Kapitel 88 – Chaos

Oktober 1789. Die Übelkeit und das Erbrechen plagten sie schon seit einer Woche. Kurz nach dem Aufstehen und noch bevor sie ihre Morgenwäsche vollenden konnte, lief sie zu ihrem Nachttopf und würgte das Abendessen von gestern raus. Oscar wusste gleich bei der ersten Übelkeit, was mit ihr los war. Nach zwei Schwangerschaften und drei Geburten(,) erkannte sie die Anzeichen sofort. Der Ausfall ihrer Monatsblutung letzten und vorletzten Monat bestätigte ihr die Vorahnung, dass sie guter Hoffnung war. Diesmal war es ein gewolltes Kind, welches sie mit ihrem André im heißen Juli gezeugt hatte. Nur befanden sich André zusammen mit François und Marguerite auf dem Anwesen de Jarjayes und sie mit Augustin in Versailles. Wie könnte sie ihren Geliebten über sein Vaterglück informieren, überlegte Oscar während sie nach der Morgenwäsche frische Sachen anzog. Die Königin gab ihr bisher noch keinen Dienstfrei und André hatte sie bis jetzt auch noch nicht besucht. Nur ihr Vater konnte gelegentlich, im Auftrag des Königs, Versailles verlassen und nach seiner Rückkehr berichtete er nur darüber, was in Paris vor sich ging. Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter war kühl und distanziert. Wenn sie sich jedoch begegneten, besprachen sie nur das Wesentliche, was zum Schutz der Königsfamilie beitragen sollte. All die vergangenen Lügenspiele zwischen ihnen, sowie auch die unterdrückten Gefühle und Emotionen dem anderen gegenüber, wurden in Versailles mit keinem Wort erwähnt und jeder ging nur seinen Pflichten nach. Vielleicht sollte sie ihren Vater über ihre Schwangerschaft doch noch einweihen?

Nein, lieber nicht! Nach allem was er getan hatte und besonders wie er mit Augustin verfahren (hatte) war, wäre das eine schlechte Idee. Auch ihre Mutter wollte Oscar nicht einweihen. Obwohl Emilie de Jarjayes ebenso an der Seite ihrer Majestät weilte, das Liebesgeheimnis zwischen ihrer Tochter und André schon längst kannte, sie immer mit offenen Armen empfing und ihr und den Kindern nur das Beste wünschte, ließ Oscar sie lieber im Unwissen.

Oscar zog sich nach der Morgenwäsche schnell an, ordnete ihre Kleidung und verließ ihre Gemächer. Eine Uniform bekam sie nach ihrer Ankunft in Versailles nicht. Sie trug ganz gewöhnliche Kleidung, die sie früher (in) an dienstfreien Tagen getragen hatte. Und ihren noch fast flachen, aber wachsenden Bauch verdeckte die normale Kleidung viel besser, als die eng (liegende) anliegende Uniform. Oscar wusste zwar nicht, wie lange sie ihre Schwangerschaft noch vor den Augen der anderen Menschen verbergen konnte, aber hier in Versailles wollte sie niemanden darüber in Kenntnis setzen. Nicht einmal ihren Sohn Augustin, der sie tagtäglich und überallhin (sie) begleitete. Sie fand, dass ihr André solche Neuigkeiten als erster erfahren sollte und beschloss deswegen, es so lange wie möglich für sich zu behalten. Zumal ihr Sohn niemals alleine war. Der vierjährige Prinz Louis Charles war stets an seiner Seite zu sehen. Als Aufseher und Beschützer des Thronfolgers war es seine Pflicht, in der Nähe des kleinen Prinzen zu sein und auf ihn aufzupassen. Oscar war stolz auf ihn.

In ihrem Bauch breitete sich plötzlich ein mulmiges Gefühl aus, aber keine gewöhnliche Übelkeit. Wie eine dunkle Vorahnung kroch das unangenehme Gefühl von ihrem Bauch zu ihrem Brustkorb und bedrückte sie. Etwas würde heute geschehen, das spürte Oscar, aber konnte es nicht deuten.

