Der Himmel vertiefte sich von grauschwarzen Schwaden zu einen wahren Schwarz. Weder Sternenlicht noch Mondessschein drang durch den Rauch. Ivren vermisste die Sterne, auch wenn sie nicht seine waren. Mit so manchen Männer und Frauen trank er am Feuer und teilte die ein oder andere Geschichte, immer etwas angepasst, Halb-Wahrheiten. Kurz vor dem Morgengrauen verschwand er um letzte Vorbereitungen zu treffen.
Ivren zog sich sicher hinter Zeltplanen zurück bevor er den Eldunari hervorholte. Trotz der Größe und dem Gewicht des schwarzen Steines bliebt ihm keine andere Wahl als ihn mit in den Kampf zu nehmen. Den Eldunari zurückzulassen wäre sinnlos. Aber wie konnte er ihn bei sich tragen ohne selbst gestört zu werden? Kein gewöhnlicher Mensch konnte einen Eldunari zerbrechen. Ein Problem weniger. Ivren überlegte. Er könnte ihn auf seinem Rücken tragen, versteckt in der Tasche und unter seinem Mantel. Ja. Das würde er tun.
Ivren deckte sich selbst und seine Ausrüstung mit Schutzzaubern ein. Sein Schwert, zwar besser als die meisten, würde nicht unbedingt einer Reiterklinge standhalten. Er hatte es nie getestet. Warum auch? Zur Sicherheit schrieb er erst einen Zauber auf, sprach ihn über das Schwert und ebenfalls einen Dolch. Die Notiz verbrannte er. Nun würde der Zauber erst auf seinen Befehl wirken. Ansonsten wäre es eine viel zu große Energieverschwendung. Seine Waffen waren von guter Machart, darauf legte er wert. Menschen zu töten war weitaus leichter als Ra'zac zu töten.
In der Nacht hatten sich die stinken Dämpfe über dem Boden gesammelt und bildeten einen milchigen gelblich schimmernden Nebelschleier. Er verbarg die Varden vor den Augen ihrer Feinde. Sie strömten so leise wie möglich hinaus ins Niemandsland. Heerscharen von Kriegern marschierten an ihnen vorbei. Ihre Rüstungen und Waffen waren mit Stofflappen umwickelt, damit sie kein Geräusch verursachten, das ihren Vormarsch verraten hätte.
Erst als sie zu dreiviertel hinüber waren erschallten die Hörner der Wachposten. Hufe donnerten über die Steppe als die Kavallerie los ritt, begleitet von den Kull. Die beiden Armeen prallten mit gewaltigen Getöse aufeinander. Spieße krachten gegen Sperre, Hämmer gegen Schilde, Schwerter gegen Helme. Saphira und Eragon bleiben hinter der vordersten Reihe zurück, mit ihnen ihre Wache und Ivren. Sein Geist strich rasant über die Soldaten hinweg. Innerhalb von Sekunden fand er einen Magier. Die Varden jubelten lautstark als vor ihnen ein ganzes Bataillon an Feinden zerfiel. Eragon hatte den ersten feindlichen Magier eliminiert.
Ivren fokussierte sich auf seinen Feind. Sein Schwert schlitze einen Soldaten von Kopf zu Fuß auf, im nächsten Moment wandte sich der Magier unter seinen Ansturm und er ließ seine Gedanken wie ein Speer durch eine hauchdünne Schwachstelle schnellen. Gierig nahm er alles an Wissen was er konnte, schob es in den Hintergrund für später und teilte das Wichtigste mit Eragon.
Nebenbei spürte er wie Eragon den Soldaten einen schmerzlosen Tod gab. Ivren musste ihn wirklich später mal nach dem Zauberspruch fragen. Er selbst ließ nicht solche Gnade walten. Ivren machte sich Herr über den Körper und Geist des Magiers, zwang ihn dazu seine eigenen Männer zu töten und trank seine Lebenskraft.
