ren schienen sie unverletzt.
„Du warst unglaublich." Die Frau hatte ihre Sprache wiedergefunden und starrte ihn fast schon ehrfürchtig an.
Ren lächelte erleichtert. „Danke, ernsthaft."
„Du blutest", stellte die Frau schließlich fest und kam einige Schritte auf ihn zu. Rens blutende Lippe ließ sie dabei vollkommen außer Acht. Sie stellte sich vor ihn auf Zehenspitzen, berührte plötzlich seine Wange und wischte sachte mit dem Daumen über sein Gesicht. Unangenehm berührt flog Torus Blick zu Ren, doch der sah eher genervt als eifersüchtig aus.
„Muss das sein, Aimi?", fragte er. „Du hast gerade gesehen in welche Situation dich das immer wieder bringt."
Aimi stemmte verärgert die Hände in die Hüften. „Ich habe ihm Blut aus dem Gesicht gewischt und ihm keinen Heiratsantrag gemacht." Dann sah sie Toru wieder direkt in die Augen und zwinkerte ihm lächelnd zu. „Ich würde dich aber tatsächlich gerne kennen lernen."
Toru schluckte. Aimi war zwar eine verführerische Schönheit, doch seine Augen glitten an ihr vorbei über die Straße um nach Saori Ausschau zu halten. Der konnte er wenigstens nun erzählen, dass ihre Sorge um Mafuyu unbegründet war. Zumindest lief zwischen Aimi und Ren definitiv nichts. „Ich fühle mich geschmeichelt, allerdings habe ich kein Interesse", antwortete Toru mit so viel aufrichtigem Bedauern, wie ihm möglich war.
Aimi starrte ihn wie vor den Kopf gestoßen an. Sie war es wohl nicht gewohnt einen Korb zu bekommen. „Schade", sagte sie schließlich und presste ihre Lippen zu einem dünnen Strich aufeinander.
Ren legte Aimi die Hand auf den Rücken. „Lass uns gehen", sagte er zu ihr und sah Toru dann entschuldigend an. „Gute Nacht und nochmal vielen Dank."
Toru ging in die andere Richtung die Straße entlang und suchte nach der Gasse, in die er hat Saori verschwinden sehen. Es fand sie schließlich mit besorgter Miene aus den Schatten spähend. Als sie ihn entdeckte, kam sie ihm erleichtert entgegen. Ihre Augen musterten ihn von Kopf bis Fuß. Er wusste, dass sie ihn auf Verletzungen überprüfte. „Du bist unverletzt", stellte sie dann fest und schenkte ihm eines ihrer seltenen Lächeln.
„Es freut sich sicher auch zu hören, dass die weibliche Gefahr für Mafuyu zumindest fürs Erste gebannt ist. Die Frau – sie heißt übrigens Aimi – hat mich angemacht."
Saori blinzelte ihn verwirrt an.
„Ren und sie sind scheinbar wirklich nicht zusammen", versuchte Toru es nochmal verständlicher auf den Punkt zu bringen. „Sie sind nur Freunde, Familie – was auch immer. Laufen tut da aber definitiv nichts."
„Das wird Mafuyu sicher freuen." Wieder lächelte Saori und Toru gefror das Blut in den Adern.
Eine Lüge. Es gab keine Frau, die ein Lächeln so schlecht schauspielern konnte wie Saori und mal abgesehen davon, war es ein merkwürdiger Kommentar von ihr. Mafuyu wusste doch mit Sicherheit nichts von Saoris selbstauferlegter Beschattungsmission. Welche Freundin würde so etwas gutheißen und erlauben?
„Sie hat dich angemacht?", fragte Saori nun in fast beiläufigem Tonfall. „Ihr habt Nummern getauscht?"
Toru ging jedoch nicht auf ihre Frage ein. Er musterte sie skeptisch. Eine wilde Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an und er hoffte inständig, dass er sich irrte. „Er ist nicht Mafuyus Online-Bekanntschaft, sondern deine."
Ein Rotschimmer stahl sich auf Saoris Gesicht und obwohl sie sich ertappt fühlte und die Situation ihr unangenehm war, reckte sie ihm herausfordernd das Kinn entgegen. „Hast du wirklich geglaubt ich bin so verrückt und spioniere Mafuyus Bekanntschaften hinterher? Sie würde mich in der Luft zerfetzen, wenn sie sowas herausbekäme."
Dass was sie stattdessen getan hatte war auf der Übertriebenheitsskala Torus Meinung nach allerdings nach wie vor sehr weit oben.
Ärger und Enttäuschung brannten in seiner Brust. Er hatte tatsächlich geglaubt sie waren sich in den letzten Stunden nähergekommen und jetzt stellte er fest, dass ihr Interesse eigentlich einem ganz anderen Mann galt. Eine melodramatische Stimme in seinem Kopf redete ihm plötzlich ein, dass sie selbst während ihrer Beziehung mit Hoshino für ihn noch nie so unerreichbar wie jetzt gewesen war.