Sie erreichte die Gemächer der Königin und klopfte kurz an. Ein Diener öffnete ihr die Tür und beim Eintreten(,) staunte Oscar. Wie eine Gemeinschaft der Verschwörer(,) stand die gesamte königliche Familie in einem Halbkreis und der König stellte ihrem Vater gerade die Frage: „Seit Ihr Euch sicher, General?"

Seit ihr Vater sie nach Versailles zurückgeholt hatte, dachte Oscar, hatte sie eine solche Versammlung mit der gesamten königlichen Familie(,) noch nicht beigewohnt. Sie setzte ihre Füße in Bewegung. Die Königskinder: Die elfjährige Marie Thérèse Charlotte und der vierjährige Louis Charles, nahmen eigentlich an Besprechungen zwischen ihren Eltern und Offizieren der königlichen Armee nie teil. Heute war anscheinend eine Ausnahme. Zusammen mit Augustin und Madame de Jarjayes standen sie zwischen ihren Eltern und General de Jarjayes und grüßten Oscar mit einem Nicken, um dann wieder gespannt dem Gespräch zu lauschen.

General Reynier de Jarjayes beachtete die Ankunft von Oscar nicht und antwortete mit einem ganz festen: „Ja, Eure Majestät, ich bin mir ganz sicher."

„Was ist vorgefallen?" Oscar erreichte die Gruppe und blieb an der freien Seite von Marie Antoinette stehen. Dabei verbeugte sie sich zu Begrüßung kurz vor den Majestäten.

König Louis XVI begrüßte Oscar ebenso mit einem Nicken. „Schön, dass Ihr zu uns stößt, Lady Oscar. Die Informanten Eures Vaters kamen gerade aus Paris und berichteten ihm, dass heute Morgen sich Tausende Frauen vor dem Rathaus der Hauptstadt versammelt und nach Brot gefordert hatten, aber wurden von dem Bürgermeister nicht angehört. Damit gaben sich die Versammelten nicht zufrieden und marschieren nun nach Versailles."

„Wie bitte?" Oscars (ungute) ungutes Gefühl nach einer schlechten Vorahnung verstärkte sich augenblicklich und das lag nun wirklich nicht an ihrer Schwangerschaft.

„Das ist noch nicht alles.", fügte General de Jarjayes hinzu, ohne seine Tochter zu beachten. Zwar hatte er es geschafft und seine Tochter nach Versailles zurückgebracht, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich versöhnt hatten. Es war einfach viel zwischen ihnen passiert, um das so schnell vergeben und vergessen zu können. Sie tolerierten sich gegenseitig und trugen nur die Maske der Höflichkeit zur Schau. „Mir wurde zusätzlich berichtet, dass nicht nur Frauen nach Versailles marschieren. Auch bewaffnete Nationalgardisten unterstützen sie und marschieren zusammen mit ihnen hierher. Wenn wir keine Maßnahmen ergreifen und sie aufhalten, dann werden sie Versailles am Nachmittag erreichen und hier alles verwüsten."

„Wir dürfen das auf gar keinen Fall zulassen!", empörte sich Marie Antoinette mit erschrockenem Gesichtsausdruck und jähzornigem Blick. „Wir sollen sofort Soldaten schicken und die Revolte niederschlagen!"

„Nein, auf gar keinen Fall!", mischte sich Oscar ein und schaute kurz zu der Königin. „Vergesst nicht, was am 14. Juli passiert ist. Das sind keine zehn oder (hundert) Hundert Menschen. Es sind (tausende) Tausende und so (viel) viele Soldaten haben wir nicht zu bieten."

„Und was schlägst du stattdessen vor?" Reynier schielte zu ihr. Auch wenn ihm ihre Einmischung nicht gefiel, gab er ihr dennoch recht: Sie würden nicht lange standhalten, um die ganze Revolte niederschlagen zu können.