Ein lautes Krachen, Holzsplitter folgen auf ihn zu, dann Feuer! Fluchend warf er sich zu Seite. Einige Splitter fielen kurz vor ihm zu Boden, aufgehalten von seinem Schutzzauber. Ivren spürte wie die gewonnene Energie schwand. Flammen leckten an seinen Mantel, fanden aber keinen Halt. Er stahl die Energie aus ihnen und sie erloschen.
Schnell erblickte er das Problem. Die Katapulte zielten auf Eragon und Saphira. Auch wenn sie den beiden nur wenig Schaden konnten, schwächte es ihre Schutzzauber und die Varden waren nicht immun gegen Feuer wie ein Drache. Es brauchte nur ein paar Sekunden Kontakt mit Eragon um einen Plan auszuarbeiten. Nun, wenn man es einen Plan nennen konnte. Während Eragon die Soldaten an den Katapulten mit seinem Geist angriff, lies Ivren die Flammen erlöschen. Dabei stand er ganz still, allein fokussiert auf die flackernde Energie. Es kostete höchste Konzentration nur das Feuer zu ergreifen und nicht die geschützten Männer.
Ivren spürte wie einer ihrer Magier dem Feind erlag. Es würde eine Kettenreaktion auslösen – wenn nicht Ivren pfeilschnell seinen eigenen Zauber über sie warf. Er keuchte und musste innehalten. Eous' Stärke schloss sich seiner eigenen an, ein endlos tiefer Ozean zu seinen eigenen Reserven. Ein Kull erschlug jene zwei Soldaten, die Ivren's Schwäche ausnutzen wollten.
Es war ungewohnt so viele Menschen zu beschützen, aber Ivren hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Die Schlacht tobte weiterhin um ihn herum. Saphira und Eragon stürmten nun auf die Front zu. Ivren fluchte, übertrug die Schutzzauber ganz auf den Eldunari, hoffte sie würden ihn nicht zu sehr entleeren und stürzte nach ihnen in den Kampf.
Wann immer Eragon und Saphira über ein Trupp herfielen, war er dort, ein Schatten an Eragon's Seite, ein blutiger Schatten. Saphira war so schön wie sie tödlich war, glimmernde Schuppen und blutgetränkte Klauen. Dreimal töteten sie jeden Soldaten in den vordersten Reihen, dreimal zogen sie sich wieder zurück. Sie alle waren erschöpft. Endlich übernahmen die Magier der Varden den Schutz wieder.
Die Leichen fingen an sich so langsam zu stapeln und doch wurden es nicht weniger Soldaten. Sollte er Nainar um Hilfe bitten? Galbatorix war bisher nicht aufgetaucht und Ivren zweifelte daran, dass er überhaupt erscheinen würde. Bisher hatte er es nicht nötig. Ivren mag zwar kaum etwas über Kriege und Strategie wissen, aber selbst er erkannte das die Varden am verlieren waren. Ein zweiter Drache würde das Blatt wenden.
Es wäre der perfekte Zeitpunkt. Die Sonne stand tief am Himmel, kaum sichtbar zwischen den Rauchschwaden. Nainar wäre unsichtbar in dieser Dunkelheit. Er würde gar nicht erst landen, stattdessen herab tauchen und die hinteren Reihen des Imperiums in Flammen tränken.
Gerade wollte er Eragon darum bitten auf seinen Körper aufzupassen während er nach Nainar suchte, da ertönte eine Trompete. "Die Zwerge kommen! Die Zwerge kommen!"
Erleichterte atmete Ivren aus. Eragon zieg auf Saphira in die Luft. "Freut euch Männer! König Hrothgar ist gekommen! Und wie es aussieht, hat er das ganze Zwergenvolk mitgebracht! Wir werden das Imperium besiegen!" Nachdem sich der Jubel der Männer gelegt hatte, fügte er an: "Jetzt nehmt eure Schwerter und zeigt diesen verlausten Feiglingen, was die Stunde geschlagen hat!"