Toru verschränkte die Arme vor der Brust. „Glaubst du, dass es bei deinem Date gut ankommt, wenn er von seiner neuen Flamme vor dem ersten Treffen sogar schon am Arbeitsplatz abgecheckt und verfolgt wurde?"
„Ich habe darauf geachtet, dass er mich nicht sieht."
Die melodramatische Stimme wurde von der fiesen abgelöst, die sich wünschte, dass sie dabei kläglich gescheitert war.
„Ich verabschiede mich jetzt. Das Bett ruft", verkündete Toru. „Unser kleines Abenteuer ist damit ja nun geschafft und Prinz und Prinzessin können bis ans Ende ihrer Tage glücklich werden."
Er war so zornig, dass es ihm egal war, dass er wie ein trotziges Kind klang.
Saori legte den Kopf schief. „Wieso bist du auf einmal so wütend?"
„Ich bin wütend, weil du nicht ehrlich warst! Hätte ich gewusst, dass dieser ganze Quatsch für dich ist, hätte ich mich niemals von dir mitzerren lassen."
„Was sind das denn plötzlich für Töne?", rief Saori empört. „Achtung, es folgt jetzt ein Zitat: Ich verfolge mit dir jemanden. Das hast du zu mir gesagt. Ich wollte dich von Anfang an nicht dabeihaben. Und außerdem ist es doch wohl egal ob es nun mich oder Mafuyu betrifft!"
„Nein, das ist es eben nicht!"
„Und wieso nicht?"
Toru machte ohne zu überlegen einen großen Schritt auf sie zu, der Saori zurückweichen ließ. Er drängte sie zurück in die Gasse und sie stieß gegen die Wand. Seine Hände stützten sich links und rechts neben ihrem Gesicht ab. Ihre Augen glühten vor Streitlust.
„Weil ich scharf auf dich bin, verdammt nochmal und jetzt sag mir nicht, dass dir das bisher nicht klar war!", schrie er.
Saoris Augen wurden groß, antworten mit Schock und bestätigten damit, dass es ihr tatsächlich alles andere als klar gewesen war. Toru bereute augenblicklich jedes verdammte Wort und, dass er sich ihr gegenüber so nackt gemacht hatte, aber gleichzeitig durchströmte ihn Erleichterung bei dem Gedanken ihr ab jetzt nichts mehr vorspielen zu müssen.
Ab jetzt würde sie ihn sicher meiden, wurde ihm klar. Sie würden sich nie wieder so nahe wie in diesem Moment sein. Etwas in seinem Kopf klickte. Er wusste selbst nicht was in ihn gefahren war, als er auf einmal seine rechte Hand an ihr Gesicht bewegte und zärtlich seine Finger ihre Wange entlang über ihre Haut hinab zu ihrem Hals wandern ließ. Saoris Atmung wurde unter seiner Berührung flacher. Sie wurde nicht panisch und stieß ihn nicht von sich, aber ihr Blick war wachsam, versprach ihm ihn wie eine Katze zu beißen, wenn etwas passierte, was ihr nicht gefallen würde. Toru nahm dieses Risiko in Kauf, als hätte sich sein Verstand vollkommen verabschiedet. Seine Finger wanderten über ihr Brustbein entlang, an ihrem Bauchnabel vorbei, über dem Bund ihrer Leggings und endeten schließlich in der Hitze zwischen ihren Beinen.
Saori öffnete ihren Mund, doch Toru legte ihr mit seiner anderen Hand den Finger auf die Lippen und bat mit den Augen weiterhin um ihr Schweigen. Nur ein verdammtes Mal wollte er sie dort spüren, nur einmal mitansehen, wie sie durch seine Finger kam. Toru begann sie durch den Stoff ihrer dünnen Hose zu reiben und ein Keuchen entwich Saoris Kehle. Sie ließ sich auf den Moment ein und lehnte ihren Unterkörper seinen Berührungen entgegen, während sie ihren Kopf in den Nacken legte. Ihre Augen waren weiterhin auf ihn gerichtet. Schamlos zeigte sie ihm ihre Lust und stöhnte in seine Bewegungen. Toru wurde schneller und verstärkte den Druck seiner Finger. Er ertrug den Schmerz seines harten Schwanzes, der gegen seine geschlossene Hose drückte. Es war seine Bestrafung dafür, was er hier tat, dafür, dass er diese Grenze zwischen ihnen überschritten hatte.
Und dann kam sie. Auf schmutzige Art und Weise in irgendeiner dunklen Straße mitten in der Nacht wurde sie zitternd durch seine Finger angetrieben vom Orgasmus überrollt. Nachdem die Welle verebbt war, blinzelte Saori, als würde sie zum ersten Mal wieder klarsehen und drückte ihn von sich.
Sie ging an ihm vorbei. „Gute Nacht", sagte sie und ließ ihn stehen.
Toru fand nicht den Mut Saori zu folgen und sie nach Hause zu begleiten, denn die Schuld über das was er gerade getan hatte erdrückte ihn.
Fortsetzung folgt …