„Verhandeln.", schlug Augustin vor. Wenn die Nationalgarde sich den Frauen anschloss oder sie sogar anführte, dann würde womöglich auch Alain dabei sein, dachte Augustin, und wo Alain war, dort würde sicherlich auch sein Vater in der Nähe sein. „Wir können mit der Nationalgarde verhandeln und ohne zusätzliches Blutvergießen(,) diesen Fall abschließen."

Oscar verstand was er meinte und hatte ähnliche Gedanke („einen ähnlichen Gedanken" oder „ähnliche Gedanken", also Mehrzahl?). „Eure Majestäten, lasst mich bitte den Frauen entgegen reiten und mit ihnen verhandeln. Es darf auf gar keinen Fall noch mehr Blut vergossen werden. Ein ähnliches Massaker, wie nach dem Sturm auf die Bastille, darf nicht noch einmal passieren!"

„Nein, Oscar.", lehnte Marie Antoinette kategorisch ab. „Ihr bleibt bei mir und meinen Kindern. Euer Adoptivsohn kann es dagegen als Vermittler versuchen."

Augustin als Vermittler gegen (tausende) Tausende, aufgebrachte Menschen? Oscar wollte sogleich etwas einwenden, als die Tür im Salon aufflog und ein Soldat der Torwache unverhofft hereinplatzte. „Sie sind schon hier! Die Pariser marschieren auf direktem Weg und zu (tausenden) Tausenden hierher!"

„Schließt die (Toren) Tore!", befahl der König dem Soldaten und sah zu Augustin. „Gehe und verhandle mit der Nationalgarde! Sag den Anführern, wenn sie und ihre Meute friedlich bleiben, werde ich die Frauen empfangen und ihr Anliegen anhören."

„Ich gehe mit ihm!", erbot sich Reynier de Jarjayes. Auch er wollte seinen Enkel nicht alleine gehen lassen.

„Nein, General de Jarjayes, ich brauche Euch an meiner Seite.", erklärte der König. „Augustin kommt ja selber aus Paris und wird wahrscheinlich mehr bei seinesgleichen bewirken, als einer von adliger Geburt (entweder „von adligem Geblüt" oder „ein gebürtiger Adliger", wobei ich die erste Variante bevorzugen würde.)." Der König und seine Familie (kannte) kannten immer noch nicht die Wahrheit und empfanden ihn als Findelkind aus dem Waisenhaus in Paris, den General de Jarjayes vor etlichen Jahren adoptiert hatte. Dem König war die bürgerliche Herkunft des Jungen von Vorteil. Noch bevor auch seine Mutter dagegen Einwände erhob, folgte Augustin schon dem Soldaten.

Regen. Augustin hasste Regen – er erinnerte ihn ständig an seine unglückselige Kindheit im trostlosen Dorf. Jetzt war er kein Kind mehr und wohnte schon seit langem nicht mehr dort. Mit gerade mal vierzehn Jahren diente er an der Seite seiner Mutter in Versailles und beschützte, so ähnlich wie sie, die königliche Familie. Zu seiner Hauptaufgabe gehörte es, in der (Näher) Nähe des Prinzen zu sein und ihn nicht aus den Augen zu lassen. Eine ganz einfache Aufgabe. Der kleine Prinz machte ihm nie Schwierigkeiten und Augustin musste zugeben, dass ihm die Rolle des Aufsehers gefiel. Jetzt jedoch befand sich Louis Charles mit seiner älteren Schwester in sicheren Räumen und wurden vom General de Jarjayes und der ehemaligen Kommandantin des königlichen Garderegiments Oscar François de Jarjayes beschützt. Er, Augustin, dagegen wagte sich nach draußen – einerseits auf Befehl des Königs und andererseits, weil er das auch so wollte.