Hunderte ergaben sich oder liefen über, warfen ihre Waffen weg und flohen. Eine brennende Lanze flog über sie hinweg und bohrte sich in eins der Zelte auf der Seite des Imperiums. Ivren erschlug einen aufdringlichen Soldaten und drehte sich nach Eragon um. In dem Gedrängel der Schlacht hatte er ihn aus den Augen verloren.
Bald darauf ertönte ein Horn, dann noch eins und noch eins. Trommelschläge. Sie alle hielten inne. Was war los? Sofort musste er an Galbatorix denken. Ein Signal? Am nördlichen Horizont stieg ein dunkler Punkt in den roten Himmel auf. Die Vögel wichen dem Schatten aus. Es war zu klein um Shruikan zu sein, also vielleicht ein Lethrblaka?
Dann durchdrang im Westen ein Sonnenstrahl die dichte Wolkendecke und fiel auf das Wesen. Über ihnen schwebte ein Drache, glühend rot in der Sonne. Seine Flügelhaut war ein dunkleres rot und seine Klauen, Zähne und Rückenzacken waren schneeweiß. Auf dem Rücken trug er eine Sattel, darin ein Mann in einer Rüstung aus poliertem Stahl, glänzend im Licht.
Ein weiterer Drachenreiter. Fünf waren es nun, fünf wahre Drachenreiter. Ivren zählte Galbatorix nicht mit, er war ebenso wenig ein Drachenreiter wie er selbst. Der stählender Mann hob die linke Hand und ein knisternder roter Energiestrahl schoss aus der Handfläche. Ivren konnte nicht sehen wen er traf, doch er hörte die Schreie und Saphira's Brüllen.
„Eragon, warte!" Er hielt inne, sein Gesicht von Hass verzogen. Selbst sein Geist fühlte sich anders an. „Nimm mich mit!"
Ivren rannte zu ihm, schnell wie ein Elf. Erneut musste er seine Energie mit dem Eldunari auffrischen. Solche Tricks kosteten ihm immer viel Kraft. Ivren stieg hinter Eragon in den Sattel, griff erneut nach dem Eldunari und schenke Eragon mehr Kraft. Dann stieg Saphira in den Himmel und flog dem roten Drachen entgegen.
Ivren streckte seinen Geist weit aus, in den Bereich wo die Wolken noch dicht und dunkel waren. Dort flog Nainar, sicher versteckt. Ivren runzelte die Stirn. Er spürte die gierigen Vögel, verschreckt von den Drachen. Doch wo war Nainar?
Seine Suche erstarb als die zwei Drachen anfingen miteinander zu ringen. Mit Klauen und Zähne griffen sie einander an, schnappten nach dem Hals des anderen und doch schien es ausgeglichen zu sein. Ihre Klauen kratzen über Schuppen und Rüstung, kreischend. Ivren klammerte sich fest während sie in die Tiefe sanken. Verdammt! So konnte er nicht nach Nainar rufen – Aber der Drache könnte ihn doch erreichen. Wo blieb er?
Kurz vor dem Boden ließen sie voneinander ab. Saphira zischte wütend und stieß eine gewaltige Flamme aus. Drei Meter vor dem roten Drachen gabelte sich das Feuer und schoß wirkungslos an den Flanken vorbei. Noch während der rote Drache das Maul aufriss um den Feuerstoß zu erwidern, sprach Eragon seinen Zauber. In der Zwischenzeit heilte Ivren einige kleinere Wunden von Saphira. Alleine mögen sie zwar keinen Schaden anrichten, aber über die Zeit würden sie sich ansammeln und Saphira schwächen.
Die zwei Drachen rasten in den Himmel hinauf. Immer wieder hieben sie aufeinander ein und schnappten mit gefletschten Zähnen nacheinander. Plötzlich schrien Saphira und Eragon gemeinsam vor Schmerz als der Rote sie in den Schwanz biss. Ivren fluchte. Er konnte so nicht angreifen! Keuchend machte Saphira einen engen Rückwärtssalto – Nainar hätte das nicht gekonnt – und gelangte hinter den anderen Drachen. Dieser versuchte nun über sie zu gelangen. Im Kampf mit einen wilden Drachen wäre alles so viel leichter. Keine nervigen Schutzzauber . .
Ugh! Der feindliche Reiter griff seinen Geist an. Ivren schottete sich ganz von der Welt ab und rief Eragon zu – doch dieser war ganz und gar abwesend. Vermutlich etwas mit seinen Magiern? Doch es blieb keine Zeit. Ein Blick nach unten zeigte ihm wie der rote Drache auf sie zuschoss. Blitzschnell griff Ivren einen Dolch und warf ihn. Jierda!
Der Drache versuchte abzudrehen, aber der Dolch folgte Ivren's Willen und drang in seine Seite ein. Er brüllte vor Schmerz. Der Angriff stoppte. „Gut gemacht!" schrie Eragon über das Rauschen des Windes hinweg ihm zu.
Erneut tanzten die Drachen. Sie jagten umeinander herum bis ihnen die Zungen aus den Mäulern hingen, ihre Schwänze erschlafften und sie mit den Flügelschlagen aufhörten und nur noch durch die Luft segelten. Ivren konnte zwar noch mehr Energie auf Saphira übertragen, aber es würde ihren Muskeln nicht helfen. Zauber waren nutzlos wenn er nicht seine ganze Stärke an Schutzzaubern verbrennen wollte. Eragon traf die Entscheidung für ihn: „Lande Saphira! Wir kämpfen am Boden gegen den Kerl!"
Mit einen erschöpften Seufzer ließ sich Saphira zum nächstbesten offenen Geelände herabsinken, einem kleinen Felsplateau westlich vom Jiet-Strom. Das Wasser war rot vom Blut der Schlacht, das sich in ihn ergoss. Sie sprangen ab sobald Saphira gelandet war. Eragon trat prüfend auf den Untergrund. Ivren zog sein Schwert und wartete.
Wenige Sekunden später rauschte der rote Drache über sie hinweg und landete am anderen Ende des Plataeus. Er fauchte, blieb aber weg. Sein Reiter löste die Beinriemen und rutschte von seinem Drachen herunter. Der Reiter zog den Dolch aus seiner Seite und heilte seinen Partner. Eragon flüsterte an seiner Seite: „Wie hat er das gemacht?"
Ivren antwortete nicht, wunderte sich aber ebenfalls. Solch ein Energieaufwand, er selbst tat ähnliches mit Eous' Eldunari. Ah, das war die Antwort. Natürlich! Warum sollte Galbatorix nicht von Eldunari wissen? Es erklärte auch den starken Geist. Wer aber war dieser Fremde? Einer von Galbatorix treuen Männer, sicherlich, persönlich ausgesucht für das Ei. Oder zumindest stellte er es sich so vor. Vielleicht auch nicht so treu. Seit wie vielen Jahren hatte Galbatorix die Dracheneier schon? Anfangs hatte er bestimmt genau gewählt wer das Ei berührte, aber nach so vielen Jahren ohne Erfolg, und mit Eragon und Saphira, mag er genauso gut seine Regeln gelockert haben. Oder? Es war nicht als kenne er Galbatorix gut. Glücklicherweise.
Eragon tat den ersten Schritt, Ivren folgte. Während sie sich in der Mitte des Plateaus trafen, umkreisten Saphira und der rote Drache sich im Hintergrund. Der Reiter packte sein Schwert, griff aber noch nicht an. Ivren teilte einen kurzen Blick mit Eragon, dann schlugen sie zu. Der Reiter wich Ivren's Klinge aus und parierte die andere. Doch er hatte kaum Zeit zu reagieren. Gemeinsam griffen sie immer wieder an und nutzen ihre überlegene Anzahl voll aus. Mit jedem Schritt trieben sie ihn zum Rand des Plateaus. Hoffentlich konnten sie ihn gefangen nehmen und nicht töten.