Kleine, kalte Regentropfen fielen ihm ununterbrochen ins Gesicht, durchnässten bei jedem Schritt sein lockiges, dunkelblondes Haar und (sein) seinen Gehrock, aber er marschierte gezielt zu den Toren von Versailles. Er hörte die grollenden, zum größten Teil weiblichen Stimmen schon von Weitem und noch bevor er die dazugehörigen Menschen überhaupt sah. Immer lauter forderten sie (mit) die Herausgabe der Königin und des Königs. Die massiven und hohen Eisenstäbe des riesigen Haupttores wurden von vielen Händen umklammert und gerüttelt. Was hatte er sich nur dabei gedacht, fragte sich Augustin und erreichte das Haupttor. Der Wachsoldat, dem Augustin bis hierher gefolgt war, gesellte sich zu seinen drei Kameraden auf eine geordnete Distanz zu (der) den wütenden Bürger von Paris und genauso wie sie richtete er sein Bajonett gegen das Tor.

„Versailles schlemmt, Paris hungert!", riefen die Marktfrauen außerhalb der (Toren) Tore und rüttelten noch heftiger an den Eisenstäben, um sie zu durchbrechen. Einige Soldaten aus der Nationalgarde halfen ihnen sogar dabei.

„Wir werden das Tor nicht mehr lange halten können!", rief laut einer der Wachmänner in Richtung seines angekommen Kameraden. „Wo ist die Verstärkung?"

Was würde die Verstärkung hier ausrichten können? Augustin schüttelte ablehnend den Kopf und schob sich zwischen den Wachmännern. „Die Verstärkung wird nicht kommen! Die königliche Garde beschützt in erster Linie die königliche Familie!"

Der Hauptmann der Wache, der vor kurzem den Wachsoldaten nach Verstärkung geschickt hatte, war verblüfft, den Burschen anstelle von General de Jarjayes hier zu sehen. War er etwa die Verstärkung? Zum Nachdenken oder gar zu diskutieren war es jedoch kein richtiger Zeitpunkt. Die Stimmen schienen immer lauter zu werden, die (Toren) Tore wackelten gefährlich... „Was sollen wir denn tun? Was hat seine Majestät befohlen?!"

„Die Frauen reinlassen... Der König ist bereit, sie zu empfangen und ihr Anliegen (zuzuhören) anzuhören...", murmelte Augustin und schritt vor. Auf einer Armeslänge blieb er jedoch vor dem Tor stehen. „Hört mir zu!", rief er laut und wartete, bis die lauten Stimmen der Frauen leiser wurden. Zumindest vor ihm am Tor. Als er sich deren Aufmerksamkeit sicher war, sprach er laut und deutlich weiter: „Wir werden euch durchlassen, aber (verspricht) versprecht mir, dass ihr friedlich bleibt und niemand auf eurem Weg getötet wird!"

„Wir wollen die Königin! Sie ist für alles verantwortlich!", rief eine Stimme und gleich darauf ertönten sich zustimmende Laute.

„Die Königin wird euch auch empfangen, aber gebt mir erst einmal euer Versprechen, dass niemanden ein Leid zugefügt wird!", verlautete Augustin standhaft und obwohl ihm ein unangenehmer Schauer (am) über den ganzen Körper kroch und der Regen stärker wurde, rührte er sich nicht von der Stelle.

„Das sollen wir dir glauben?", spie eine Frau auf der anderen Seite und die ganz nah am Tor war. „Beweise es!"

„Der Bursche sagt die Wahrheit!", sagte eine tiefe Stimme gleich darauf und die Frau schaute fragend sich über die Schulter. Ein breitschultriger Nationalgardist mit rotem Tuch um den Hals schob sich zwischen ihr und dem Tor.

„Alain?" Augustin war baff, aber gleichzeitig auch erfreut, ihn zu sehen, denn sein vorheriger Plan schien aufzugehen.

„Natürlich. Ich führe doch die Nationalgarde an." Alain zwinkerte ihm zu und drehte sich zu der Frauenbewegung. „Die (Toren) Tore werden gleich geöffnet und ich werde euch persönlich (Anführen) anführen! Aber es soll dabei niemand getötet werden, denn die Soldaten hier erfüllen nur ihre Befehle und solange wir friedlich bleiben, werden sie es auch tun! Was sagt ihr dazu?!"

„Ja, Alain, dir folgen wir gerne!", riefen die Menschen und Alain drehte sich wieder zu Augustin. „So, jetzt bist du und die Wachmänner dran."