Plötzlich schlug der Reiter heftig auf Eragon ein. Dieser strauchelte, fing sich aber wieder – doch bereits war der Reiter ihnen entwischt und trieb Eragon zurück. Ivren stürzte sich auf den Rücken des Reiters. Aus dem Augenwinkel sah er rote Schuppen und gerade noch schaffte er es sich unter dem Drachenschwanz hinweg zu ducken. Saphira sprang ihrem Gegner hinterher.
Eragon und der rote Reiter waren wieder im Zentrum. Ihre Klingen sprühten Funken wann immer sie sich trafen. Sie wandten sich umeinander herum, wie ein verdrehter Tanz. Immer wieder versuchte Ivren den Reiter zu erwischen wenn er mit Eragon abgelenkt war, aber stets wehrte er ihre Attacken ab. Er war einfach zu schnell. Hatte er sich mit den Eldunari einen Vorteil verschafft?
Ivren ließ ab. Es brachte nichts! Wo blieb nur Nainar? Mit ihm könnten sie die zwei gefangen nehmen. Egal. Focus! Wenn Schwerter nutzlos waren, würde er es eben mit Magie versuchen.„Thrífa." flüsterte er. Ivren schwankte unter dem Energieverlust. Sie rann ihm davon als wäre sie nichts als Wasser. Dennoch hielt er an.
Eragon rang nach Luft. Sein Knie gab nach und er fiel in den Matsch. Sofort stoppte Ivren den Zauber und zog den Reiter in einen weiteren Kampf. Seine Technik war gut, eher perfekt als gut. Ivren wich den nächsten Schlag aus und versuchte einen Blick auf Eragon zu werfen. Inzwischen war dieser wieder auf den Füßen. Seine Augen waren weit aufgerissen, geschockt starrte er den Reiter an. „Ich kenne dich!"
Erneut trieb Ivren den Reiter zurück. Auf einmal stürzte sich Eragon auf den Reiter, schloss das Breitschwert zwischen ihren Körpern ein und riss ihm den Helm herunter. Was zum -
„Thrysta Vindr!" Eragon wurde zurück geschleudert. Ivren ran an seine Seite. Der Reiter ließ das Schwert sinken, deutete auf Eragon und sprach: „Du würdest niemals aufgeben, nicht wahr?" Dann wandte sein Blick sich Ivren zu. „Dieb.", grollte er. „Galbatorix will dich haben. Du wirst seine Gastfreundschaft genießen . . Eine Zelle nur für dich allein."
„Wie schön." erwiderte Ivren. „Ich freu mich schon darauf."
Inzwischen hatte Eragon sich aufgerappelt. „Murtagh . . . Du lebst? Ich habe doch gesehen, wie die Urgals dich in den Tunnel zerrten. Ich habe dich versucht, dich mit der Traumsicht zu finden, aber bloß Dunkelheit gesehen."
Murtagh war also sein Name. Er stieß ein heiseres, trauriges Lachen aus. „Ich habe auch nicht gesehen, als ich dich während meines Aufenthalts in Uru'baen mit der Traumsicht suchte."
„Aber du bist doch gestorben!" rief Eragon völlig verwirrt. „Du bist in den unterirdischen Gängen von Farthen Dur gestorben! Arya hat deine blutigen Kleider im Tunnel gefunden."
Ein Schatten verdüsterte Murtaghs Züge. „Nein, ich bin nicht gestorben. Es war das Werk der Zwillinge, Eragon. Sie haben sich eine Gruppe von Urgals gefügig gemacht und den Hinterhalt arrangiert, um Ajihad zu töten und mich gefangen zu nehmen. Dann haben sie mich mit einem Bann belegt, damit ich nicht fliehen konnte und mich nach Uru'baen verschleppt."
Eragon schüttelte den Kopf. „Aber warum hast du dich auf Galbatorix' Seite geschlagen? Du hast mir doch gesagt, du würdest ihn hassen. Du hast gesagt -"
Ivren fand es zweifelhaft das Murtagh genügend Kraft besaß um Galbatorix davon abzuhalten seinen Geist zu durchbrechen und ihm seinen wahren Namen zu entreißen. Könnten es sie? Unwahrscheinlich. Wie alt war Galbatorix nochmal? Etwas älter als er, dazu noch eine richtige Reiterausbildung, möglicherweise Unterstützung von weiteren Magiern und Eldunari – Es sah schlecht aus.
„Pah!" lachte Murtagh, „Ich habe mich nicht auf seine Seite geschlagen! Zuerst hat Galbatorix mich bestraft, weil ich es ihm nicht gedankt habe, dass er mich als Kind in seine Obhut genommen hat, und weil ich mich seinem Willen widersetzt habe und fortgelaufen bin. Anschließend hat er mir alles entlockt, was ich über dich, Saphira und die Varden wusste."
„Du hast uns verraten? Ich habe um dich getrauert und du hast uns verraten?"
Man konnte es sich nicht aussuchen für wen man trauerte. Manche Bände hielten selbst durch Verrat, gewollt oder ungewollt. Selbst wenn man jemanden hassen sollte, man konnte es nicht. Ivren hielt ein Seufzen zurück. Es hieß nicht das es hier so war. Eragon war nicht er und das war gut so.
„Ich hatte keine andere Wahl! Und nachdem Dorn bei mir geschlüpft ist, hat Galbatorix uns beide gezwungen, ihm in der alten Sprache treue zu schwören. Wir müssen ihm gehorchen, ob wir wollen oder nicht."
„Du bist geworden wie dein Vater."
„Nein, nicht wie mein Vater. Ich bin stärker, als Morzan es je war. Galbatorix hat mir Dinge beigebracht, von denen du nicht einmal zu Träumen wagst . . So starke Zaubersprüche, dass die Elfen sie nicht auszusprechen wagen, feige wie sie sind! Worte in der alten Sprache, die vergessen waren, bis Galbatorix sie wiederentdeckt hat. Worte, um Energie zu manipulieren . . . Geheimnisse, furchtbare Geheimnisse, die den Feind zerstören und einen alle Wünsche erfüllen."
„Dinge, die Geheimnisse bleiben sollten."
Aber waren es wirklich Geheimnisse? Nicht einmal Aurora kannte alles Wissen des Ordens und sie war weitaus länger eine Reiterin als Galbatorix.
„Wenn sie dir bekannt wären, würdest du nicht so reden. Brom war ein Schwächling, nichts weiter. Und die Elfen? Pah! Die verstecken sich doch bloß in ihrem Wald und warten darauf dass man sie vernichtetet. Du siehst aus wie ein Elf. Hat Islanzadi dir das angetan? - Ist ja auch egal, ich erfahre die Wahrheit ohnehin bald." Er hielt inne und schaute stirnrunzelnd gegen Osten.
Ivren sah dort zwei Gestalten, nein, zwei Männer, an der Spitze von Galbatorix' Truppen stehen. Sie bombardierten die Varden und Zwerge mit Energiestößen. Ein Mann pirschte sich an. „Warte! Ich will sehen, was er anstellt."
„Warum?"
Ein verbittertes Lächeln huschte über Murtaghs Gesicht. „Die Zwillinge haben mich bestialisch gefoltert, als ich ihr Gefangener war."
Ah, Vergeltung, sein altbekannter Freund. Sie beobachteten gemeinsam, wie der Mann sich hinter einem Leichenberg verschanzte. Für einen Moment sah es aus als würden sie ihn gesehen haben, aber dann wandten sie sich wieder ab. Der Mann sprang auf. Sein Hammer sauste herab und schlug einem der beiden den Schädel ein. Der andere stolperte über seinen Gefährten, krümmte sich und stieß einen wortlosen Schrei aus, als er auch unter dem Hammer zusammen brach.
„Und was nun? Willst du mich umbringen?"