Augustin nickte und (schauten) schaute sich um, bis er den Hauptmann der Wache entdeckte. „Bitte (lasst) macht die (Toren) Tore auf!"

Der Hauptmann der Torwache zögerte und wollte sich weigern, aber letztendlich gab er nach. „Öffnet die (Toren) Tore!", befahl er seinen Männern und beobachtete mit Argusaugen und (vermischten) gemischten Gefühlen, was weiter folgen würde. Die großen (Eisentoren) Eisentore knarzten grässlich, als zwei Wachsoldaten sie öffneten. „Du gehst ihnen (Voraus) voraus und zeigst ihnen den Weg bis zum Schloss. Verstanden?", befahl der Hauptmann der Wache dem dritten Soldaten, der zuvor Augustin hierher geführt hatte.

Der (Angesprochener) Angesprochene nickte und bewegte widerwillig seine Füße. Die (Toren) Tore wurden geöffnet. Die Menschen marschierten durch, ohne Augustin und die Wachmänner anzurühren. Alain klopfte beim Vorbeigehen Augustin auf die Schulter. „Gut gemacht.", lobte er den Knaben und führte die Frauenbewegung, zusammen mit anderen Nationalgardisten, bis zum Schloss und hinter dem vorausgehenden Wachsoldaten.

Augustin sah ihm kurz nach. „Mein Sohn.", sagte jemand hinter ihm und als er sich umdrehte, landete er sogleich in (die) den starken Armen seines Vaters. „Ich bin stolz auf dich!"

„Danke..." Auch wenn das Lob seines Vaters ihm schmeichelte, fühlte Augustin sich auf ein Mal unbehaglich. „Wo ist François?", wollte er wissen und befreite sich entschuldigend aus der Umarmung seines Vaters.

André verstand, dass der Junge (sich) solchen Umarmungen entwachsen war und respektierte das. „Ich habe François verboten mitzukommen und Alain hat ihm befohlen, bei seinen Frauen zu bleiben. Ihnen hatte er wiederum verboten an der Bewegung teilzunehmen."

„Verstehe." Das Unbehagen in Augustin verstärkte sich und dabei entstand ein mulmiges Gefühl in seinem Bauch.

„Wo ist deine Mutter jetzt?", wollte André wissen und sobald Augustin ihm die Gemächer beschrieb, war er fort.

Auch ihm sah Augustin nach und da tauchte eine Frau im zerschlissenen und lumpigen Kleid vor ihm auf. Eine Frau mit Stoppelbart und eiskalten, mörderischen und vom Hass geprägten Blick. (Wieso Frau? Ist Armand nicht ein Mann?) „Lange nicht gesehen, Missgeburt..." Ein paar (verfaulten) verfaulte Zähne zeigten sich im Mund, als die Frau breit grinste.

Augustin dachte sich zuerst nichts dabei, aber dann erschauderte er. Sein Herz begann heftig gegen seinen Brustkorb zu schlagen, die Welt blieb für ihn augenblicklich stehen und seine Hand fasste (am) den Knauf seines Schwertes. Der Regen schien noch mehr auf ihn niederzuprasseln und Augustin glaubte das Trommeln der Tropfen auf seiner unbedeckte Haut des Gesichtes und der Hände wie eine Warnung zu spüren. „Armand..."

„An deiner Stelle würde ich das lassen und dein Schwert nicht anrühren." Armand pfiff durch die Zähne und lachte boshaft. „Es sei denn, du willst dein Wort brechen und all die netten Menschen hier gegen dich aufbringen."

Die Torwache schien damit beschäftigt zu sein, die Frauenbewegung durch das Tor zu lassen und mehr darauf zu achten, dass niemand dabei verletzt wurde. Augustin konnte ihnen das nicht verübeln. Seine Gedanken rasten wie im Flug. Seine Hand lockerte sich widerwillig um das Schwert und er selbst knirschte mit den Zähnen. „Was willst du hier? Rache an dem Tod von Georges?"