„Natürlich nicht. Galbatorix will dich lebend."
„Wozu?"
Murtagh verzog die Lippen. „Das weißt du nicht? Ha! Das ist ein guter Witz! Es geht nicht um dich, es geht um sie" Er deutet auf Saphira. „Der Drache im Ei, das ihr gestohlen habt, ist männlich. Saphira ist der letzte weibliche Drache auf der Welt. Sie wird die Urmutter einer neuen Generation sein. Begreifst du es jetzt? Galbatorix will die Drachen nicht ausnutzen. Er will Saphira dazu benutzen, die Drachenreiter wieder auferstehen zu lassen. Er kann keiner von euch beiden töten, wenn er will, dass seine Vision wahr wird . . Und was das für eine Vision ist, Eragon! Du sollest ihn hören, web er darüber redet, dann würdest du nicht so schlecht über ihn denken. Ist es denn so schlimm, dass er Alagaesia unter einem einzigen Banner vereinen möchte, dass er den grund für Kriege ausräumen und den Drachenreitern zu neuen Ruhm verhelfen will?"
„Er war doch derjenige, der sie alle erst umgebracht hat!" Ivren musste Eragon voll zustimmen. Egal welch große Vision Galbatorix hatte, es war zu spät.
„Aus guten Grund. Sie waren alt und fett und unzuverlässig. Die Elfen haben sie beherrscht und dazu benutzt, die Menschen zu unterwerfen. Man musste sie entfernen, damit wir noch einmal von vorne anfangen konnten."
Ivren fühlte sich beleidigt in Aurora's und Oromis' Namen. Eragon fing an aufgebracht hin und her zu marschieren. Währenddessen sprach er weiter, versuchte Murtagh zu erreichen, um ihn auf ihre Seite zu ziehen, doch es war nutzlos. Murtagh und Dorn waren durch seinen wahren Namen gebunden, bis sie vielleicht eines Tages entfliehen könnten. Ein ferner Tag. Er ließ Eragon gewähren, auch wenn er dessen Angebot die beiden zu töten – nun ja, unverständlich fand.
„Letta!", rief Murtagh. Ivren schlug auf dem Boden auf, als sich unsichtbare Fessel um seine Arme und Beine legten, und ihn bewegungsunfähig machten. Er hörte noch wie Saphira fauchte und das Rauschen eines Feuerballs, aber dann wurde auch sie gefangen.
„Brakka du vanyali sem huildar Saphira un eka!" sprach Eragon. Ivren konnte nicht sehen ob es etwas brachte, aber wenn Murtagh wirklich Eldunari benutzte, hatte er keine Chance.
Ivren konzentrierte sich ganz auf die Erde unter ihm und stellte sich vor wie sie splitterte, nachgab und zu steinern Ketten wurde. Eous' Eldunari gab ihm Kraft. Deloi moi!
Dorn brüllte. Die Magie gab nach für einen Augenblick. Er hörte ein Keuchen, dann sagte Eragon: „Lass uns gehen. Wir waren einmal Freunde. Wir haben gemeinsam gekämpft. Murtagh . ."
Eine Minute verstrich. Gerade als Ivren anfing den nächsten Zauber zu sprechen, antwortete Murtagh: „Ich sollte versuchen euch zu fangen, so lautete mein Auftrag. Nun, ich habe es versucht. Sieh zu das wir uns nie wieder über den Weg laufen! Bei unserer nächsten Begegnung landet dein Dieb in Ketten und du wirst nicht erneut ungeschoren davonkommen!"
„Aber bevor ich euch gehen lasse . ." Ivren konnte sich immer noch nicht bewegen. Was auch immer Murtagh tat, er konnte es nicht sehen. Er hörte nur Schritte bis Eragon rief: „Du lügst!"
Zu gerne würde er wissen was ihm zu geflüstert wurde. Nur zu gerne . .
Schritte wurden zu Flügelschlägen und dann waren sie frei. Die Schlacht war vorüber.