„Keine Sorge, die Rache werde ich noch bekommen." Armands (hämischer) hämisches Grinsen verstärkte sich. „Ich will, dass du mir jetzt genauer zuhörst: Wenn du deinen Bruder wiedersehen willst, kommst du unverzüglich mit!"

Das war bestimmte eine Falle, redete Augustin sich ein und versuchte unbeeindruckt zu wirken. Denn wenn François in Gefahr wäre, dann hätte er als sein Zwillingsbruder dies schon längst gespürt! „Wieso soll ich mit dir gehen?"

„Das wirst du schon sehen!" Armand leckte genüsslich seine Lippen und schaute flüchtig zum geöffneten Tor. Die Menschen, die durch das Tor und an ihnen ungeachtet vorbeiliefen, wurden immer weniger. Auch einer der Wachsoldaten schien (seinen) sein Augenmerk in Richtung von Augustin zu richten. Das störte Armand in seinem Vorhaben keineswegs. „Ich will dass du mein Trauzeuge wirst... Selbstverständlich kannst du auch der Hochzeitsnacht beiwohnen..."

„Hochzeit? Was für eine Hochzeit?" Augustin machte einen Schritt, aber blieb sogleich stehen, denn Armand richtete seine Mistgabel gegen ihn. „Anna hat sich bereit erklärt, mich zu heiraten, wenn ich François am Leben lasse und Diane nicht als Belohnung an meine Freunde gebe."

„Und das soll ich dir glauben?", spie Augustin wütend und ungläubig zugleich. Er spürte immer noch nicht, dass seinem Bruder eine Gefahr drohen sollte! Also bluffte Armand, um ihn aus der sicheren Zone zu locken, ihn dann als Geisel zu nehmen, seine Eltern damit zu erpressen und wenn sie auf die Forderung (eingehen) eingigen, sie auf diese Weise zu beseitigen!

„Ich gebe dir bis morgen Abend Zeit!" Armand ging nicht auf seine Frage ein. „Wenn du bis dahin nicht bei mir Zuhause auftauchst, verliert dein Bruder sein Leben und Anna werde ich trotzdem heiraten!" Er ergötzte sich am wütenden Anblick von Augustin und begleitet vom boshaften Auflachen(,) verschwand er im nächsten Augenblick in der vorbeilaufende Menschenmenge.

Augustin wusste nicht, was er tun sollte! Einerseits wollte er Armand nicht glauben und andererseits sagte eine Stimme in ihm, er sollte das überprüfen. Aber nur wie? Er verlor Armand schnell zwischen den Leibern der anhaltenden Menschen und in dem Moment zeigte sich die Königin auf einem Balkon des naheliegenden Schlosses. Sie beugte ihr Haupt vor dem Volk und da erblickte Augustin seine Mutter hinter ihr. Der Augenblick zog sich in die Länge, die Stille breitete sich aus und keiner wagte sich vom Fleck zu rühren. Auch Augustin nicht. Er musste schnell handeln und noch schneller überlegen! Die königlichen Wachmänner standen immer noch am geöffneten Tor und Augustin ging zu ihnen. „Ihr berichtet alles, was ihr gesehen habt, dem General de Jarjayes und sagt ihm zusätzlich: Armand ist wieder da!" Er bewegte sogleich seine Füße, ohne die (fragende) fragenden Gesichtsausdrücke der Wache zu beachten und schlängelte sich zwischen den herumstehenden Leibern von Menschen in Richtung (von) Stall.

Oscar sah ihren Sohn nicht gehen. Sie stand hinter der Königin und schaute sich die strömenden Frauen draußen an. Bewaffnet mit Spießen, Mistgabeln und Kanonen(,) versammelte sich der Mob vor dem Schloss und die Königin kam auf den Balkon heraus. Sie senkte vor dem Volk ihr Haupt und Oscar schaute auf die Köpfe der Menschen durch den grauen Regen hinab. Irgendwo da draußen am Tor befand sich Augustin und sie fragte sich, warum er nicht zurückkam. Das mulmige Gefühl und die dunkle Vorahnung wurden dabei immer stärker.